Im brandenburgischen Kloster Neuzelle gibt es seit 2015 das Museum „Himmlisches Theater“. Dort finden Besucher barocke Darstellungen, die das Leiden und die Auferstehung Christi bildlich darstellen. In dieser Vollständigkeit sind sie eine europäische Rarität von besonderem Kultur- und kunsthistorischem Rang. Nun sind in Neuzelle neue, frisch renovierte Kulissen zu sehen.
„Ich bin ein Kind der DDR und ohne Religion aufgewachsen und habe mich erst hier in Neuzelle im Museum damit beschäftigt“, erklärt Brigitte Günther aus Eisenhüttenstadt. Die ehemalige Grundschullehrerin, studierte in der DDR am Lehrerbildungs-Institut in Neuzelle. Es war eine Zeit, als es hier auch ein Priesterseminar gab. Den angehenden Lehrern war es strikt untersagt, mit den zukünftigen katholischen Seelsorgern in Kontakt zu treten. Heute ist Brigitte Günther in Pension. Doch die Rentnerin arbeitet auf Stundenbasis im Museum „Himmlisches Theater“ im Kloster Neuzelle.
Als Gesamtkunstwerk eine Rarität
In diesen Tagen kommen viele Gäste zu ihr an die Kasse. Die Osterzeit sei mit Blick auf die Besucherzahlen ein Höhepunkt im Jahr. Auch sonst reisen ganzjährig viele Touristen „Jung und Alt aus allen Himmelsrichtungen zu uns. Die sind immer sehr überrascht, dass man hier in Brandenburg eine Klosteranlage vorfindet, die so toll hergerichtet wurde.“ Die Darstellungen vom Leiden und der Auferstehung Christi sind mit ihrem Bildprogramm und in dieser Vollständigkeit als Gesamtkunstwerk eine Rarität. Die 229 Tafeln aus Holz und Leinwand wurden zufällig bei der Sanierung des Glockenturmes der Stiftskirche entdeckt. Seitdem wird das komplette Ensemble (sechs Meter hoch, fünf Meter breit, sieben Meter tief) mit fast lebensgroßen Figuren von Experten restauriert. „Das Gebet auf dem Ölberg“, „Der Judaskuss“ und „Die Kreuztragung“ waren bereits zu sehen. Nun kommen das „Verhör Jesu vor Hannas“ und die „Grablegung“ als neue Szenen dazu. Bis 2025 sollen alle Szenen restauriert sein. Dafür werden 800 000 Euro investiert.
Wer sich nach Neuzelle mit seinen beiden Kirchen, dem Barockgarten und der Klosteranlage begibt, meint, die christlichen Kirchen oder sogar die Mönche sind hier die Hausherren, aber: „Wir sind Eigentümer der Klosteranlage und darüber hinaus von 11 300 Hektar Wald und landwirtschaftlicher Fläche, Gewässern aber auch Gaststätten und Wohnungen“ erklärt Norbert Kannowsky. Er ist Chef der Stiftung Stift Neuzelle und kein Kunsthistoriker, sondern Forstwirt. Man hört es, dass er kein Kind der Region ist, sondern ein Zugezogener aus Franken ist.
Versenktes Museum
Dort wo früher Pferde wieherten, befindet sich heute das Museum „Himmlisches Theater“. „Hier standen die Kutschen des Abtes, später zu DDR-Zeiten ein Feuerwehrdepot, Lehrerunterkünfte und 2015 sanierten wir das Gebäude für 8 Millionen Euro“. Nun gibt es hier ein in den Weinberg mit einer Kreuzwegstation versenktes Museum mit einer Fläche von 300 Quadratmetern Fläche.
Besucher loben die Dramaturgie im Museumsneubau: „Man kommt hier in den unteririschen Museumsteil hinein und läuft einen dunklen Gang direkt auf ein beleuchtetes Schild mit der Botschaft: ,Sein Grab wird herrlich sein‘ zu. Dann kann man in diesem offenen Raum die ausgeleuchteten Szenen auf sich wirken lassen“, schwärmt Clara Roth-Wintges aus München.
Die 15 Theaterkulissen mit der Leidensgeschichte Jesu wurden 1751 von Abt Gabriele Dubau beauftragt. Sie stehen in der Tradition der Gegenreformation und des Jesuitischen Gedankengebäudes. Was die Gläubigen in der Fastenzeit zu sehen bekamen, diente der Veranschaulichung des Kerns christlichen Glaubens sowie der religiösen Erbauung: vom Judaskuss über Jesus Verurteilung, seine Kreuzigung, die Grablegung bis zur Auferstehung. An zwei Wänden sind Entwürfe für die Bühnenbilder ausgestellt.
Immer wieder fasziniert
Nach diesen Vorlagen setzte der böhmische Künstler Joseph Felix Seifrit und seine Werkstatt die Bühnenbilder um. Im 19. Jahrhundert endete die Tradition. „Die letzte Aufstellung war 1863 in der Josefskapelle der Marienkirche. Vermutlich waren die Passionsdarstellungen nicht mehr en vogue“, sagt Norbert Kannowsky. „Sein Grab, oder anders übersetzt, seine Ruhestätte wird herrlich sein, ist ein Zitat vom Propheten Jesaja“, erklärt Pater Alberich Maria. Der Zisterziensermönch ist auch Religionslehrer und sagt: „Jesu Grab ist zugleich der Ort seiner Auferstehung, ein Ereignis, dass keiner erwartet hat, weil Auferstehung von den Toten bis dahin nicht erfahrbar war. Das ist die Herrlichkeit, die uns Menschen immer wieder fasziniert.“
Der Mönch ist immer wieder beeindruckt von der bildreichen Präsentation dieser Passionsdarstellungen und kommt an Palmsonntag mit seinen Ordensbrüdern sowie den evangelischen Mitbrüdern gerne zu einer ökumenischen Andacht ins Museum. Pater Alberich empfiehlt allen Besuchern von Kloster Neuzelle unbedingt den Museumsbesuch, „weil es mit diesen Bühnenbildern einen sichtbaren, lebendigen Eindruck vom Geheimnis der Passion und der Auferstehung Jesu gibt“.
Man solle sich ins „Himmlische Theater“ eine Bibel mitnehmen „oder mit dem Handy eine online Bibel aufschlagen, um sich dem bewusst zu werden, was Jesus für Leiden auf sich genommen hat, um uns zu erlösen“. Brigitte Günther sieht das Ganze weniger fromm. „Mit der Ausstellung will man nicht zur Religion bekehren. Es ist ein Kulturgut, ein besonderer Schatz. Das gibt es europaweit nur einmal in dieser Form.“
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.