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„Jeder Mensch hat eine gewisse Angst vor dem Tod“

Alles steht auf dem Spiel, wenn es um unser ewiges Heil geht. Ein Gespräch mit Pater Bernhard Gerstle über das Sterben und wie Katholiken sich darauf vorbereiten können.
Friedhof
Foto: Imago/bodenseebilder.de | "Was sich in der Seele des Einzelnen beim Sterben abspielt, ist ein Geheimnis zwischen Gott und Mensch.", sagt Pater Gerstle im Gespräch mit der Tagespost.

Pater Bernhard Gerstle hat die Niederlassung der Petrusbruderschaft in Stuttgart geleitet. Dort hat er seelsorglich über Jahre krebskranke Patienten in einer Privatklinik betreut; viele über einen längeren Zeitraum.

Pater Gerstle, zu Allerheiligen und Allerseelen gedenken Katholiken der Verstorbenen. Welche Beobachtungen machen Sie an den Menschen?

Den meisten Menschen ist es immer noch wichtig, mit ihren Verstorbenen in Kontakt zu bleiben, ihre Grabstellen zu besuchen. Gerade an Allerheiligen und Allerseelen macht es einen tiefen Eindruck auf die Seele, die geschmückten Gräber und die brennenden Kerzen zu sehen. An manchen Gräbern stehen zudem kleine Weihwasserbehälter. Viele gedenken still ihrer Verstorbenen, andere sprechen gemeinsam ein Gebet. Als gläubige Christen glauben wir den Verheißungen Jesu auf ein Wiedersehen mit unseren Lieben in Seinem Reich. Leider kommt die Lehre vom sogenannten „Fegefeuer“ in der kirchlichen Verkündigung vielfach zu kurz oder wird ganz unterschlagen. Dabei ist es eine tröstliche Lehre, dass wir unseren Verstorbenen, die noch der Läuterung bedürfen, über den Tod hinaus durch unser Gebet Hilfe und Trost spenden können.

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Jeder von uns wird einmal sterben. Wie sollten wir uns darauf vorbereiten?

Als gläubige Menschen sollten wir uns immer auf unsere letzte Stunde vorbereiten, unabhängig davon, ob wir alt oder krank sind. Es geht schließlich um das ewige Heil. In diesem Sinne steht alles auf dem Spiel. Im „Ave Maria“ beten wir jedes Mal ausdrücklich um eine gute Sterbestunde. In den Gleichnissen mahnt uns der Herr zur Wachsamkeit, denn niemand weiß den Tag und die Stunde, wann er von dieser Welt abberufen wird. Das bedeutet, dass wir bestrebt sind, stets in der Freundschaft Gottes zu leben, was wir mit dem „Stand in der heiligmachenden Gnade“ bezeichnen, frei von schwerer (noch nicht bereuter und gebeichteter) Sünde. Das Bemühen um das Halten der Gebote ist Kennzeichen wahrer Liebe zu Gott, wie Jesus sagt (vgl. Joh 14,15).

Sie sind seit Langem Seelsorger und waren auf der Krebsstation im Krankenhaus tätig. Was waren die drängendsten Fragen und Nöte von Menschen, die im Sterben lagen?

Jeder Mensch hat naturgemäß eine gewisse Angst vor dem Tod. Besonders trifft das aber auf jene zu, die nur einen schwachen oder gar keinen Glauben an Gott und das ewige Leben haben. Manche verdrängten diesen Gedanken. Aus menschlicher Sicht war die Begleitung vonseiten der Familie oder Freunden sehr wichtig. Das gab den Kranken Halt und Lebensmut. Sehr hart war es für jene, welchen diese Stütze fehlte. Als Priester war ich besonders darum bemüht, den Glauben an Gott und das Vertrauen auf Ihn zu stärken, unabhängig von der Konfession. Katholische Patienten versuchte ich für den Empfang der heiligen Sakramente zu disponieren. Selbst unter Kirchgängern hatten etliche schon lange nicht mehr gebeichtet. Teilweise fehlte es auch an Sündenbewusstsein. Besonders galt dies für jene, die kaum noch eine Glaubenspraxis und damit wenig Glaubenswissen hatten. Aber auch unter ihnen haben sich etliche Menschen geöffnet und interessiert gezeigt. Mehrere haben mir gesagt, dass sie nun zum ersten Mal ein Gespräch mit einem Priester geführt haben, und zeigten sich sehr dankbar dafür. Nicht selten führten diese Gespräche schließlich zu einer Lebensbeichte, mit Empfang der Krankensalbung und der heiligen Kommunion. 

Was war der größte Unterschied zwischen nichtgläubigen und gläubigen Sterbenden?

Was sich in der Seele des Einzelnen beim Sterben abspielt, ist ein Geheimnis zwischen Gott und Mensch. Es war sehr unterschiedlich. Nichtgläubige legten auf eine seelsorgliche Begleitung eines Priesters meistens keinen Wert, ebenso in der Regel deren Angehörige. Darum kann ich darüber auch nicht viel sagen. Es war bitter für mich, am Sterbebett ausdrücklich zurückgewiesen zu werden nach dem Motto: „Ich brauche keinen Priester, bitte gehen Sie!“ Die Gläubigen hingegen waren dankbar für das Gebet oder die Spendung der Sterbesakramente. Der Glaube an das ewige Leben und das Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit und Liebe erleichtert das Sterben, auch wenn gewisse Anfechtungen und innere Kämpfe nicht ausgeschlossen sind.

Wie sind Sie mit Sterbenden umgegangen, die bis zuletzt Gott und das Ewige Leben nicht annehmen wollten?

In der Regel blieb da nur das stille Gebet. Man klammert sich an das Schriftwort, dass bei Gott kein Ding unmöglich ist. Aber es bleibt doch die große Sorge um das ewige Heil des Sterbenden. Als Priester war es mir schon immer ein besonderes Anliegen, die Gläubigen anzuspornen, sich durch Gebet und Opfer für das ewige Heil der Seelen zu engagieren, wie uns dies die heilige Jungfrau und Gottesmutter Maria zum Beispiel bei ihren Erscheinungen in Fatima so eindringlich ans Herz gelegt hat.

Sind Sie Menschen begegnet, die im Krankenhaus zum katholischen Glauben fanden?

Ja, da gab es zum Beispiel eine evangelische Frau. Sie war bei der Spendung der Krankenkommunion ihrer Zimmerkollegin so berührt, dass sie ebenfalls die heilige Kommunion wünschte. Ich erklärte ihr, dass dies den katholischen Glauben voraussetzt. Beim nächsten Besuch sagte sie mir, sie habe es sich überlegt und wolle katholisch werden. Nach Wochen der Vorbereitung ist sie dann konvertiert, hat eine Lebensbeichte abgelegt und wir haben in der Klinik, die leider keine Kapelle hatte, in einem profanen Raum, den wir so gut es ging entsprechend vorbereitet haben, im Beisein ihres evangelischen Mannes die Erstkommunionfeier durchgeführt. Einige Wochen später hat ihr noch der Heimatpfarrer im Auftrag des Bischofs die heilige Firmung gespendet. In tiefem inneren Frieden ist sie dann eines Tages heimgegangen. Es gab auch mehrere Wiedereintritte in die katholische Kirche. Meiner Erfahrung zufolge sind die Menschen in schwerer Krankheit besonders empfänglich für Gottes Gnade und Barmherzigkeit. Aber sie brauchen persönliche Ansprache und seelsorgliche Begleitung.

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Haben Sie Bekehrungen auf dem Sterbebett erlebt?

Ich habe im Laufe meiner Priesterjahre immer wieder solche Bekehrungen vor allem dann erlebt, wenn gläubige Familienangehörige intensiv, vielleicht Monate oder Jahre, um die Bekehrung dieser Person gebetet haben. Da gab es tatsächlich mehrmals überraschende Wendungen in den letzten Lebenstagen. Oft konnten die Sterbenden sich nicht mehr äußern, aber sie bewegten zum Beispiel bei den Gebeten des Priesters ihre Lippen oder versuchten, das Kreuzzeichen zu machen. Man konnte mit ihnen die allgemeine Reue erwecken und die Lossprechung sowie die Krankensalbung spenden. Die Sterbenden machten danach oft einen erlösten und befreiten Eindruck, was für mich ein Zeichen war, dass Gottes Gnade wirkt. Erst in der vergangenen Woche durfte ich bei einem Mann aus der Nachbarschaft, der im Sterben liegt und im Unterschied zu seiner gläubigen Tochter mit Kirche nicht mehr viel am Hut hatte, diese tröstliche Erfahrung machen.

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