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DER DICKE HUND: "Was erlaube Twitter?"

Social-Media-Unternehmen, die beliebig Politik betreiben und so Wahlen und Gesellschaften beeinflussen, sind eine Gefahr für die Demokratien.
Twitter - Nutzer sollten stets genau unter die Lupe nehmen
Foto: dpa | Die Lösch- und Sperrverhalten sowie die Profilentfernungen der Social-Media-Unternehmen muss nach rechtstaatlichen Verfahren geschehen.

Sohrab Ahmari veröffentlichte vergangenen Mittwoch einen Artikel in der „New York Post“, in dem er die Verbindung vom demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden zu Geschäften seines Sohnes Hunter in der Ukraine anhand auf einem Notebook in einer Reparaturwerkstatt gefundener Emails aus dem Jahre 2015 zu untermauern versucht: Im April 2014 wurde Hunter Biden in den Vorstand der ukrainischen Gasfirma Burisma Holdings berufen.

Donald Trump warf Joe Biden vor, sich als für die US-Politik gegenüber der Ukraine verantwortlicher Vizepräsident der Vereinigten Staaten unter Obama (2009–2017) für seinen Sohn eingesetzt zu haben. Die Vorwürfe sind nicht neu. Darüber berichtete beispielsweise die Frankfurter Allgemeine Zeitung bereits im Oktober 2019. Nun stützten die ominösen Emails von 2015 diese These, so „The New York Post“.

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Sohrab Ahmari ist nicht nur Redakteur bei „The New York Post“, nachdem er als Kolumnist für „The Wall Street Journal“ gearbeitet hatte, sondern auch Autor bei „The Catholic Herald“: Der in Iran geborene, mit 13 Jahren in die Vereinigten Staaten eingewanderte Journalist konvertierte zum katholischen Glauben, worüber er 2019 bei Ignatius Press das Buch mit dem Titel „From Fire, by Water: My Journey to the Catholic Faith“ veröffentlichte.

Am Mittwochnachmittag blockierte aber „Twitter“ die Verlinkung des erschienenen Artikels: „Ihr Tweet kann nicht gesendet werden“, hieß es auf Sohrab Ahmaris Konto, weil der Link „potentially harmful“ („möglicherweise schädlich“) sei. Als Begründung gab der Kurznachrichtendienst an, ein durch Hacking erbeuteter Inhalt verstoße gegen die Twitter-Regeln. Später wies Twitter darauf hin, die im Artikel abgebildeten Mails enthielten unverschleierte E-Mail-Adressen. Für viele sind dies jedoch fadenscheinige Erklärungsversuche einer offensichtlichen Zensur. Zum Vergleich: Als etwa die taz-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah im Juni einen Beitrag mit dem Titel „All cops are berufsunfähig“, in dem sie (satirisch?) riet, Polizisten auf der Müllhalde zu entsorgen, gab es offensichtlich für Twitter keinen Grund, die Verlinkung zu blockieren.

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Ob sich die Zeitung die Emails auf dubiose Weise verschaffte, weil die „New York Post“ von Trumps persönlichem Anwalt Rudy Giuliani eine Kopie der Notebook-Festplatte erhielt, die wiederum vom Besitzer einer Reparaturwerkstatt angefertigt worden sein soll, ob deshalb die Authentizität der Emails nicht bewiesen sei, so dass der Artikel unbewiesene Anschuldigungen enthalte, sind Fragen, die eventuell vom Presserat oder von einer Medien-Kommission geprüft werden sollen.

Aber der Kurznachrichtendienst? Was erlaube Twitter?, könnte man in Abwandlung der berühmten „Ich habe fertig“-Pressekonferenz von Giovanni Trapattoni vom 10. Marz 1998 fragen. Nach dem Streit um die Blockade des Artikels von Sohrab Ahmari hat Twitter allerdings angekündigt, seine Regeln für den Umgang mit durch Hacking erbeuteten Inhalten zu ändern. Laut Twitter-Managerin Vijaya Gadde würden solche Inhalte künftig nur noch in den Fällen gesperrt, wenn sie direkt von den Hackern veröffentlicht würden. Mittlerweile seien bei dem Kurznachrichtendienst neue Instrumente wie Warnhinweise eingeführt worden, so Gadde.

Mal die eine, mal die andere Regel

Es ist schon ein dicker Hund, dass sich der Kurznachrichtendienst Twitter anmaßt, bestimmte Inhalte – die etwa Joe Biden bei der bevorstehenden Präsidentenwahl schaden könnten – zu zensieren, und dafür mal die eine, mal die andere Regel vorschiebt, die er dann auf Druck von außen ändern muss.

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