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Therese Neumann: Ein Wunder in Konnersreuth

Das Leben der Seherin Resl war durch das „Evangelium vom Leiden“ geprägt: Zum 60. Todestag von Therese Neumann.
50. Todestag der "Konnersreuther Resl"
Foto: Karl Schnörrer (dpa) | Therese Neumann verstarb am 18. September 1962. 2005 wurde für sie ein Seligsprechungsverfahren eröffnet.

Wer nach Konnersreuth kommt, kommt zu Christus.“ So prägnant formulierte es einer der Pilger, die seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu Tausenden das oberpfälzische Konnersreuth besuchten, um dort eine einfache Frau zu sehen, die um sich selbst nie Aufhebens machte, aber viele zu Christus führte.

Gott erwählt mit Vorliebe all die, die nichts aus sich selber sind

Will man Therese Neumann (1898-1962) mit kurzen Worten beschreiben, beschreibt man sie wohl am besten als eine „Magd des Herrn“ (Lk 1, 38). Sie war dem Willen Gottes völlig ergeben und offensichtlich war sie in besonderer Weise begnadet. Dabei besaß „die Resl“, wie man sie noch heute nennt, kaum Schulbildung, war keine Ordensfrau und schon gar keine Theologin – und vielleicht wurde sie von Gott gerade deshalb erwählt. Er erwählt ja mit Vorliebe all die, die nichts aus sich selber sind, die Kranken und die Schwachen, und dies zumeist, um die Starken zu beschämen (vgl. 1. Kor 1, 27).

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Dabei spiegelt Resls Erwählung zunächst nur die grundsätzliche Erwählung aller Christen wider: Gemeint ist die Erwählung zur Nachfolge und zur Freundschaft mit Christus (vgl. Joh 15,15). Genau darin aber wurde ihr Leben so durchlässig, dass Christus durch sie hindurchstrahlte wie durch hauchdünnes Glas. Sicher geschieht das nur bei den Heiligen, und bei Resl geschah es darüber hinaus mit jenen außerordentlichen Zeichen, die wenigen vorbehalten sind, die aber alle betreffen: Sie empfing die sichtbaren Wundmale, durchlitt in ihren Visionen die Passion Christi und lebte über Jahrzehnte ohne jede Nahrung, ausschließlich von der heiligen Kommunion.

Mystik ist nicht synodal

Auf die meisten Katholiken wirkt derlei heute befremdlich. Es klingt so gar nicht nach dem, was gerade en vogue ist und dies am wenigsten in kirchlichen Kreisen. Mystik ist eben nie etwas, das „mehrheitsfähig“ ist und erst recht ist sie nie „synodal“. In einer Zeit, in der ein deutscher „Reformkatholizismus“ die Wahrheiten des Glaubens verfinstert, ist für mystische Begnadung kein Platz mehr, für Jesus Christus allerdings auch nicht. Er aber kennt die Seinen und die Seinen kennen ihn (vgl. Joh 10,14).

Sie gehören zu ihm und sie sind wie ER selbst ein Zeichen, vor allem eins, dem widersprochen wird (vgl. Lk 2,34). Christen sind deshalb nie an den Zeitgeist und seine Moden „anschlussfähig“ und bleiben immer ein Störfaktor in dieser Welt. Entsprechend verstörend wird an Therese Neumann deutlich, worum es wirklich geht: Es geht um nichts weniger als um alles oder nichts, es geht um den Glauben an den lebendigen Gott; es geht um seine wirkliche Gegenwart in den Sakramenten und dies ganz besonders im Sakrament der Eucharistie. Es geht darum, dass der Mensch wahr und wahrhaftig von mehr als vom Brot lebt (vgl. Mt 4, 4), und darum, dass dies nicht nur eine unverbindliche biblische Wendung ist.

Kirche lebt von nichts anderem als von der Eucharistie

Insofern setzt Resls Nahrungslosigkeit ein Ausrufezeichen hinter die heilige Messe und die heilige Kommunion. Sie macht klar: Die Kirche lebt von nichts anderem als von der Eucharistie. Das sagt sich leicht und klingt leicht nach einer frommen Phrase, ebenso dass es bei der Eucharistie ums Opfer Christi und sein Leiden geht. Was längst keiner mehr hören will, unterstreicht Therese Neumann mit ihrem eigenen Blut: Jeden Freitag und vor allem am Karfreitag zeichnet sich an ihrem Körper das Leiden Christi ab, und noch heute zeigen ihre Kopftücher den kranzförmigen Abdruck der Dornenkrone und die Brustkompressen einen lanzenförmigen Stich.

Fassbarer kann die Passion Christi kaum werden, und sicher hat Resl mit ihrem Leiden mehr Menschen berührt als die meisten Prediger, geschweige die meisten Theologen. Wer über eine steile Stiege in ihr Zimmer tritt, spürt dies noch jetzt: Das einfache Leidensbett neben dem hübschen Altar sagt alles und drängt die Botschaft von Opfer und Erlösung doch niemandem auf. Über dem Karfreitag liegt ein stilles Osterlicht in diesem Zimmer, und jeder, der nach dem „Wunder von Konnersreuth“ sucht, findet es ganz sicher hier; er findet, was Papst Johannes Paul II. in „Salvifici doloris“ (1984) das „Evangelium vom Leiden“ nennt: „Die Zeugen des Kreuzes und der Auferstehung Christi haben der Kirche und der Menschheit ein besonderes Evangelium vom Leiden überliefert. Der Erlöser selbst hat dieses Evangelium zuerst mit seinem eigenen Leiden geschrieben, das er aus Liebe auf sich genommen hat, damit der Mensch nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“

Zeichen der höchsten Liebe

Als Zeugin des Kreuzes erinnert Resl verkopfte Theologen und laue Katholiken daran, dass das Kreuz nichts Abstraktes ist, aber auch nichts Verklärtes. Es ist keine theologische Denkfigur. Es ist real und brutal, es ist das Zeichen der höchsten Liebe: „Niemand hat eine größere Liebe als der, der sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Auch das sagt sich leicht und klingt recht schön, aber was es wirklich heißt, und was das ist, das Jesus mit seiner Liebe für die Menschen getan hat, das wird an Resl sichtbar wie in einem fernen Spiegel oder auch wie in einem packenden Film, lange vor Gibsons „The passion of Christ“: Bei der Vision der Geißelung treten auf ihrem Rücken aus dem Nichts blutigen Striemen hervor, während sich die Wundmale in dem Moment öffnen, in dem sie die Kreuzigung sieht.

Sie steht mit Maria unter dem Kreuz, sieht mit blutenden Augen die Menge der Schaulustigen und wiederholt die Sprachfetzen, die sie selbst überhaupt nicht versteht: Plötzlich spricht sie Aramäisch, Griechisch und Latein; und ganz ohne Worte spricht sie davon, dass jeder zum Leiden berufen ist, weil niemand ein Christ sein kann, ohne dem leidenden Christus zu folgen (vgl. Lk 9, 23). Das aber tut man nie durch schöne Worte oder auf „synodalen Wegen“; das tut man nur in der Annahme des eigenen Kreuzes.

Resls Seelenverwandte ist Thérèse von Lisieux

Genau dies hat Resl schon als junge Frau getan, ganz schlicht und ebenso radikal. Damals war sie infolge eines Unfalls erblindet und obendrein war sie völlig gelähmt. Per Zufall hört sie von einer jungen französischen Karmelitin, die wenige Jahre zuvor gestorben war: Thérèse vom Kinde Jesu, Thérèse von Lisieux. Resl erkennt in ihr eine Seelenverwandte und nimmt fortan ihre Zuflucht zu ihr.

Am Tag ihrer Heiligsprechung erscheint ihr Thérèse schließlich in hellem Licht; Resl wird spontan von all ihren Leiden geheilt. Zugleich gibt ihr die neue Heilige aber zu verstehen, sie werde zur Rettung der Seelen noch vieles leiden dürfen und kein Arzt könne ihr helfen. Resl antwortet darauf mit völliger Hingabe: „Mir ist alles recht, was vom Heiland kommt.“

Das Evangelium vom Leiden

Wenig später zeigen sich die Wundmale an ihrem Leib. Sicher war Resls Leiden von da an ein mystisches Leiden, das heißt aber nicht, dass sie physisch weniger litt. Umgekehrt heißt dies auch, dass alles Leiden nie nur eine natürliche Dimension hat, sondern ebenso eine übernatürliche. Johannes Paul II.schreibt deshalb in „Salvifici doloris“: „Das ist der wahrhaft übernatürliche und zugleich menschliche Sinn des Leidens. Er ist übernatürlich, weil er im göttlichen Geheimnis der Erlösung der Welt wurzelt, und ist andererseits zutiefst menschlich, weil der Mensch in ihm sich selbst, sein Menschsein, seine Würde, seine Sendung wiederfindet.“

Davon war Resls Leben bis zu ihrem Tod geprägt. Vor 60 Jahren ist sie am 18. September gestorben. Seitdem ist das „Evangelium vom Leiden“ an ihrem Grab nicht mehr verstummt. Zahllose Votivtafeln legen davon Zeugnis ab und auch darin hat das Wunder von Konnersreuth eine letzte Bestätigung gefunden.

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