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„Sichtweise der Kirche ist theologisch nicht zwingend“

Der Aachener Bischof Helmut Dieser fordert vom Papst eine Korrektur der kirchlichen Sexuallehre.
Bischof Helmut Dieser: Die Schöpfung sei vielfältig
Foto: Sebastian Gollnow (dpa) | Die Schöpfung sei vielfältig, sagt Bischof Helmut Dieser. Darum dürfen man „auch im Bereich der Sexualität eine Vielfalt annehmen, die von Gott gewollt ist und nicht gegen den Schöpferwillen verstößt“. 

Die kirchliche Lehre zur Sexualität werde bestimmten Wirklichkeiten nicht gerecht, sagte der Aachener Bischof Helmut Dieser am Dienstag gegenüber Domradio. Die katholische Sexualmoral gehöre reformiert, besonders in Bezug auf Homosexualität. Mit diesem Anliegen wolle er kommende Woche zum ad Limina Besuch nach Rom fahren. Dann sollen dem Papst auch Papiere des Synodalen Weges zur Sexualität vorgelegt werden, die in der letzten Synodalversammlung die Mehrheit verfehlt haben.

"Missbrauch hat systemische Ursachen in der Kirche"

Dieser ist einer der Bischöfe, die die Reformforderungen des Synodalen Weges unterstützt und verteidigt. Der Synodale Weg sei die „Folge der Aufdeckung der Missbrauchsskandale“, sagte der Theologe. "Belastbare wissenschaftliche Studien“ hätten gezeigt, „dass diese Skandale systemische Ursachen in der Kirche haben", bediente er das gängige Narrativ des Synodalen Weges. 

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Das Faktum, dass ein Großteil der Opfer männliche Jugendliche sind, wird dort notorisch ausgeklammert. Man spricht — und das betonte auch Dieser wieder — stattdessen von „Hetze gegen Homosexualität“ aufgrund von Ängsten und einem „Gefühl der Bedrohung“. Dabei sei es „die Herausforderung unserer Zeit, dass unsere Kirche zeigt, dass sie inklusiv ist", so Dieser.

"Sexuelle Vielfalt verstößt nicht gegen Schöpferwillen"

Homosexualität sei wissenschaftlich gesehen „keine Panne, keine Krankheit, kein Ausdruck eines Defizits, übrigens auch keine Folge der Erbsünde“, weshalb die Kirche nicht sagen könne, homosexuelles Empfinden sei unnatürlich. Sie könne auch nicht fordern, dass diese Menschen enthaltsam leben. Seine Begründung: Die Schöpfung sei vielfältig. Darum dürfen man „auch im Bereich der Sexualität eine Vielfalt annehmen, die von Gott gewollt ist und nicht gegen den Schöpferwillen verstößt“. 

Darum fordert Dieser von Rom, auf die Vorschläge und Anregungen der Katholische Kirche in Deutschland zu reagieren. Der Vatikan habe in den 70er Jahren Reformvorschläge der katholischen Bistümer Westdeutschlands einfach ignoriert. Jetzt wolle man den Papst um eine Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre bitten. 

"Wenn Reformen zu spät kommen, ist das schlimmer, als dass sie kommen"

So wie damals dürfe es diesmal nicht laufen, meinte Dieser. „Das wäre ein Versagen der Autorität in der Kirche. Wir dürfen die Stimme des Volkes Gottes nicht ignorieren. Und wenn Reformen zu spät kommen, ist das schlimmer, als dass sie kommen.“

Früher habe er anders über das Thema Sexualität gedacht, gestand der Bischöfe. Aber junge Menschen hätten ihn zu dieser Sichtweise angeregt. Bei ihnen habe er gelernt, dass Sichtweisen zur Sexualität, wie die Kirche sie vertritt, „theologisch eben nicht zwingend sind“.   DT/dsc

 

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