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Der Märtyrerkardinal des Genozides an den Armeniern

„Verräter an der christlichen Religion zu werden, niemals!“ Ignatius Choukrallah Maloyan wurde 1915 während des Völkermords an den Armeniern erschossen.
Ignatius Maloyan
Foto: Raffi Yedalian / wikimedia commons / gemeinfrei | Sehenden Auges in den Märtyrertod: Der armenisch-katholische Erzbischof von Mardin, Ignatius Maloyan.

Es war der 11. Juni 1915, als der armenisch-katholische Erzbischof von Mardin, Ignatius Choukrallah Maloyan, durch den Pistolenlauf des türkischen Polizeichefs Memdouh Bey dem Märtyrertod ins Auge blickte. Kurz vorher hatte ihm der Polizist bereits zum zweiten Mal ein Angebot unterbreitet: Würde er zum Islam konvertieren, könne sein Leben verschont bleiben. Der hochgebildete Geistliche aber, der in den vorigen Tagen die blutigen Ergebnisse des jungtürkischen Plans über die „Endlösung“ für die Armenier erlebt und weitere 395 verhaftete Christen auf den Märtyrertod vorbereitet hatte, antwortete resolut: „Ich habe dir gesagt, dass ich für meinen Glauben und meine Religion leben und sterben werde. Ich bin stolz auf das Kreuz meines Gottes und Herrn.“ Memdouh wurde sehr wütend, zog seine gehalfterte Pistole und erschoss Maloyan an Ort und Stelle. Bevor er seinen letzten Atemzug tat, rief der Märtyrer laut: „Mein Gott, sei mir gnädig; in deine Hände empfehle ich meinen Geist.“

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Choukrallah Maloyan wurde am 18. April 1869 in der südosttürkischen Stadt Mardin geboren. Unter der christlichen Hälfte der Stadtbewohner fanden sich neben Armeniern auch syrisch-orthodoxe Christen, mit Rom unierte Syrer, Chaldäer und auch einige Protestanten. Mit vierzehn Jahren wurde ihm ein Studium im libanesischen Bzommar ermöglicht – damals ebenfalls Teil des Osmanischen Reiches. Im Jahr 1896 empfing er die Weihe zum Priester, wo er den Namen Ignatius als Rufnamen annahm, und wirkte fortan in Alexandrien, dann Kairo und Istanbul. 1911 wurde der hochgebildete Ignatius zum Erzbischof von Mardin ernannt. Bis zu diesem Datum war es in der Türkei wiederholt zu Übergriffen auf die armenische Bevölkerung gekommen, ein Trend, der während der Amtszeit des neuen Erzbischofs ein neues Hoch erreichen sollte.

„Tötet mich und ihr werdet sehen, wie ein Christ stirbt!“

Auch wenn Maloyan anfangs noch zu den loyalen osmanischen Staatsbürgern gezählt wurde – so zumindest die Sichtweise der öffentlichen Ämter – kam er doch schon bald in das Visier der politischen Bewegung der Jungtürken. Nach schweren militärischen Niederlagen der Osmanen bezichtigte deren Führung 1915 die christlichen Minderheiten, vor allem die Armenier, der Unterstützung des ebenfalls christlichen Kriegsgegners Russland und des Hochverrats am Osmanischen Reich. Ein Plan über die „Endlösung“ für die Armenier wurde beschlossen und bald durchgesetzt.

Am 3. Juni 1915 zwangen die Behörden in Mardin den Erzbischof mit 27 Katholiken vor Gericht. Der Polizeichef Memdouh Bey ließ zudem weitere 395 Christen, darunter auch acht Priester, festsetzen. Unter ihnen sammelten sich 226 Armenier, 112 Syrer, 30 Chaldäer und 27 Protestanten. Am 10. Juni wurden die Gefangenen in Nachbardörfer geschleppt – der Erzbischof in Eisen und Ketten unter ihnen. Die ersten Gefangenen wurden in einem Steinbruch erstochen, weitere knapp einhundert Männer bei den Grotten von Cheikhan ermordet, die nächsten bei der Festung Zerzewan durch Steinigung, Dolchstöße und Keulenschläge. Auch ihnen war die Konversion zum Islam als Ausweg geboten. Erzbischof Maloyan sprach für alle: „Verräter an der christlichen Religion zu werden, niemals!“ Ein Laie, Razcallah Murcho, ergänzte aus der Reihe der Gefangenen: „Tötet mich und ihr werdet sehen, wie ein Christ stirbt!“ Am 14. Juni 1915 wurden 278 weitere Gefangene abgeführt, darunter fünf armenische und sieben syrisch-katholische Priester, 262 katholische Laien und vier Protestanten. Sie wurden alle ermordet.

Sie beteten, ihr Martyrium mit Geduld und Mut annehmen zu können

Während seines Dienstes in Ägypten kümmerte Maloyan sich unermüdlich um die Armen und Kranken. Als Privatsekretär des armenisch-katholischen Patriarchen in Konstantinopel zeigte er seinen reichen Intellekt – wohl war er fließend sechs Sprachen mächtig – und die Berufung als Hirte. In seiner Funktion als Erzbischof von Mardin kümmerte sich Maloyan intensiv um die Ausbildung des jungen Klerus. Vor ihrem gewaltsamen Tod versammelte und ermutigte er die ihm anvertraute Gemeinde, fest in ihrem Glauben zu stehen. Sie knieten alle mit ihm nieder und beteten zu Gott, ihr Martyrium mit Geduld und Mut annehmen zu können.

Die Seligsprechung von Ignatius Maloyan am 7. Oktober 2001 durch Papst Johannes Paul II. stand stellvertretend für Tausende weiterer Märtyrer des Kriegsjahres 1915 in Mardin und Anatolien. Bis in den letzten Moment seines Lebens verweigerte Maloyan die Verleugnung seines christlichen Glaubens und bezeugte die Barmherzigkeit Gottes bis in den Märtyrertod. Die Türkei leugnet bis heute den Völkermord an den Armeniern und weiteren christlichen Minderheiten. Am 19. Oktober wird der „feurige“ Ignatius Choukrallah Maloyan in Rom feierlich heiliggesprochen.

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