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Trump, Harris, der Papst und die Leiden dieser Welt

Franziskus zeigt, dass er nahe bei den Menschen ist, aber die Knoten dieser Zeit auch nicht lösen kann.
Franziskus beim Flugzeuginterview
Foto: IMAGO/ABACA (www.imago-images.de) | Beim Interview im Flugzeug macht Franziskus deutlich: Auch er kann die großen Probleme unserer Zeit nicht lösen.

Jetzt weiß man es: Paris ist ihm keine Messe wert. Franziskus wird nicht zur Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame am 8. Dezember reisen. Dafür will er die Kanarischen Inseln besuchen, „weil es dort diese Situation der über das Meer gekommenen Migranten gibt, und ich möchte den Regierenden und den Menschen auf den Kanarischen Inseln nahe sein“. Und dann natürlich China, der Traum des jungen Jorge Maria Bergoglio, der dorthin in die Mission gehen wollte: „China ist für mich eine Sehnsucht, in dem Sinne, dass ich China gerne besuchen würde, weil es ein großes Land ist; ich bewundere China, ich respektiere China. Es ist ein Land mit einer tausendjährigen Kultur, mit einer Fähigkeit zum Dialog, zum gegenseitigen Verständnis, die über die verschiedenen Regierungssysteme hinausgeht, die es hatte. Ich glaube, dass China eine Verheißung und eine Hoffnung für die Kirche ist.“ Einige wenige Zitate aus der „fliegenden Pressekonferenz“ über den Wolken zwischen Singapur und Rom, die wie bei jeder Auslandsreise des Papstes den Schlussakkord setzt. So auch gestern, als Franziskus nach langem Flug schließlich um 18:46 Uhr in Fiumicino landete.

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USA: Das geringere Übel wählen

Wer geglaubt hatte, dass die längste Reise seines Pontifikats den 87-Jährigen physisch überfordern würde, sah sich getäuscht. Und wer vermutete, dass ein erschöpfter Papst nach zwölf anstrengenden Tagen zwischen Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur, mit sieben Flügen durch sechs Zeitzonen, mit stets wechselndem Wetter – mal heiß, mal windig, mal bis zu 90 Prozent Luftfeuchtigkeit – und über 30 Terminen das übliche Journalistengespräch auf dem Rückflug kurz und knapp halten würde, wurde eines Besseren belehrt. Geduldig und eloquent kämpfte sich der Papst durch die Dilemmata dieser Welt. Frage: Trump wolle 11 Millionen Migranten abschieben, Harris sei für Abtreibungen – wen wählen? Antwort Franziskus: „Beide sind gegen das Leben, sowohl diejenigen, die Migranten wegwerfen, als auch diejenigen, die Kinder töten. Beide sind gegen das Leben.“ Und: „Migranten wegzuwerfen, Migranten nicht die Möglichkeit zu geben zu arbeiten, Migranten nicht willkommen zu heißen, ist eine Sünde, das ist ernst.“ Genau wie die Abtreibung: „Man mag das Wort mögen oder nicht, aber es ist Tötung. Genau das. Die Kirche ist nicht verschlossen, weil sie die Abtreibung nicht zulässt: Die Kirche lässt die Abtreibung nicht zu, weil sie Tötung ist, es ist Mord. Und darüber müssen wir uns im Klaren sein.“ Eine Antwort, wen Katholiken in den USA denn nun wählen könnten, hatte Franziskus nicht: „Man muss wählen. Und man muss das geringere Übel wählen. Wer ist das geringere Übel, diese Dame oder dieser Herr? Ich weiß es nicht.“

Männer des Friedens und hässliche Sünder

Und dann der Krieg im Gaza-Streifen: „Jeden Tag rufe ich die Pfarrei in Gaza an. Dort, in der Pfarrei und im Kolleg, leben 600 Menschen: Christen und Muslime, aber sie leben wie Brüder. Sie erzählen mir schlimme Dinge, schwierige Dinge. Ich kann nicht beurteilen, ob dieser Krieg zu blutig ist oder nicht, aber bitte, wenn man die Leichen getöteter Kinder sieht, wenn man vermutet, dass einige der Guerillas dort sind und man dann eine Schule bombardiert: Das ist schlimm, das ist schlimm!“ Immerhin – ein Trost: „Ich möchte auch eines sagen – das ist ein bisschen eine Einmischung in die Politik, aber ich möchte es sagen: Ich bin sehr, sehr dankbar für das, was der König von Jordanien tut. Er ist ein Mann des Friedens und er versucht, Frieden zu schaffen. König Abdullah ist ein feiner, ein guter Mann.“

Die Frage nach dem Emmaus-Gründer Abbé Pierre ließ Franziskus auch nicht aus. Er gehöre zu den „Menschen, die Gutes tun, bei denen man dann, nachdem sie so viel Gutes getan haben, feststellen muss, dass dieser Mensch ein hässlicher Sünder ist. Und das ist unser menschlicher Zustand“. Und: Wir müssen diese Dinge klar ansprechen und dürfen sie nicht verstecken.“ 

Papst Franziskus hat in Ostasien und Ozeanien wieder einmal gezeigt, dass er nahe bei den Menschen ist, aber nicht zu allem und jedem eine Handlungsanleitungen zu bieten hat. Was sollen die geknechteten Katholiken Chinas sagen zu der hymnischen Verehrung, die Franziskus – vielleicht als politische Botschaft? – dem Reich der Mitte zollte? Wozu dient es Christen in Deutschland oder ganz Europa mit der hiesigen Abschiebe-Debatte, wenn der Papst die Figur des Migranten fast zum Heiligen des 21. Jahrhunderts erhebt? Als Papst, als Stellvertreter Christi, kann Franziskus für Millionen ein Zeuge der Hoffnung auf die im Evangelium verbürgte Erlösung sein. Doch als Mensch im Flugzeug vor den Journalisten macht er deutlich, dass er wie jeder seine (politischen) Meinungen hat, aber die Nöte und Fragen dieser Zeit auch nicht lösen kann.

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