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USA: Oberstes Gericht beginnt Anhörung zu Abtreibungsgesetz im Dezember

US-Lebensschützer hoffen auf ein neues Grundsatzurteil durch den Obersten Gerichtshof. Abtreibungsbefürworter forcieren indes ihr Vorhaben, ein „Recht auf Abtreibung“ in der Verfassung zu verankern.
Oberster Gerichtshof
Foto: Alex Brandon (AP) | Abtreibungsbefürworter demonstrieren vor dem Supreme Court. Der ab Dezember verhandelte Fall "Dobbs vs. Jackson Women's Health Organizaiton" wird Lebensschützer und Abtreibungsbefürworter in gleichem Maße mobilisiern.

Mit Spannung blicken Lebensschützer und Abtreibungsbefürworter in den USA auf den Obersten Gerichtshof. Dieser wird sich bald mit einem Gesetz aus dem Bundesstaat Mississippi befassen, das Abtreibungen ab der 15. Schwangerschaftswoche verbietet. Trotz der landesweit geltenden Rechtslage, basierend auf dem Präzedenzfall „Roe vs. Wade“, rechnen Beobachter damit, dass das mit mehrheitlich konservativen Richtern besetzte Gericht den derzeitigen Status quo zugunsten von Abtreibunsgegnern ändern könnte.

Frage der Überlebensfähigkeit des Fötus im Zentrum

Am Montag hat der „Supreme Court“, wie die höchste judikative Instanz der USA heißt, nun bekanntgegeben, dass die Anhörungen zu dem Fall „Dobbs vs. Jackson Women’s Health Organization“, in dem das Gesetz aus Mississippi verhandelt wird, am 1. Dezember beginnen werden.
In den USA sind Abtreibungen seit 1973 im ersten Trimester einer Schwangerschaft, mit gewissen Einschränkungen auch noch im zweiten Trimester, straffrei. Die Rechtslage geht auf das damals erlassene, bis heute kontrovers diskutierte Grundsatzurteil „Roe vs. Wade“ des Obersten Gerichtshofs zurück.

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Im Zentrum des Falls steht die Frage der Überlebensfähigkeit des ungeborenen Kindes: Lebensschützer und auch die Initiatoren des Gesetzes aus Mississippi, bekannt als „Gestational Act“, argumentieren, nach dem heutigen Stand der Medizin sei ein Fötus bereits ab der 15. Schwangerschaftswoche außerhalb des Mutterleibs überlebensfähig. Daher sieht das Gesetz vor, Abtreibungen ab diesem Zeitpunkt zu verbieten. Ausnahmen, etwa im Falle einer Schwangerschaft durch Inzest oder Vergewaltigung oder wenn die Gesundheit der Mutter in Gefahr ist, sollen aber bestehen bleiben.

Die Gegner des „Gestational Act“ argumentieren hingegen, es bestehe „medizinischer Konsens“, dass ein Fötus erst ab der 23. oder 24. Schwangerschaftswoche überlebensfähig sei. Dies entspricht in etwa dem Zeitpunkt, bis zu dem Abtreibungen unter der derzeitigen Rechtslage straffrei sein können.  Ab dem 1. Dezember werden nun sowohl Vertreter des Staates Mississippi wie auch der Abtreibungsklinik „Jackson Women’s Health Organization“ ihre Argumente persönlich vor den Richtern am Obersten Gerichtshof vortragen können. 

Chance auf Erfolg für Lebesschützer selten größer

Auch wenn nicht zu erwarten ist, dass der Supreme Court ein völlig neues Grundsatzurteil fällen wird, das die unter „Roe vs. Wade“ etablierte Rechtslage revidieren würde: Die Voraussetzungen für US-Lebensschützer, zumindest ein restriktiveres Abtreibungsrecht zu erwirken, als es bislang der Fall ist, waren lange nicht so günstig wie in dem Fall, der bald verhandelt wird.

Diese Hoffnung drückte sich auch in den Äußerungen mehrerer Lebensschutz-Organisationen aus: „Es ist an der Zeit, der Wissenschaft zu folgen und unserer Gesetze zu modernisieren“, so Marjorie Dannenfelser, Vorsitzende der „Susan B. Anthony List“. Jeanne Mancini, Leiterin des „March for Life“, erklärte, man erwarte das Urteil des Obersten Gerichtshofs mit Spannung. „Bundesstaaten haben das Recht, all ihre Bürger zu schützen, auch diejenigen, die im Mutterleib heranwachsen.“ 

Abtreibungsbefürworter versuchen indes, ein landesweites Verfassungsrecht auf Abtreibung über den US-Kongress zu etablieren. Noch in dieser Woche soll im US-Repräsentantenhaus eine Abstimmung über einen Gesetzesentwurf stattfinden, der ein „Recht“ von Frauen auf Abtreibung in der Verfassung verankern und Ärzten die Erlaubnis geben würde, Abtreibungen straffrei durchzuführen. Sollte das Gesetz mit dem Titel „Women’s Health Protection Act“ tatsächlich in Kraft treten, würde viele der Beschränkungen, die von einzelnen konservativen Bundesstaaten in letzter Zeit beschlossen wurden, hinfällig werden.

Bischöfe warnen: Radikalstes Abtreibungsgesetz aller Zeiten

Die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, Demokratin und Katholikin, bezeichnete den „Women’s Health Protection Act“ kürzlich als direkte Reaktion auf ein sehr restriktives Abtreibungsgesetz im Bundesstaat Texas. Dieses verbietet Abtreibungen, wenn Ärzte einen Herzschlag des ungeborenen Kindes feststellen. In der Regel ist dies ab der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall.

Die US-Bischöfe bezeichneten das Gesetz, das nun im Repräsentantenhaus zur Abstimmung steht, als „das radikalste Abtreibungsgesetz aller Zeiten“. Der Erzbischof von Kansas City und Vorsitzende des Lebensschutz-Komitees der US-Bischofskonferenz, Joseph Naumann warnte in einem Brief an die Kongressabgeordneten davor, dass im ganzen Land Abtreibungen auf Wunsch zu jedem Zeitpunkt in einer Schwangerschaft möglich wären, sollte der Gesetzentwurf vom Kongress angenommen werden.  

Alle Amerikaner, so Naumann, würden dann Abtreibungen sowohl in den USA wie auch im Ausland gezwungenermaßen mit ihren Steuergeldern finanzieren. Zudem wären Gesundheitsdienstleister und Mitarbeiter in Gesundheitseinrichtungen gezwungen, gegen ihre „tiefen Überzeugungen“ Abtreibungen durchzuführen. Auch müssten Arbeitnehmer und Versicherungsanbieter die Kosten einer Abtreibung übernehmen, warnt Erzbischof Naumann.

Weißes Haus unterstützt Gesetz

Das Weiße Haus stellte sich indes hinter den Gesetzentwurf, der in diesen Tagen im Repräsentantenhaus zur Abstimmung stehen wird: „Nach dem beispiellosen Angriff in Texas ist es nie wichtiger gewesen, dieses verfassungsgemäße Recht gesetzlich zu verankern und den Zugang zu Gesundheitsversorgung für alle Frauen zu stärken, unabhängig davon, wo sie leben“, hieß es in einer Mitteilung.

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