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Friedrich Heinrich Jacobi: Alle Erkenntnisse hängen vom Glauben ab

Der Philosoph Friedrich Heinrich Jacobi (1743–1819) führte den personalen Gott gegen seine Gegner an Alexander Riebel
Philosoph Friedrich Heinrich Jacobi bekämpfte den Atheismus
Foto: In | Der Philosoph Jacobi bekämpfte den Atheismus, der in seiner Grundform als Spinozismus auftrete.

Philosophischer Realismus ist heute kein Gütesiegel mehr für eine christliche Ontologie. Längst haben Theorien der Gegenwart den Realismus für sich entdeckt, darunter sprachphilosophische und sogar atheistische wie die des Bonner Philosophen Markus Gabriel. Aber um 1800 tobte noch der Streit zwischen Realismus und Atheismus und eine der bekanntesten Figuren dieser Auseinandersetzung war Friedrich Heinrich Jacobi (1743–1819).

Er wurde als Sohn eines reichen Düsseldorfer Kaufmanns geboren. Die philosophische Bühne betrat Jacobi erst mit 40 Jahren. Zunächst schlägt er aber auf Wunsch des Vaters die kaufmännische Lehre ein und übernimmt dann für acht Jahre das Geschäft des Vaters. Er wird Geheimer Rat und arbeitet an der Reform der Steuer- und Wirtschaftspolitik im Herzogtum Jülich und Berg mit. Später wird er für Wirtschaftsfragen im bayerischen Innenministerium tätig und nach reicher Erbschaft zieht er mit seiner Familie nahe Düsseldorf auf ein Landgut. Dieses entwickelt sich zu einem geistigen Zentrum. Denn Jacobi beschäftigt sich hier nicht nur mit dem englischen Empiristen David Hume und den Naturwissenschaften, sondern hier treffen sich auch die wichtigsten Intellektuellen seiner Zeit, wie die Brüder von Humboldt, Goethe, Herder, Hamann, Hemsterhuis oder Diderot.

Glaube und Offenbarung

Jacobi gründete seine Philosophie in den Begriffen „Glaube“ und „Offenbarung“. Dafür wurde er von der Berliner Aufklärung besonders um Friedrich Nicolai stark angefeindet. Weil er nämlich den Katholizismus stärke und „dem Protestantismus seine stärkste Stütze, nämlich den uneingeschränkten Forschungsgeist und Vernunftgebrauch“ entziehe. Jacobi selbst aber sah sich als einen Hauptgegner der Aufklärung Kants und bezog seine Auffassung über den Glauben von David Hume. Kant behaupte, „die materielle Welt könne nicht einmal geglaubt werden, weil wir nur Erscheinungen haben – Nichts, das er ETWAS nennt“. Jacobi ging es also darum, nicht bei den Erscheinungen Kants stehenzubleiben, wie Jacobi sie auffasste, sondern zu den Dingen an sich vorzudringen, also zu einer Realität unabhängig vom erkennenden Subjekt.

Zu den wichtigsten Schriften Jacobis gehören „Über die Lehre des Spinoza in den Briefen an den Herrn Moses Mendelsohn“ (1785), der Dialog „David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus“ (1787) und den veröffentlichten Brief „Jacobi an Fichte“ (1799). Der Name Spinoza war zur Zeit Jacobis ein Synonym für Atheismus. „Wie ein Donnerschlag vom blauen Himmel herab“, hat Hegel berichtet, als bekannt wurde, dass Lessing Spinozist gewesen sei. Nach Jacobi bestreite Spinoza zwar nicht Bewegung und Veränderungen des Endlichen, aber dessen Anfang – das Zeitliche sei „von Ewigkeit her“. Damit wird auch eine wirkliche Erkenntnis von Entstehen und Vergehen aufgehoben – nach Spinoza ist es „bloßer Wahn“, wie Jacobi schreibt. Damit sei natürlich auch die Schöpfung eines ersten Anfangs nicht mehr möglich wie im Christentum.

"Damit wird auch eine wirkliche Erkenntnis
von Entstehen und Vergehen aufgehoben
– nach Spinoza ist es „bloßer Wahn“, wie Jacobi schreibt.
Damit sei natürlich auch die Schöpfung eines ersten Anfangs
nicht mehr möglich wie im Christentum. 

Auch Gott, die absolute Substanz, hat nach Spinoza keine eigene Wirklichkeit, sondern sei nur immanent in den Dingen. Nach Jacobi hat der Gott Spinozas sogar weder Verstand noch Willen, und es gibt keine letzten Zwecke seines Handelns, sondern nur absichtsloses Handeln. Oder wie es der Herausgeber des Buchs, Oliver Koch, formuliert: „Ein Gott, der keine eigene Wirklichkeit hat, keinen eigenen Verstand und Willen besitzt und damit kein von seiner Schöpfung verschiedener personaler Schöpfer ist, widerstreitet aber fundamental dem traditionellen Gottesbegriff. Deshalb kommt auch Jacobi zum Urteil: ,Spinozismus ist Atheismus‘.“ Freiheit des menschlichen Handelns sei somit nur eine Illusion, denn auch der Mensch sei nicht zu Zwecksetzungen fähig, weil in ihm lediglich die göttliche Substanz wirkt. Diese Vorstellung Spinozas ist gerade heute sehr aktuell, wenn man statt Gott den heutigen Naturalismus etwa in Gestalt des Neurobiologischen als Bestimmung des Menschen ansieht. Die Naturwissenschaft ist für viele zur neuen Religion geworden.

Jacobi hat aus seiner Beschäftigung mit Spinoza den Schluss gezogen, dass alle bloß rationale systematische Philosophie letztlich in Spinozismus mündet – und das bedeutet für ihn immer Fatalismus. Also entwickelte Jacobi eine Philosophie, mit der er dem Fatalismus zu entkommen suchte: „Die ganze Sache besteht darin, dass ich aus dem Fatalismus unmittelbar gegen den Fatalismus, und gegen alles, was mit ihm verknüpft ist, schließe.“

Aus Fatalismus gegen Fatalismus

Jacobis Philosophie des Schließens unterschied sich aber von der Schlusslehre, wie sie bereits seit der formalen Logik des Aristoteles bekannt war. Jacobi hat die klassische rationale Schlusslehre abgelehnt, weil sie seiner Meinung nach immer in den Spinozistischen Fatalismus führe. Schließen verstand Jacobi als Glauben als unmittelbare Einsicht in Konkretes. „Das Element aller menschlichen Erkenntnis und Wirksamkeit ist Glaube“, die Gegebenheitsweise des unmittelbar Geglaubten ist die „Offenbarung“. Der Glaube des Offenbaren ist demnach nicht logisch, sondern „praktisch existenziell“.

Es gibt demnach eine doppelte Offenbarung nach Jacobi, in der wir uns als konkretes personales Ich finden und in der „Gottesahndung“ eines Wesens, „das sein Leben in ihm selbst hat“. Mit dieser Glaubenslehre des personalen Gottes wollte Jacobi zugleich jede Philosophie zurückweisen, die sich absolut setzt. Der Mensch aber finde nur Gott, weil er sich nur in Gott finden könne. In diesem Zusammenhang steht auch Jacobis Brief an Fichte. Fichte wurde 1799 wegen seiner „Wissenschaftslehre“ Atheismus vorgeworfen und in Jacobi versuchte er einen Freund zu finden, der ihm aus der Lage heraushalf und den Vorwurf entkräftet.

Nach seinem Bilde geschaffen: Gott in uns:
das ist die Kunde die wir von ihm haben,
und die einzig mögliche;
damit offenbarte sich Gott dem Menschen lebendig,
fortgehend, für alle Zeiten.

Doch Jacobi, der an einer realistischen Auffassung festhielt, in der eine gegebene Erkenntnis durch die Wahrnehmung garantiert ist – was auch bei Kant und Fichte so ist, allerdings im Wesentlichen auch durch nichtsinnliche kategoriale Erkenntnis, die Jacobi ablehnte –, wegen seines Realismus der Sinne also lehnte Jacobi das Ersuchen Fichtes ab und bescheinigte ihm nun selbst Atheismus und sogar Nihilismus. In seinem Brief an Fichte schreibt Jacobi. „Nach seinem Bilde geschaffen: Gott in uns: das ist die Kunde die wir von ihm haben, und die einzig mögliche; damit offenbarte sich Gott dem Menschen lebendig, fortgehend, für alle Zeiten. Eine Offenbarung durch äußerliche Erscheinungen, sie mögen heißen wie sie wollen, kann sich höchstens zur inneren ursprünglichen nur verhalten, wie sich Sprache zur Vernunft verhält.“ Oder noch schärfer: „Gott ist, und ist außer mir, ein lebendiges, für sich bestehendes Wesen, oder Ich bin Gott. Es gibt kein Drittes.“ Damit greift Jacobi auf eine gegenwärtige Alternative voraus, denn heutzutage hält sich so mancher selbst für einen Gott. Das dürfte nach Jacobi bei einem richtigen Verständnis von Gott aber nicht der Fall sein, denn „der Mensch findet Gott, weil er sich selbst nur in Gott finden kann.“

Friedrich Heinrich Jacobi: David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus. Jacobi an Fichte. (1799).Felix Meiner Verlag 2019, 245 Seiten, ISBN 978-3-7873-3590-9, EUR 68,–

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