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Der Westen feiert sein Comeback

Mit dem Zerfall der Sowjetunion schien der Kalte Krieg vorbei zu sein. Ein Irrtum. Er ist wieder da – und mit ihm zeigt sich, wie profiliert der Westen immer noch ist.
Patriot-Systeme der Bundeswehr
Foto: Axel Heimken (dpa) | Ein gefechtsbereites Flugabwehrraketensystem vom Typ „Patriot“ des Flugabwehrraketengeschwaders 1 der Bundeswehr steht auf dem Flugfeld des Militärflughafens Schwesing.

Mit Günther Schabowski, einem hochrangigen SED-Funktionär, der sich am 9. November 1989 etwas ungeschickt vor der Ost-Berliner Presse ausdrückte über Reiseerleichterungen für die ostdeutschen Bürger, rollte eine Lawine durch die sowjetische Besatzungsmacht. Zu stoppen war sie nicht mehr – höchstens durch den massiven Einsatz militärischer Gewalt. Doch die sowjetischen Besatzer wollten nicht, vielleicht konnten sie auch nicht mehr. 

Der Krieg ist ein historischer Wendepunkt

Und in der Residentur des russischen Geheimdienstes KGB begann ein KGB-Oberstleutnant namens Wladimir Wladimirowitsch Putin geheime Unterlagen zu schreddern und Schreibtischutensilien in Kisten zu packen. Niemand hätte für möglich gehalten, dass dieses unscheinbare Rädchen im großen Getriebe, dieser Apparatschik, heute die Welt mit einem brutalen Krieg in der Ukraine in Atem halten würde. Und sehr wahrscheinlich wurde in diesen Tagen bei Putin, dem Geheimdienstmann, der in Schande abziehen musste, weil „sein System“ gegen den Westen verloren hatte, damit der Samenkorn im Kopf gepflanzt, der sein heutiges Vorgehen erklärt. Seinen unbändigen Willen, die alte Macht der Sowjetunion so weit wie möglich wiederherzustellen.

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Der Krieg des blässlichen ehemaligen KGB-Offiziers, heute noch der mächtigste Mann im Kreml, gegen die Ukraine ist ein neuer historischer Wendepunkt. Denn er hat uns gezeigt, wie fragil die internationale Ordnung ist. Und erstaunlicherweise sind es wieder gerade die Polen, die auf der richtigen Seite der Geschichte stehen, mit unverrückbarem Kurs, konsequent auf der Seite der Freiheit – so wie 13 andere frühere Staaten der Sowjetunion und des Warschauer Paktes auch, die heute Mitglieder der NATO und der EU sind. Gut, dass US-Präsident Joe Biden in dieser Woche auch einen Abstecher nach Warschau macht.

Es ist ein Drama, dass es die Ukraine nicht mehr rechtzeitig geschafft hat. Weil Angela Merkel es blockierte. Den Menschen in der Ukraine, die in diesen Tagen ihren Mut und ihre Freiheitsliebe vor den Augen der Welt unter großen Opfern beweisen, kann man nur wünschen, dass auch sie den Weg in eine bessere Zukunft finden, ohne unter dem Joch des einstigen KGB-Mannes aus Dresden leben zu müssen.  DT

Der Publizist Klaus Kelle glaubt, dass Putin dem Westen ungewollt zu einem Comeback verhilft. Lesen Sie den ganzen Essay in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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