Irgendwie mag das doch nicht so recht passen: Ludwig I. gibt wegen einer außerehelichen Affäre mit der Tänzerin Lola Montez nach massivem öffentlichen Druck im Revolutionsjahr 1848 seinen Thron auf, gleichzeitig ist er es aber, der dem noch jungen bayerischen Königreich, das er während seiner 23-jährigen Regierungszeit ab 1825 formt, bewusst einen starken katholischen Stempel aufgedrückt hat.
Persönliche Frömmigkeit und eine daraus abgeleitete Verantwortung als Herrscher und Verstöße gegen die Morallehre schließen sich bei diesem Wittelsbacher nicht aus. Ludwig war eben kein Heiliger, aber ein gläubiger Katholik. In seiner Jugend wurde er durch den katholischen Priester Joseph Anton Sambuga als Erzieher geprägt. Eine historisch wirkmächtige Figur, denn zu Sambugas Schützlingen zählen auch die Geschwister Ludwigs wie etwa die spätere österreichische Kaiserin Sophie, die Mutter von Kaiser Franz Joseph, und Maria Ludovika, die Mutter der berühmten „Sisi“.
Sambuga prägte also so geistlich das Leben an den katholischen Höfen Europas in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht unwesentlich mit. Der spätere Regensburger Bischof Johann Michael Sailer, auch ein geistlicher Lehrmeister des Königs, bei ihm studierte er als Kronprinz an der Universität Landshut, widmete dem Erzieher später eine Biografie.
Eigentlich hatte Ludwig keine Aussicht auf einen Thron
Dass Ludwig in der Religionspolitik gänzlich anders tickte als sein Vater, wurde schon gleich nach Regierungsantritt deutlich. Das hat auch mit den besonderen Aufgaben zu tun, von denen sich der junge König herausgefordert sah. Dass er einmal die bayerische Krone tragen würde, wurde ihm, als er 1786 in Straßburg zur Welt kam, an seiner Wiege noch nicht gesungen. Erstens gab es damals das Königreich noch gar nicht. Bayern (richtigerweise Baiern geschrieben, denn erst der Griechen-Freund Ludwig brachte 1825 das „y“ in den Landesnamen) war ein Kurfürstentum.
Zweitens wurde er als Angehöriger eines Seitenzweiges des Hauses Wittelsbach geboren. Sein Vater, Maximilian Joseph, hatte in Straßburg ein Truppenkommando inne und als zweitgeborener Prinz eigentlich keine Aussicht auf einen Thron. Dass es anders kam, hatte mit kinderlos verstorbenen Verwandten und den Folgen der Französischen Revolution auf das damalige Europa zu tun. Max Joseph folgte zunächst seinem Bruder 1796 als Herzog von Pfalz-Zweibrücken nach. Als 1799 schließlich Kurfürst Karl Theodor ohne Nachkommen in München starb, bestieg dort Maximilian Joseph als nächster Verwandter aus dem Haus Wittelsbach den Thron.
Einschnitt in der Religionspolitik
Dass er bereits 1802 einen entschiedenen Einschnitt in der Religionspolitik vornahm, hatte wiederum mit den Auseinandersetzungen mit dem nachrevolutionären Frankreich zu tun. Maximilian Joseph, damals noch bayerischer Kurfürst, löste rund 400 geistliche Institute auf. Ludwig machte das dann 23 Jahre später wieder teilweise rückgängig: 132 geistliche Institute wurden wieder neu errichtet. Besonders verbunden fühlte sich Ludwig I. dabei dem Benediktinerorden.
Warum Vater und Sohn hier so unterschiedlich agierten, hat einmal mit persönlichen Anschauungen zu tun, hängt aber auch mit einer unterschiedlichen Strategie im Umgang mit Frankreich zusammen, wo mittlerweile Napoleon die Macht übernommen hatte. Doch der Reihe nach: Die Klöster, die Max Joseph auflöste, die über Jahrhunderte die bayerische Kulturlandschaft geprägt hatten, waren plötzlich weg. Die Patres, die nun ihre geistlichen Heimstätten verlassen mussten, konnten immerhin weiter als Seelsorger wirken.
Besonders hart traf es aber die zahlreichen Nonnen, die nun ihre Klöster verlassen mussten. Der äußere Anlass für diesen Schritt war der sogenannte Reichsdeputationshauptschluss. Napoleons Frankreich hatte die linksrheinischen Gebiete des Reiches besetzt. Im Frieden von Lunéville waren diese Gebietsabtretungen festgelegt worden. Als Ausgleich für die Verluste, die die weltlichen Herrscher dadurch erlitten, erhielten diese nun die politische Gewalt über die bisherigen geistlichen Territorien.
Im Trend: Säkularisationswelle
Aber die Ursachen für die Säkularisationswelle hatten noch tiefere Ursachen. Sie lag im Trend. Graf Joseph Maximilian Montgelas ist der wichtigste Minister von Ludwigs Vater. Er versteht sich als Aufklärer und will den Staat modernisieren. So versteht er auch die Auflösung der Klöster, die aus dieser Perspektive dem Staat nichts bringen. Vor allem die aus dieser Sicht uneffektiven Bettelorden haben er und seine Mitstreiter auf dem Kieker.
Vor allem gilt aber auch: Der bayerische Staat braucht Geld. Die Krisen, in die die Französische Revolution Europa versetzt hatte, waren für Bayern nämlich vor allem eines: kostspielig. In wechselnden Koalitionen, erst gegen Frankreich, später im Bündnis mit dem korsischen Usurpator, musste Bayern viel Geld für Soldaten ausgeben. Da kam das Vermögen der Klöster gerade recht, um den drohenden Staatsbankrott zu stoppen.
Huldigung an den aufklärerischen Zeitgeist
Den intellektuellen Überbau für die Aktion lieferte aber der aufklärerische Zeitgeist, dem sowohl Kurfürst Maximilian Joseph wie sein Minister Montgelas huldigen. Ludwig tickte hier anders: Das lag zum einen an der Erziehung durch Sambuga. Er schaute aber auch gänzlich anders als sein Vater auf Frankreich. Als Kind war er mit seiner Familie vor den revolutionären französischen Truppen nach Mannheim geflohen.
Die Abneigung gegen die Franzosen blieb. Auch nachdem sich durch das spätere Bündnis seines Vaters mit Napoleon das Verhältnis zwischen München und Paris verbesserte, ja diese neue Politik Ludwigs Vater auch die neue Königskrone einbrachte, änderte sich das nicht. Zumindest territorial zahlte sich aber jedenfalls der Pakt mit dem französischen Kaiser für Bayern aus. Im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses erhielt Bayern als Kompensation für den Verlust der nun französisch besetzten Gebiete Schwaben und Franken dazu. Das Königreich wurde also um das bayerische Kernland hinaus erheblich erweitert. Freilich galt es nun, diese neuen Landesteile einzugliedern.
Klöster übernahmen gesellschaftliche Aufgaben
Das war die Hauptherausforderung für Ludwig in seiner Regierungszeit. Und das erklärt auch zum Teil seine Religionspolitik. Die benediktinischen Klöster, die nun entstanden, waren in der Regel immer mit einem Gymnasium verbunden. Im Konkordat von 1817 war nämlich festgelegt worden, dass neu gegründete Klöster auch immer eine bestimmte Aufgabe ausführen sollten, die gesellschaftlich fruchtbar war. Sei es im karitativen Bereich oder eben in der Bildung.
In den Benediktiner-Gymnasien bildete sich nun die künftige Elite dieses neuen Königreiches Bayern heran. Der König benötigte für die Verwaltung seines Reiches zuverlässige Beamte. Die ließ er gerne von den Benediktinern erziehen.
Die Folgen sind noch bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg spürbar. Auch damals stammten noch viele Angehörige der bayerischen Verwaltungselite aus der benediktinischen Schule.
Aber auch eine andere Folge der Förderung des Ordens ist heute noch konkret zu erkennen: Missio München geht auf den Ludwigs-Missionsverein zurück, den der König 1838 gründete.
Ziel war es vor allem zunächst, die katholische Kirche in Nordamerika zu unterstützen, auch viele Katholiken wanderten damals in die noch jungen USA aus. Besondere Unterstützung bekam damals der Mönch Bonifaz Wimmer von der Benediktiner-Abtei Metten, der in den USA die erste benediktinische Niederlassung, die Erzabtei St. Vincent, gründete.
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