Erwartet wurde es schon seit Wochen, nun ist es Gewissheit: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck möchte sich von seiner Partei Bündnis 90/Die Grünen zum Kanzlerkandidaten ausrufen lassen. Ein kryptisch anmutendes Video auf Elon Musks Plattform X (früher Twitter), zu der Habeck nach einigen Jahren Abstinenz wieder zurückkehrte, bildete den Auftakt für die Habeck-Kampagne - geplant ist nun, dass sich der Noch-Vizekanzler Ende nächster Woche beim Grünen-Bundesparteitag zur Wahl stellt und sich auf den Kandidatenschild hieven lässt.
„Kanzlerkandidat“ einer 9-Prozent-Partei
Doch nicht nur das Timing der Ankündigung der Kandidatur Habecks ist nach dem erst kürzlich erfolgten Bruch der Ampelkoalition nicht das Beste – sondern auch die Kandidatur selbst. So spottete Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz vollkommen zurecht über Habecks Ambitionen, die Grünen als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf zu führen: „Die Selbsterklärung zum Kanzlerkandidaten bei neun Prozent Wählerzustimmung hat ja durchaus einen humorvollen Teil“ - die Grünen müssten das „dann mit sich und ihren Wählerinnen und Wählern ausmachen“.
Und schließlich – fernab derzeit desaströser Umfragewerte für die Klima- und Wokenesspartei - die Person Habeck selbst. Kaum ein Politiker steht so sehr sowohl für die schlechte Performance der Scholz-Regierung als auch für deren letztendliches Scheitern wie der promovierte Germanist und Kinderbuchautor, dem es als Klimaschutz- und Wirtschaftsminister nicht gelang, sowohl beim Klimaschutz (Stichwort Heizungsgesetz) voranzukommen als auch aufgrund seines starren staatsdirigistischen Wirtschaftsdenkens der zur Zeit stark kriselnden Wirtschaft rettend unter die Arme zu greifen.
Eine der schwächsten Persönlichkeiten der Ampel
Die Quittung hierfür: Unterirdische Beliebtheitswerte (oder umgekehrt formuliert: hohe Unbeliebtheitswerte) des einstigen Polit- und Mediendarlings, die wohl auch keine noch so schön gezimmerte Medien- und Imagekampagne innerhalb kürzester Zeit wieder wettmachen können. Dafür sitzt die Erinnerung an Habecks erfolglose Regierungsarbeit noch zu tief.
Robert Habeck ist ein gescheiterter Politiker – ihn (selbstverständlich fernab jeglicher Realität) zum Kanzler zu wählen, wäre nicht nur, buchstäblich den Bock zum Gärtner zu machen, sondern auch einen Mann ins Kanzleramt zu hieven, der drauf und dran wäre, Noch-Kanzler Olaf Scholz performancetechnisch zu unterbieten. Als Quittungsempfänger für drei missratene Regierungsjahre hingegen könnten die Grünen vermutlich kaum einen besseren Kandidaten aufbieten – die SPD sollte deswegen vielleicht eine Kandidatur von Innenministerin Nancy Faeser in Erwägung ziehen.
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