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Razzia in heiligen Hallen

Die Vatikanpolizei beschlagnahmt Unterlagen des Staatssekretariats und der Finanzaufsicht.
Ominöser "Steckbrief" im Vatikan
Foto: Screenshot/gho | Mit dieser Fotomontage machte die Zeitschrift „L’Espresso“ ihren Bericht über die Polizeiaktion im Vatikan auf. Rechts ist der ominöse „Steckbrief“ zu sehen.

Ein noch nie dagewesener Vorgang: Vatikanische Sicherheitsbeamte dringen in die Räume der ersten Sektion des vatikanischen Staatssekretariats ein und beschlagnahmen Unterlagen und Computer. Dasselbe geschieht zeitgleich in der Finanzaufsichtsbehörde AIF (Autorità die Informazione Finanziaria), die seit ihrer Errichtung durch Benedikt XVI. im Jahr 2010 die Geldbewegung im vatikanischen Geldinstutut IOR überwachen soll. Mit einer knappen Mitteilung hatte darüber das vatikanische Presseamt am vergangenen Dienstag informiert. Die Razzia, hieß es dort, hätten der „Promotore di Giustizia“, also der vatikanische Generalstaatsanwalt Gian Piero Milano, und dessen Stellvertreter Alessandro Diddi autorisiert und die Oberen der beiden durchsuchten Behörden seien informiert gewesen. Anlass seien Anschuldigungen gewesen, die am Anfang dieses Sommers vom Geldinstitut IOR und dem Büro des Generalrevisors des Vatikans erhoben worden seien. Es gehe um „im Laufe der Zeit vorgenommene Finanzoperationen“.

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Ein „Steckbrief“ zeigt die Verdächtigen

Da staunten die Berichterstatter nicht schlecht: Die Vatikanbank, die schon seit Jahren unter strengster Beobachtung steht, klagt ihre eigene Aufsichtsbehörde an und Staatsanwaltschaft wie Gendarmerie sehen Grund genug, der Sache nachzugehen – nicht diskret und auf dem Weg einer hausinternen Untersuchung, sondern mit dem Gang an die Öffentlichkeit. Noch erstaunlicher: Das Staatssekretariat, und hier vor allem die erste, für die inneren Angelgenheiten zuständige Sektion, ist so etwas wie das Allerheiligste in der Kurie. Es anzugreifen galt bisher so viel wie ein Angriff auf den Papst.  

Doch damit nicht genug: Am Mittwoch brachte das italienische Magazin „L’Espresso“ einen Bericht heraus, zu dem es die Abbildung einer Art von „Steckbrief“ veröffentlichte, der fünf Personen mit Namen und Foto zeigt, die bis auf weiteres „vorsichtshalber vom Dienst suspendiert“ seien. Sie dürften das Gelände des kleines Kirchenstaats nicht mehr betreten, es sei denn, sie wollten die medizinischen Dienstes des Vatikans in Anspruch nehmen. Gezeichnet ist der „Steckbrief“ vom Chef der vatikanischen Gendamerie, Domenico Giani.

Immobiliengeschäfte in Millionenhöhe

Das Papier wurde an das Personal hinter den heiligen Mauern und die Schweizer Garde ausgeteilt, die die Eingänge in den Vatikan bewacht. Bei den fünf Personen, die dort abgebildet sind, handelt es sich um zwei Mitarbeiter und eine Angestellte des Staatssekretariats, aber auch zwei leitende Kräfte in der Kurie: den Laien Tommaso di Ruzza, seines Zeichens Direktor der AIF, und Monsignor Mauro Carlino, der die Abteilung für Information und Dokumentation im Staatssekretariat leitet. Carlino war über Jahre Sekretär des ehemaligen Substituten der ersten Sektion des Staatssekretariats, Erzbischof Angelo Becciu, der heute als Kardinalpräfekt der Kongregation für die Heiligsprechungen vorsteht.

In dessen Amtszeit als Substitut von 2011 bis 2018, so spekuliert „L’Espresso“, sollen auch die jetzt zur Anzeige gebrachten Finanzoperationen stattgefunden haben, bei denen es sich um millionenschwere Immobiliengeschäfte in London gehandelt haben soll. Carlino, der im vatikanischen Gästehaus Santa Martha wohnt, dürfe vorerst dort wohnen bleiben, heißt es in dem „Steckbrief“ Gianis.

Harscher Protest und eine Frage

Dritter Akt des Unglaublichen: Noch am Mittwochabend veröffentlichte der Informationdienst „Il Sismografo“ einen geharnischten Kommentar aus der Feder des Chefredakteurs, Luis Badilla, zu der „Steckbrief“-Aktion der Gendamerie. Der Dienst gilt als überaus vatikannah und wurde nach dem Höhepunkt der Missbrauchskrise des Jahres 2010 von Medienverantwortlichen des Vatikans als eine Art Pressedienst mitbegründet und unterstützt, um die internationale Berichterstattung über Vorgänge in der Kurie zusätzlich zu verbreiten. Badilla klagt an: Der „Steckbrief“ komme einer Vorverurteilung der dort Gezeigten gleich und seine Verteilung im Vatikan, von wo er dann unmittelbar in die Hände von Journalisten gelangte, sei ein „unvorsichtiger Schachzug, offensiv und wenig christlich“.

Die Verdächtigen sähen nun ihr Leben ruiniert, ohne dass ein Gericht ihre Schuld nachgewiesen hätte. Da im gegenwärtigen Pontifikat so viel von Barmherzigkeit die Rede sei, müsse man fragen, ob Papst Franziskus von der Aktion gewusst habe. Die vatikanischen Polizeiorgane, so urteilt der Kommentar kurz und bündig, könnten solche Methoden nicht anwenden, „die nichts mit der christlichen Moral und dem Evangelium“ zu tun hätten. Wer immer die Verbreitung des „Steckbriefs“ angeordnet haben, müssen sich jetzt fragen lassen: Was ist, wenn zwei, drei oder alle gezeigten Personen unschuldig sind?

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