Ungeschminkt

Diese Art Corona-Politik provoziert „Ungehorsam“

So wie Deutschland derzeit regiert wird, sollte man keine Hunde, geschweige denn Kinder erziehen. Das führt zu unerwünschten Reaktionen, für die man aber selbst verantwortlich ist.
Kinder im Auto
Foto: imago stock&people | Ende der Geduld: Die derzeitige Corona-Politik gleicht der schlechten Pädagogik überforderter Mensch. Sie versprechen viel, halten es nicht, zerstören Vertrauen und sind verärgert, wenn die mehrfach Belogenen und ...

Wann sind wir endlich da? Es ist die Standard-Frage vom Rücksitz spätestens eine halbe Stunde nach Fahrtantritt, wenn man mit Kindern aufbricht. Je älter sie werden, desto weniger kann man sie betrügen und mit Notlügen bei der Stange halten a la „nur noch eine Stunde“, wohl wissend, dass der halbe Tag noch auf der Autobahn verbracht werden muss. Während nun beim Familienausflug der McDonalds-Zwischenstopp hilft, Kinder geduldig bei der Stange zu halten, soll wohl analog der gerade für Anfang März in Aussicht gestellte Friseurbesuch bei den großen Bürgerkindern als goldener Schein am Horizont eine vorzeitige Meuterei verhindern.

Die Politik verspielt Vertrauen

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Eine ganze Nation ist gerade auf der Rückbank im Corona-Kindersitz festgeschnallt und wird alle paar Wochen neu vom Steuer aus mit immer neuen Ankunftsprognosen, Zielorten und Versprechungen eingelullt. Wenn man das Volk aber schon wie Kinder behandelt, sollte man wenigstens minimalistische, pädagogische Erkenntnisse berücksichtigen. So wie wir regiert werden, kann man jedenfalls keine Kinder erziehen. Um ihr Vertrauen und Gehorsam zu erreichen, und das Befolgen von Regeln auch dann, wenn sie nicht unter Beobachtung sind, braucht es Konsequenz in den elterlichen Handlungen und Berechenbarkeit.

Drohe nie mit etwas, was du nicht bereit bist durchzuziehen und halte Versprechen, die du gibst, wenn du deine Autorität behalten willst. Nichts davon bietet uns derzeit die Regierung. Stattdessen herrscht Willkür und Sinnlosigkeit bei Maßnahmen und Verboten. Regelmäßig wird das Ankunftsziel nach hinten verschoben, und zwar immer ausgerechnet dann, wenn es in greifbare Nähe gerückt ist. Nachdem monatelang der „R-Wert“ als Corona-Orakel für bessere Zeiten gehandelt wurde, ist es jetzt der sogenannte Inzidenzwert, der unter 50 sein sollte und seit einer Woche ganz plötzlich und dringend unter 35 muss. Warum nicht 34, oder 42 oder gleich auf null? Vielleicht sollte der Lockdown erst beendet werden, wenn das unautorisierte Sterben ungehorsamer Bürgerkinder komplett eingestellt worden ist.

„Angstszenarien, die bereits Kinder lehren,
dass menschliche Nähe Ansteckung und Tod auslöst“

Sterben nur noch auf Antrag. Als Erwachsener bleibt einem immer noch der Zynismus, wie erleben aber Kinder gerade diesen Staat und seine Organe? Eine Verbotskultur macht sich breit, vorangetrieben durch Angstszenarien, die bereits Kinder lehren, dass menschliche Nähe Ansteckung und Tod auslöst. In Berlin kreiste am Wochenende ein tieffliegender Hubschrauber, um Spaziergänger, Kinder und Familien über einem zugefrorenen See auseinanderzutreiben. In Krefeld holt die Polizei Kinder, die Eishockey spielten, vom Eis, schon seit Wochen Meldungen, dass die Polizei Familien die Schlitten konfisziert. Welches Bild von Polizisten vermitteln wir gerade den Kindern? Drohen, bestrafen, kontrollieren. Es ist das neue staatliche Handlungsschema und es stürzt einen auch als Eltern in ein Dilemma:

Wie erziehe ich meine Kinder und zu welchem Verhalten? Gehorsam oder Widerstand? Ich war nie ein Freund antiautoritärer Erziehung, bedingungsloses Jasagen ist allerdings auch nicht die Lösung. Selbst die Teenager an meinem Küchentisch können erkennen, dass seit vielen Monaten widersprüchliche Regelungen durchgesetzt werden, die ihnen Freizeit, Freunde und Lebensfreude rauben, die aber dennoch unhinterfragt befolgt werden sollen. Sie erleben Politiker, die heute dies und morgen das Gegenteil verkünden, eine Regierung, die Dinge verspricht und dann nicht hält.

Offensichtlich sinnfreie Regelungen

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Ich kann und werde nicht die Einhaltung von Regeln bei meinen Kindern durchsetzen, die offensichtlich sinnfrei sind, weil es allem widerspricht, was ich pädagogisch seit über zwanzig Jahren für richtig halte. Kinder sollen zum Denken erzogen werden. Zum Hinterfragen, sie sollen debattenfähig werden, sich ihre eigene Meinung bilden. War das nicht einst auch das Ideal staatlicher und schulischer Pädagogik? Kinder zu eigenverantwortlichen, mündigen Bürgern großziehen kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob es gerade genehm ist, dass sie dann auch eine eigene Meinung entwickeln. Sollten jemals wieder die Schulen öffnen, empfehle ich „Ungehorsam“ als neues Pflichtfach.

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Birgit Kelle Regierungseinrichtungen der Bundesrepublik Deutschland Ungeschminkt Überwachung und Kontrolle

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