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"Spaltungen unter Katholiken sind überholt"

Die Kraft der Verkündigung wiederentdecken und die Welt von innen heraus verändern: Arnaud Boutheon, Mitgründer des Congrès Mission, erklärt sein Rezept für eine zukunftsfähige Kirche.
Congrès Mission in Frankreich
Foto: adobe.stock | "Wir müssen die Lücke finden, in der wir Christus verkünden können": Congrès-Mission-Mitgründer Arnaud Boutheon im Gespräch.

Monsieur Boutheon, welche Intuition steckt hinter dem Congrès Mission?

Der Congrès Mission ist auf einer Freundschaft zwischen mehreren Katholiken gewachsen, die selbst in verschiedenen katholischen Bewegungen aktiv sind. Katholiken, die von der Dringlichkeit der Evangelisierung überzeugt sind, treffen sich hier für die Dauer eines Wochenendes, um gemeinsam zu beten, Gott zu loben und sich über zentrale kirchliche und gesellschaftliche Themen zu informieren, auszutauschen und fortzubilden. Der Congrès Mission ist ein Innovationszentrum, das die missionarische Wirkung des Einzelnen erhöht und Anstoß zu neuen missionarischen Initiativen gibt. Gleichzeitig verschafft der Congrès allen Teilnehmern, Laien wie Priestern und Ordensleuten eine Art Verschnaufpause, um aufzutanken, bevor es wieder in die jeweiligen Apostolate geht.

Schafft es der Missionskongress, tatsächlich mehr zu sein als ein katholisches Festival, das nur im eigenen Saft einer bestimmten Richtung innerhalb des Katholizismus kocht?

Schon auf der Ebene der Gründer des Congrès finden sich unterschiedliche Sensibilitäten, womit der Congrès ein gutes Beispiel dafür ist, wie man in aller Vielfalt ein gemeinsames Ziel verfolgen kann. Angesichts der missionarischen Dringlichkeit, ja Notlage, sind Spaltungen unter Katholiken überholt.

"Was wir heute brauchen, sind Großmut und Kühnheit:
Die Großmut, um in die Weite und die Tiefe zu denken,
und die Kühnheit, statt den katholischen Nachlass
zu verwalten, neue Wege der Evangelisierung zu finden"

Was wir heute brauchen, sind Großmut und Kühnheit: Die Großmut, um in die Weite und die Tiefe zu denken und die Kühnheit, statt den katholischen Nachlass zu verwalten, neue Wege der Evangelisierung zu finden, da sich die Zeiten geändert haben. Wir sollen nicht um uns selbst kreisen, sondern in die Welt hineinzuwirken und das Wort Gottes dort zu verkünden, wo das Leben uns hingestellt hat. 

Beim Congrès 2018 in Paris hat Johannes Hartl (Gebetshaus Augsburg) das „Mission Manifest“ vorgestellt, das dann auch vom Congrès Mission angenommen wurde. Ist es Zeit für eine europäische Zusammenarbeit?

Die Schwierigkeiten, die die Kirche als Institution in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu durchlaufen hat, schaffen Raum für das, was ich „dicke Freundschaften“ nenne. Diese beruhen auf Selbstlosigkeit, Transversalität und Fruchtbarkeit. Mit Transversalität meine ich Beziehungen, die nicht vertikal verlaufen, sondern horizontal Christen aller Lebensstände miteinander verbinden. 

Diese „dicke Freundschaften“ brauchen wir auch zwischen Christen unterschiedlicher Länder, die ihre Kräfte für die Verkündigung bündeln. Selbstverständlich geht es vor allem darum, sich lokal zu engagieren, aber eben mit dem Verständnis für die internationale Dimension. Auf lange Sicht werden wir auf diese Weise größeren Spielraum und eine dichtere Personaldecke für unsere Aktivitäten erhalten. 

In den kommenden Jahren wollen wir den Missionskongress internationalisieren. Dieses Jahr gibt es bereits einen ersten Kongress in Brüssel. Wir haben auch Kontakte nach Afrika und in die Vereinigten Staaten. Das Konzept des Congrès Mission ist so einfach, dass es an die Realitäten verschiedener Länder angepasst werden kann.

Nach fünf Jahren Congrès Mission in Paris gibt es dieses Jahr zehn Kongresse in zehn verschiedenen Städten mit insgesamt an die 20.000 Teilnehmer. Wie kam es dazu?

Die Anzahl an Kongressteilnehmern aus weitgehend entchristlichten Regionen mit hohem Priestermangel ist im Laufe der Jahre stetig gestiegen. Hier herrscht ein echter missionarischer Durst und der Wunsch, sich mit anderen Menschen zu vernetzen, die diesen Durst verspüren. 

Jetzt ist es aber nicht die Pariser Karawane, die in die Regionen zieht, sondern es sind die jeweiligen Städte, die ihren Missionskongress veranstalten. Wir bringen unser Fachwissen und unsere organisatorischen Erfahrungen ein, aber es sind rein lokale Teams, die von der Logistik über die Liturgie, die Auswahl der Redner und Workshopleiter alles organisieren. Deshalb ist auch das Programm vor Ort nicht überall das Gleiche, da jede Region ihre eigenen Herausforderungen und wichtigen Themen hat. Der Kongress inkulturiert sich also in den jeweiligen Kontext, aber mit dem gleichen Ziel, Christus.

Der Kontext der Kirche in Frankreich unterscheidet sich grundlegend vom deutschen Kontext. Welche Rolle können französische Christen in der laizistischen Gesellschaft Frankreich überhaupt (noch) spielen?

"Evangelisierung geschieht immer durch Anziehung.
Nicht durch irdische Macht, sozialen Glanz
und der Zelebration der Vergangenheit,
sondern durch die Heiligkeit ihrer Träger"

Arnaud Boutheon
, Mitgründer des Congrès Mission

Evangelisierung geschieht immer durch Anziehung. Nicht durch irdische Macht, sozialen Glanz und der Zelebration der Vergangenheit, sondern durch die Heiligkeit ihrer Träger. Vielleicht ist es das Glück der Kirche in Frankreich, dass sie arm ist. Sie ist aber reich an Familien, die geprägt sind von der Lehre Johannes Pauls II., der geistigen Tiefe Benedikts XVI. und vom Eifer von Papst Franziskus

Unser wichtigstes Engagement der kommenden Jahre wird die Organisation von Pfarrfesten sein! Auf diese Weise können wir lokal Fuß fassen, neue Menschen kennenlernen und zeigen, dass die christliche Gemeinschaft fröhlich, lebendig und kreativ ist. Unser reichster Schatz, unser wichtigstes Erbe ist der Glaube. Wie können wir unser Leben zu Gefäßen für dieses Erbe machen, damit die Menschen um uns herum Christus begegnen können?

Wie sieht es mit politischem Engagement aus?

Die Stimme der Kirche wird in Frankreich vom libertären, hedonistischen Materialismus auf der einen Seite und von einem demografisch wachsenden Islam auf der anderen Seite an den Rand gedrängt. Wir müssen das Christentum und die christliche Soziallehre wieder „dazwischenschieben“, nach einem Ausdruck vom französischen Dichter Charles Peguy. Wir müssen die Lücke finden, in der wir Christus verkünden können. Und oft findet die Verkündigung ja gerade in den Lücken, den Ausfällen, dem Scheitern des Lebens statt, in Krankheit, Tod, Verletzungen und Armut. In einer Gesellschaft, die ausschließt und Menschen zurücklässt, müssen wir Christen an der Seite der Zurückgelassenen und Ausgeschlossenen stehen.

Es gibt aber auch erfreulichere Gelegenheiten: Zum Beispiel wird Frankreich die Olympischen Spiele 2024 ausrichten. Wir sind dabei, gemeinsam mit der kirchlichen Institution eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, um die Athleten zu begleiten und für sie zu beten.  

Arnaud Boutheon, Mitgründer des Congrès Mission
Foto: imago stock&people /Tekoa Photos | "Vielleicht ist es das Glück der Kirche in Frankreich, dass sie arm ist", meint Arnaud Boutheon, Mitgründer des Congrès Mission.

Der Congrès wird von katholischen Laien organisiert, aber wir arbeiten mit dem Segen von Bischöfe, die auf die Freiheit und Verantwortung der Getauften in der kirchlichen Sendung setzen. Auf dem Missionskongress sind Priester und Bischöfe also unsere Gäste, die hier ebenfalls einen Raum der geistlichen Erneuerung und Erholung finden. Die Beziehung zur Kirche als Institution ist also perfekt ausgewogen und gibt den Raum zu katholischer Weite.

Mit Johannes Hartl haben Sie auch das Streben nach Professionalität und Exzellenz gemeinsam.

Organisatorische Exzellenz ist für uns geradezu liturgisch! Unsere Teams leisten ihre ehrenamtliche Arbeit mit professionellem Anspruch und streben nach Spitzenleistungen. Für die notwendigen Ressourcen sorgt der heilige Joseph. Wir können uns nicht mit Mittelmäßigkeit zufriedengeben. Das ist für mich eine Art der Faulheit. Genau wie die Liturgie soll auch unsere gesamte Organisation bis hin zur Logistik tiefgründig, schön und reichhaltig sein und das Herz berühren. Nicht nur die Liturgie, auch die Organisation von kirchlichen Veranstaltungen muss mit anspruchsvoller Arbeit verbunden sein, die wir als Liturgie, als Feier des Volkes Gottes, dem Herrn darbringen.

Wie schafft man es dabei, nicht in Proselytismus zu verfallen?

"Wir versuchen niemanden zu überreden.
Wir sind da und verkünden eine Botschaft, das ist alles"

Arnaud Boutheon
, Mitgründer des Congrès Mission

Wir versuchen niemanden zu überreden. Wir sind da und verkünden eine Botschaft, das ist alles. Es gibt zwei ganz andere Versuchungen, nämlich den Rückzug ins Ghetto und die Verwässerung der Botschaft. In einem ablehnenden gesellschaftlichen Kontext könnten wir uns in unsere eigenen Kreise zurückziehen. Die andere Gefahr ist, die Radikalität der Botschaft des Evangeliums zu verändern und das Ideal eines authentischen christlichen Lebens herunterzuschrauben, um der Masse zu gefallen. Auf keines von beiden dürfen wir uns einlassen. 

Worauf muss sich die Evangelisierung in Zukunft stützen?

In den nächsten Jahren müssen wir als Laien sehr mutig sein. Wir müssen uns von sozialem Glanz und materiellem Erbe verabschieden und uns noch eifriger an Christus binden, wie es die frühen Christen getan haben. Wir müssen unseren Glauben vertiefen, uns im Gebet verwurzeln und begreifen, dass es Rettung der Seelen ist, die auf dem Spiel steht. Die Kirche ist keine NGO, sondern eine Familie, die ihre Funktionsweise überprüfen muss. Vielleicht sind die Kirchen leer, weil sie vorher zu voll waren. Wir müssen die Kraft der Verkündigung wiederentdecken und in großer Demut die Welt von innen heraus verändern.

Dazu gehört eine gute Portion Gottvertrauen. Uns geht es nicht darum, ein Riesenprogramm aufzustellen und Strategien auszufalten, sondern es geht um persönliche Heiligkeit. Wenn ich die jungen Menschen sehe, die hier auf den Congrès Mission kommen, dann bin ich davon überzeugt, dass hier Generationen von Heiligen heranwachsen. In der Welt wirken, aber uns vom Geist der Welt abkehren, denn Kraft und Freiheit kommen von Christus. Das Ziel ist die Rettung der Seelen und die geschieht durch einen Kampf, aber einen freudigen. Der Herr macht alle Dinge neu und das ist es, was diesen Kampf so spannend macht, denn der Herr hat die Welt bereits besiegt.


Arnaud Boutheon, Jahrgang 1973, ist Kommunikationsberater, Mitgründer des Congrès Mission und Verantwortlicher der Kolumbusritter in Frankreich 

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