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Erzbischöfin von Canterbury stößt auf geteilte Resonanz

Dass erstmals eine Frau an der Spitze der anglikanischen Kirche steht, sorgt besonders im Globalen Süden für Kritik – und verstärkt die Spannungen um Lehre, Sexualethik und Amtsverständnis.
Die neue Erzbischöfin von Canterbury, Sarah Mullaly
Foto: IMAGO / ZUMA Press | Als Bischöfin von London leitete Sarah Mullally den Prozess „Living in Love and Faith“ (LLF) über die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. 

Mit der Ernennung von Sarah Mullally steht erstmals eine Frau an der Spitze der Church of England – und damit der weltweiten anglikanischen Gemeinschaft. Während sie in westlichen Kirchen überwiegend Zustimmung, teils aber auch Kritik erfährt, stößt sie im Globalen Süden auf entschiedene Ablehnung.

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Die Berufung der 63-Jährigen zur 106. Erzbischöfin von Canterbury verstärkt Spannungen, die seit Jahren um Lehre, Sexualethik und Amtsverständnis kreisen. Als Bischöfin von London leitete Mullally den Prozess „Living in Love and Faith“ (LLF) über die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. 

Konservative Provinzen mit massiven Vorbehalten

Laut dem anglikanischen Blog „Psephizo“ wirkt die Symbolik ihrer Ernennung – als erste Frau im Amt – außerhalb der anglikanischen Kirche stärker als innerhalb. Sie habe jedoch acht Jahre lang „die komplexeste und gespaltenste Diözese“ der anglikanischen Kirche zusammengehalten. Mullalys Stärke liege in der Vermittlung und Verwaltung, weniger in der öffentlichen Rhetorik. Dennoch hinterließ der Reformprozess LLF Misstrauen: Mehrfach betonte Mullally, dass die Lehre über die Ehe („eine lebenslange und exklusive Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau“) unverändert bleibt. Kritiker hingegen sehen hierin eine Kurskorrektur.

Mullalys Ernennung fand weltweit geteilte Resonanz. Der Generalsekretär der Anglikanischen Gemeinschaft, Anthony Poggo, rief zum Gebet für sie auf, damit sie „Weisheit und Urteilsvermögen“ finde. Das Büro der Anglikanischen Gemeinschaft „ist fest entschlossen, ihr Amt zu unterstützen, während sie mit anderen Provinzen und den Instrumenten der Anglikanischen Gemeinschaft zusammenarbeitet.“ Der „Anglican Communion News Service“ (ACNS) dokumentiert Gratulationen aus Nordamerika, Südamerika, Europa und Ozeanien. Südafrikas Primas Thabo Makgoba bezeichnete die Ernennung als „aufregende Entwicklung“ und „historisch“, während Kanadas Primas Shane Parker seine „volle Unterstützung“ ausdrückte.

Gleichzeitig meldeten konservative Provinzen massive Vorbehalte. Justin Badi (Südsudan), Vorsitzender der „Global South Fellowship of Anglicans“ (GSFA), bezeichnete die Ernennung als „schmerzlich“ und als Zeichen einer „Krise von Glauben und Autorität“. Die GSFA erklärte, Canterbury könne nicht länger als „primus inter pares“ gelten, da die Church of England mit der Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen „die klare Lehre der Schrift verlassen“ habe.

Ein Schritt in Richtung Spaltung

Auch die „Global Anglican Future Conference“ (GAFCON), ein Netzwerk konservativer Kirchen Afrikas und Asiens, sprach von einem „weiteren Schritt in Richtung Spaltung“. Die Kirchenleitung Nigerias veröffentlichte eine von Erzbischof Henry C. Ndukuba unterzeichnete Erklärung, die die Ernennung als „verheerende“ Entscheidung bezeichnete, die „langjährige doktrinäre Spannungen in Bezug auf weibliche Führungspositionen und die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ignoriert.“ Sie zeige Missachtung für die Überzeugungen „der Mehrheit der Anglikaner, die eine weibliche Führungsrolle im Episkopat nicht akzeptieren können”. Die anglikanische Kirche Nigerias erklärte laut ACNS sogar ihre „geistige Unabhängigkeit“ von Canterbury.

Afrikas Kritik wiegt schwer: Während westliche Provinzen schrumpfen, wachsen die afrikanischen Kirchen rasant. Stimmen wie die von Henry C. Ndukuba oder auch Stephen Kaziimba aus Uganda verdeutlichen diese Verschiebung: „Mit dieser Ernennung wird der Erzbischof von Canterbury lediglich zum Primas von ganz England degradiert“, sagte Kaziimba. GAFCON plant für 2026 eine große „G26“-Bischofsversammlung in Abuja – als Zeichen alternativer Strukturen.

Die anglikanische Gemeinschaft gilt traditionell als „Familie autonomer Kirchen“; der Erzbischof von Canterbury symbolisiert Einheit, besitzt aber keine Jurisdiktion außerhalb Englands. Gerade diese symbolische Autorität steht nun infrage. Auch der „Anglican Consultative Council“ will 2026 über Reformen der Führungsstruktur beraten.

Die Querfronten innerhalb der Church of England

Innerhalb der Church of England selbst verlaufen die Fronten quer. Konservative Gruppen wie der „Evangelical Council“ mahnen, am apostolischen Glauben festzuhalten, während Traditionalisten Mullallys „freundliches Engagement“ loben, aber Schutz für ihre Gemeinden fordern. „Premier Christianity“, das sich als „führendes christliches Magazin Großbritanniens“ versteht, äußerte scharfe Kritik an Mullallys Haltung zur Abtreibung: „Eine ‚Pro-choice‘-Erzbischöfin von Canterbury verfügt nicht über die moralische Autorität, um glaubwürdig zu führen“.

„Christianity Today“ berichtete von vorsichtiger Zustimmung einiger Evangelikaler, die Mullallys Fähigkeit zur Kooperation würdigen. John Dunnett, Vorsitzender des Evangelischen Rates der Kirche von England, lobte ihre „strategische Flexibilität“ im Umgang mit konservativen Gemeinden. Dennoch drohen viele Geistliche mit Austritt, sollte die Kirche an der Segnung homosexueller Paare festhalten. Manche fordern sogar eine „Kirche innerhalb der Kirche“ mit eigener Struktur und Recht. Andere wollen bleiben – in der Hoffnung, dass liberale Strömungen an Einfluss verlieren werden.

Das US-Magazin „First Things“ warnt vor der „Abkehr von zwei Jahrtausenden Tradition“ und plädiert für eine orthodoxe Neustrukturierung nach GSFA-Vorbild. „Baptist News Global“ hingegen sieht die Chance auf neue Einheit: Mission könne auch „Verbindung und Befreiung“ fördern, nicht nur Spaltung.

Eine Spaltung besteht de facto bereits: GSFA und GAFCON erkennen Canterbury nicht mehr als Integrationsfigur an, Nigeria erklärt seine Unabhängigkeit. Dieses Auseinanderdriften begann schon vor Mullallys Ernennung, insbesondere seit den Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare 2023. Ob daraus eine formelle Trennung wird, bleibt abzuwarten.  DT/jg

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