Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um „5 vor 12“

Amerikanische Zeitenwende

Die USA erhöhen ihren Druck auf Selenskyj, nicht auf Putin. Das weiß man im Kreml wohl zu deuten.
Donald Trump bei einem Pressestatement
Foto: IMAGO/Pool/ABACA (www.imago-images.de) | Läuft dem eigenen Zeitplan etwas hinterher und sieht deshalb rot? Donald Trump möchte den Ukrainekrieg beenden - koste es die Ukraine, was es wolle.

Die Friedensverhandlungen, über deren Inhalt und Ziel der Westen immer weiter auseinanderdriftet, haben noch gar nicht begonnen. Während sich Amerika und Europa mit wachsender Geschwindigkeit voneinander entfernen, attackiert Putins Russland täglich und nächtlich die Ukraine, bringen Raketen und Drohnen Tod und Zerstörung. Kein Zweifel, dass die Ukraine dringend Frieden braucht – aber eben Frieden, nicht Kapitulation.

Lesen Sie auch:

Jedes Wort, jede Zeichenhandlung des amerikanischen Präsidenten hierzu wird in Moskau auf die Waagschale gelegt: Dass Donald Trump den Präsidenten der überfallenen Ukraine als „Diktator“ bezeichnete und seine Legitimität in Zweifel zog, dass er ihn im Weißen Haus schulmeisterte und ihm vorwarf, gar nicht am Frieden interessiert zu sein, dass Trump einen „Deal“ anstrebt und bereits vor direkten Verhandlungen Kompromissbereitschaft von Kiew – nicht aber von Moskau – fordert, und dass sich der US-Präsident selbst zum „Schiedsrichter“ ernannte. All das wird im Kreml mit Wohlgefallen registriert.

Putins Strategie geht auf

Nun hat die US-Regierung ihre Militärhilfe für die Ukraine ausgesetzt. In Moskau, wo man von den Maximalforderungen bisher keinen Millimeter abgerückt ist, wird das als Bestätigung aufgenommen: Putins Strategie, ungeachtet der vielen Toten auf der eigenen wie auf der ukrainischen Seite immer weiter zu kämpfen und auf eine Spaltung des Westens zu setzen, scheint sich bewährt zu haben. In den Augen des US-Präsidenten ist seit vergangener Woche ohnehin Wolodymyr Selenskyj der Hauptschuldige am Sterben in der Ukraine und an der Fortführung des Kriegs. Trump sieht Putin offenbar bereits als Partner für den Frieden, während er den widerborstigen Selenskyj mit seinem Beharren auf Sicherheitsgarantien dafür verantwortlich macht, dass es nicht zu einem schnellen Deal kommt.

Wenn US-Vizepräsident J.D. Vance nun meint, „letztlich“ werde auch Selenskyj Friedensgesprächen mit Russland zustimmen, dann klingt das für viele Ukrainer nicht mehr wie eine Erlösung von den Plagen des Krieges, sondern wie eine Drohung. Wollen die USA tatsächlich die demokratische Ukraine zur Kapitulation zwingen? Wollen sie tatsächlich die imperialistischen Träume Putins legitimieren und sein völkerrechtswidriges Vorgehen belohnen? Zumindest mit Blick auf Europa wäre das mehr als nur eine amerikanische Zeitenwende.

Katholischen Journalismus stärken

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Stärken Sie katholischen Journalismus!

Unterstützen Sie die Tagespost Stiftung mit Ihrer Spende.
Spenden Sie direkt. Einfach den Spendenbutton anklicken und Ihre Spendenoption auswählen:

Die Tagespost Stiftung-  Spenden

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stephan Baier Donald Trump Friedensverhandlungen J. D. Vance Russische Regierung US-Regierung Weißes Haus Wladimir Wladimirowitsch Putin Wolodymyr Selenskyj

Weitere Artikel

In Alaska empfing Donald Trump den russischen Präsidenten auf dem roten Teppich und mit Applaus. Wolodymyr Selenskyj muss heute in Washington auf einen ganz anderen Empfang gefasst sein.
18.08.2025, 11 Uhr
Stephan Baier

Kirche

Wie verläuft ein Sonntag bei den „Missionarinnen der Nächstenliebe“ ? Sie gehen zur Messe, beten, besuchen Obdachlose und nachmittags kommen 40 Gäste zur Suppenküche.
05.10.2025, 09 Uhr
Elisabeth Hüffer
Der Erzbischof von Utrecht, Kardinal Willem Jacobus Eijk, würdigt die Enzyklika „Humanae vitae“ als „ein prophetisches Dokument“.
05.10.2025, 15 Uhr
Regina Einig
Am Gedenktag des heiligen Franz von Assisi unterzeichnet Leo XIV. eine „Ermahnung“, in der es um die Liebe zu den Armen geht. Vor Pilgern predigt er über Reichtum und Armut.
04.10.2025, 11 Uhr
Meldung
Die gespaltene anglikanische Welt nimmt die Nominierung nicht nur mit Freude auf – der konservativen „Gafcon“ sind Geschlecht und Ansichten von Sarah Mullally suspekt.
04.10.2025, 17 Uhr
Meldung
Nein, Dankbare sind nicht spießig. Sie sind im guten Sinne rebellisch. Erntedank ist ein Aufruf zu mehr Dankbarkeit, einer Tugend, die aus der Mode geraten ist.
05.10.2025, 10 Uhr
Dorothea Schmidt