Der Frankfurter Schriftsteller Martin Mosebach hat seine Faszination für die orthodoxe Kirche zum Ausdruck gebracht. „Die Orthodoxie hat etwas Grandioses bewahrt“, so der Büchner-Preisträger. In der orthodoxen Liturgie stelle er „eine viel größere Freiheit und Ungezwungenheit“ fest. Gleichzeitig sei die Feierlichkeit in keiner Weise gemindert, sondern sogar noch gesteigert. Mosebach äußerte sich bei der Veranstaltung „Zwischen Zeugnis und Faszination – Begegnungen mit den Ostkirchen“, die jüngst vom Collegium Orientale im Rahmen seines Hauptfestes in Eichstätt stattfand.
Forderung der Wiedertaufe hindert Mosebach an Konversion
Eine Konversion zur orthodoxen Kirche konnte sich Mosebach jedoch nie vorstellen. „Es gibt etwas, das mich daran hindert. Und das ist die Tatsache, dass die Orthodoxie die Wiedertaufe fordert.“ Zwar wisse er, dass dies aus gutem Grunde geschehe, „aber ich kann meine Vorfahren, von denen ich mein Christentum bekommen habe, nicht ins Heidentum hineinstoßen. Das ist mir eine Unmöglichkeit“.
Am engsten verbunden sieht sich Mosebach mit der griechischen Orthodoxie. Diese habe er bereits als junger Mann im Verlauf mehrerer Griechenland-Reisen näher kennengelernt. In seinem Frankfurter Umfeld habe sich eine kleine griechische Kapelle befunden, die er dann schon früh besucht habe, so der 67-Jährige. Zudem habe ihn die „liturgische Krise der lateinischen Kirche“, als Sonntagsmessen im Alten Ritus verboten wurden, der orthodoxen Kirche näher gebracht.
"Reichtum an Theologie und kreativer Schriftlesung" in koptischen Texten
Durch seine jüngsten Recherchen für sein Buch „Die 21“ über jene koptischen Christen, die vom sogenannten „Islamischen Staat“ hingerichtet wurden, weil sie sich weigerten, ihrem christlichen Glauben zu entsagen, sei er aber auch der koptischen Orthodoxie näher gekommen. In den koptischen Texten, so der Schriftsteller, befinde sich „ein Reichtum an Theologie und an kreativer Schriftlesung. Das ist außerordentlich kostbar und kommt aus frühesten Zeiten“.
Bei seinem Besuch bei den Hinterbliebenen der 21 koptischen Märtyrer habe er sofort festgestellt, so Mosebach, dass das vorherrschende Gefühl nicht Trauer gewesen sei. Vielmehr sei „die schuldige Verehrung gegenüber einem neuen großen Heiligen“ erwartet worden. Die Märtyrerprobe sieht Mosebach als einen wesentlichen Beweis für den Wahrheitsgehalt eines Glaubenssatzes: „Wäre jemand bereit, dafür zu sterben? Wenn ja, hat der Glaubenssatz eine Wahrheitsprobe bestanden.“ Die christliche Wahrheit sei diejenige, für die mit dem Leben eingestanden werde.
Mosebach: Christentum könnte als verfassungwidrig aufgefasst werden
Martin Mosebach äußerte sich bei der Veranstaltung des Collegium Orientale auch zum Verhältnis von Christentum und Verfassung. „Es wird ja immer gerne gesagt, dass der Islam nicht mit der Verfassung kompatibel sei“, so der Schriftsteller. In gewisser Hinsicht treffe dies auch für das Christentum zu. Beispielsweise könne man es als verfassungswidrig auffassen, wenn eine Körperschaft öffentlichen Rechts wie die katholische Kirche Frauen ungleich behandle. Und auch eine Auslegung der Verfassung, die ein äußerst liberales Abtreibungsrecht nach sich ziehe, könne in eine christenfeindliche Position umgedeutet werden. „Da können Christen in die Lage kommen, sich gesetzeswidrig verhalten zu müssen.“
Im Rahmen des Hauptfestes des ostkirchliche Priesterseminar des Bistums Eichstätt ließ Mosebach die Gäste an seinen Einblicken in den Geist und das Leben der orthodoxen Christen Georgiens und Ägyptens teilhaben. Seinem Festvortrag ließ Mosebach eine Lesung aus seinem Buch „Die 21“ folgen. Moderiert wurde der Abend vom Chefredakteur der „Tagepost“, Oliver Maksan.
DT/mlu
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