Die schönste Freude ist die Vorfreude – oder? Schon seit die Halloween-Dekoration aus den Supermarktregalen verschwunden ist, wirft das Weihnachtsfest seinen langen Schatten voraus. Doch keine Sorge: Wir lassen Sie dabei nicht allein. In unserem Advents-Guide begleiten wir Sie durch den Advent und zeigen Ihnen dabei, wie Sie die Vorweihnachtszeit geistlich gestalten können und werfen einen Blick auf die wichtigsten Festtage und dazugehörige Bräuche. Bleiben Sie dran, denn außerdem bieten wir Ihnen jede Woche ein „Best Of“ von Büchern, Filmen und Gebeten, die Ihren Advent bereichern können.
Aber zurück zu den Supermarktregalen. Geht es im Advent nicht eigentlich um etwas ganz anderes als um sentimentalen Konsum, zumindest für Katholiken? Galt die Adventszeit nicht lange als „kleine Fastenzeit“, wie sie auch in den Ostkirchen noch heute begangen wird? Bereits seit einer Woche verzichten die Orthodoxen (je nach Strengegrad) auf Fleisch, Fisch und Milchprodukte. Und doch – ist da nicht noch das Nikolausfest ganz am Anfang des Advents, zu dem das Naschen schon dazu gehört? Also, kurz gefragt: Was soll der gute Katholik in dieser Zeit tun?
Zunächst einmal steht Vorfreude selbstverständlich weiterhin auf dem Programm. „Wenn wir uns liturgisch gesehen in den Advent begeben, um die Ankunft des Jesuskindes zu erwarten, nehmen wir eine Haltung ein ganz wie die Bewohner der Städte, als die Kaiser unterwegs zu ihnen waren – voller Vorfreude, aber auch mit Spannung und sorgfältiger Vorbereitung“, so Theologin Margarete Strauss.
Kontrastprogramm statt „Vorglühen“
Und das alles in doppelter Weise: Denn abgesehen von dem zeitlich gebundenen Advent im Dezember befinde sich die Kirche ja stets in einer Zeit der Erwartung auf die Rückkehr Jesu. Deshalb geht es im Advent eben nicht nur um Wohlfühlatmosphäre. „In den Wochen hören wir viele prophetische Lesungen, insbesondere aus dem Buch Jesaja, dem adventlichen Propheten schlechthin, aber auch viele Erzählungen von Johannes dem Täufer. Wir hören auch Endzeit- und Gerichtsreden, also alles andere als ,Kling Glöckchen, klingeling‘ und ,in der Weihnachtsbäckerei‘“, so Strauss. Das erzeuge ein Gegengewicht zum adventlichen Treiben der Welt.
Also doch Fasten statt Konsum? „Im gesamten Kirchenjahr fällt auf, dass die größten liturgischen Feste einer besonderen Vorbereitungszeit bedürfen“, erklärt Strauss. „Bekannter ist uns die Fastenzeit vor Ostern. Auch am Vortag von Hochfesten wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten war ein Fasten geboten.“ Durch die Geschichte hindurch sei es aber zu erheblichen Lockerungen gekommen. Trotzdem ist es laut Strauss ein Aufruf an das Kirchenvolk, im Advent das Fasten miteinzuplanen. „Das Fasten hat ja in erster Linie die Funktion, die eigenen Selbstsüchte zu überwinden und den Blick auf Gott zu richten.“ Das wiederum heiße aber nicht unbedingt, im Advent Trübsal zu blasen. „Mitten in der ,Wüstenerfahrung‘ des Fastens und der Buße wird uns die Gnade geschenkt, dem Herrn besonders intensiv zu begegnen, wenn wir diese Zeit nicht in selbstkasteiender Manier, sondern in der aufrichtigen und demütigen Haltung der Vorfreude auf seine Gegenwart begehen.“
Aber wie genau kann das aussehen? „Im allgemeinen gesellschaftlichen Empfinden stellt der Advent eine Art ,Weihnachten light' dar“, meint Strauss und zählt auf: „Helle Lichter, Dekorationen, Weihnachtsmärkte, die teilweise vor Weihnachten bereits enden, die häusliche Weihnachtsbäckerei und der Glühwein … all diese Dinge verfehlen im Grunde den ursprünglichen Sinn.“ Laut Strauss müsste strenggenommen alles ins Dunkel getaucht sein, um das Licht der Welt, Christus, umso mehr zu ersehnen – Kontrastprogramm also, statt „Vorglühen“.
Kreativ sein beim Adventskalender
Dass das heute schwer umsetzbar ist, weiß die Theologin aber auch und empfiehlt – gerade für Kinder – eine flexible Umsetzung säkularer Bräuche. „Hilfreich wäre zum Beispiel, Bräuche viel mehr an das Weihnachtsfest zu knüpfen – die Kekse für die Weihnachtstage selbst vorzubereiten (oder an den Adventssonntagen schon etwas zu naschen), bewusste Zeiten der Ruhe einzulegen, um der Hektik der Weihnachtsvorbereitungen zu entgehen, sich eine Möglichkeit auszusuchen, Almosen zu geben, um dem Konsumrausch zu trotzen und die Not zu lindern.“
Strauss weist darauf hin, dass es heutzutage viele verschiedene Adventskalender-Varianten gibt: „Da kann man ruhig kreativ sein und einen stärkeren Bezug zu Weihnachten herstellen, zum Beispiel in Form von Figuren, die in der Summe eine gesamte Krippe ergeben. Mit jeder der Figuren – mal ein Schaf, mal ein Hirte, mal der Stern, mal der Heilige Josef und so weiter – könnte man einen Teil der Weihnachtsgeschichte erzählen.“ So wird die Zeit des Advents, so Strauss, zu einer schrittweisen Katechese hin zum Weihnachtsfest.
Den Fastencharakter des Advents kann man auch mit einem „umgekehrten Adventskalender“ aufgreifen: Dabei bringt man jeden Tag ein kleines Opfer – eine gute Tat, ein kleines Gebet oder nur ein guter Gedanke – und schreibt ihn auf einen Zettel. An Weihnachten bekommt das Christkind als „Geburtstagsgeschenk“ 24 Zettel voller guter Taten. Im Internet finden sich viele Ideen: Gebets-Adventskalender zum Ausdrucken bieten zum Beispiel auch der Vatikan oder die US-amerikanische Bischofskonferenz an. Auch die katholische App „Hallow“ bietet mit der Advents-Challenge eine Gebetsbegleitung für den Advent an.
Der Michael Bay unter den Heiligen
In der ersten Adventswoche stehen gleich zwei sagenumwobene Heilige auf dem Kalender. Der Heilige Nikolaus von Myra und die Heilige Barbara. Mehr über „Saint Nick“ und seine Bedeutung für die Kirche erfahrt ihr hier und hier. Barbara ist besonders deswegen interessant, weil ihr Festtag mit einem Brauch daherkommt, mit dem man sich die Adventsvorfreude aufs Fensterbrett stellen kann.
Barbara stammte der Legende nach aus dem antiken Nikomedien – heute Ízmit in der Türkei. Ihre Verehrung in der Ostkirche ist seit dem neunten Jahrhundert überliefert. Ihr Schicksal ist so tragisch wie märchenhaft: Die Rolle des Bösewichts spielt ein, wie man heute sagen würde, toxischer Vater, der panische Angst davor hatte, dass seine Tochter zum Christentum übertreten könnte. Die rebellische Barbara wird kurzerhand in einen Turm gesperrt. Achtung: Ein kletterbereiter Prinz kommt in dieser Geschichte leider nicht vor – dafür ein schießwütiger Gott. Dazu gleich mehr.
Wundersamerweise konvertiert Barbara trotz Turmarrest. Ihr Vater zerrt seine Tochter vor den römischen Statthalter. Die Sage weiß, dass bei diesem gewaltsamen Unterfangen ein Zweig an Barbaras Kleid hängen bleibt. Vom Turm kommt Barbara nun ins Verlies, wo sie – man stelle sich vor, wie nebenbei – den Zweig in eine Vase mit Wasser stellt. Vater und Statthalter unterziehen Barbara nun der Folter, um sie von ihren Überzeugungen abzubringen, bis zum Märtyrertod: Ihr eigener Vater schwingt das Schwert, um seine vom Weg abgekommene Tochter zu ermorden. An diesem Tag blüht der Zweig in Barbaras Zelle – und, hier kommt Gott ins Spiel, ebenfalls an diesem Tag – wird Barbaras Vater vom Blitz getroffen und stirbt. Barbara ist deshalb nicht nur die Heilige mit den hübschen Adventszweigen, sondern auch die Schutzpatronin von Schwarzpulver, Minenarbeitern, diversen Militärcorps und allem, was mit Explosionen zu tun hat – der Michael Bay unter den Heiligen.
Eine physische Erinnerung an diese entzündliche Mischung aus unerbittlicher Gerechtigkeit und sanfter Geduld können sich Verehrer der heiligen Barbara und ihrem geistlichen Bräutigam ganz einfach in das eigene Zuhause holen. Dazu genügt ein Zweig von einem Obstbaum – klassischerweise einer Kirsche, aber Ginster oder Winterjasmin tut es auch –, den man am Barbaratag, den 4. Dezember, in der warmen Wohnung ins Wasser stellt. Pünktlich zu Weihnachten darf man mit Blüten rechnen.
Die „Tagespost“-Adventsempfehlungen:
🎥 Filmtipp:
Stirb Langsam (1988): Der Bruce-Willis-Actionstreifen eignet sich perfekt für einen aufrüttelnden Einstieg in die besinnliche Zeit: Denn der Film ist laut einigen katholischen Beobachtern (so zum Beispiel Paul Prezzia von „Catholic Answers“ und Andrew Petiprin von „Word on Fire“) ein echter Weihnachtsfilm - vielleicht sogar der einzig echte Weihnachtsfilm. Wer in der ersten Adventswoche also der Heiligen des Schießpulvers gedenken will, für den ist dieser Film vielleicht geeignet.
„Stirb Langsam“ ist im Disney+-Abo enthalten und ab 3,99 Euro bei Amazon Prime oder Apple TV ausleihbar oder zu erwerben (Stand November 2024).
📚 Buchtipp:
Mehr geistliche Tiefe als Bruce Willis bietet der dritte Band von Ratzingers „Jesus von Nazareth“-Trilogie, die natürlich eigentlich den Prolog darstellt. Denn diesen letzten Band widmete der damalige Papst Benedikt XVI. den Kindheitserzählungen Jesu, die dem Leser helfen können, im Advent die innere Beziehung zum nahenden Retter in Kindesgestalt zu vertiefen.
Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth: Prolog - Die Kindheitsgeschichten. Herder 2012, 176 Seiten.
🎁 Geschenktipp:
Mit der Weihnachtsdeko kommen auch die Planer fürs neue Jahr in die Regale: Von stinknormalen Kalendern bis hin zu in Jute gehüllte Achtsamkeits-Planer.
Wer dabei auf eine katholische Alternative zurückgreifen möchte, ist mit dem „Monk Manual“ bestens bedient. Das Planer-System aus den USA baut auf den Lebensprinzipien von Mönchen auf und garantiert ein Leben mit „greater purpose, produkctivity and presence“ - also sinnvoller, produktiver und präsenter! Die undatierten Seiten bieten einen Stundenplan, Prioritätenlisten, Dankbarkeitsjournal und eine Spalte zur Reflexion - und ist damit ein gutes Geschenk für jeden, der sich ein Instrument für mehr Struktur wünscht. Der Planer mit 90 Seiten kostet 40 Dollar ohne Versandkosten. Einen Link findet ihr hier.
🙏 Gebetstipp:
Im deutschsprachigen Raum eher unbekannt ist die adventliche „Andreasnovene“. Anders als andere Novenen wird sie nicht neun Tage sondern vom Festtag des Heiligen Andreas am 30. November bis zum 24. Dezember gebetet – und das 15 Mal am Tag! Hier der Wortlaut des Gebets:
Geheiligt und gesegnet sei die Stunde und der Augenblick in dem der Sohn Gottes von der allerreinsten Jungfrau Maria geboren wurde, um Mitternacht, in Bethlehem, in bitterer Kälte. In dieser Stunde, gewähre mir, so flehe ich, oh mein Gott, dass du mein Gebet erhörst und mir mein Verlangen erfüllst, durch die Verdienste unseres Retters Jesus Christus und Seiner gebenedeiten Mutter.
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