Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Weihnachten

Wenn das Christkind gegen Amazon antritt

Vier Tipps, wie Eltern mit kleinen Ritualen den Blick von Lego und Schokolade zurück auf die Krippe lenken können.
Familie an Weihnachten
Foto: Monkey Business Images via imago (www.imago-images.de) | Es müssen nicht alle über die Geschenke herfallen – das Ganze kann auch zivilisiert angegangen werden: Ein Kind bringt die Päckchen, einer liest vor, alle warten gespannt.

Weihnachten — das ist zunächst einmal ein akustisches Phänomen. Es beginnt mit „Last Christmas“ in Dauerschleife, geht über in das gelegentliche Scheppern einer Christbaumkugel auf Laminat und endet – wenn es gut läuft – im wohligen Klang der Christmette. Für die meisten Menschen heute ist das, was als „die stillste Zeit im Jahr“ verkauft wird, in Wahrheit ein kollektives Taumeln zwischen Amazon-Warenkorb, Handy-Nachrichten, Adventskalender und dem verzweifelten Kaufhausmarathon auf der Suche nach dem richtigen Geschenk. Der Duft von gebrannten Mandeln konkurriert mit Backstress, Schlager und Hits mit Sehnsucht nach Besinnlichkeit, die christliche Vorbereitung auf Weihnachten durch das adventliche Fasten wird einem durch die vielen leckeren Plätzchen und Schokolädchen mehr oder weniger vermasselt und der innere Friede versinkt zwischen Versandbenachrichtigungen und „Lieferung verspätet“. Dabei ist es doch so einfach: An Weihnachten geht es nur um Jesus.

Gerade Eltern kennen das Spannungsfeld besonders gut: Zwischen der Sehnsucht nach einer echten geistlichen Vorbereitung und dem Wunsch, ihren Kindern das Wesentliche des Festes zu vermitteln, verlieren sich viele im Stress, Süßkram — und in Geschenken. Durch das ganze Brimborium und den Kommerz glauben Kinder, Weihnachten — das seien Geschenke. Zu Heiligabend liegen sie meist prominent unterm Christbaum. Marzipankugeln, Spekulatius, Vanillekipferl und Schokobomben türmen sich auf dem bunten Teller. Da bring einer den Kindern einmal nahe, dass Jesus — und nicht der Lego-Katalog — im Mittelpunkt steht, dass es an Weihnachten nicht ums Naschen geht, Weihnachten nicht das Fest der Geschenke ist, sondern das der Menschwerdung Gottes. Dass es nicht um Konsum, sondern um Beziehung geht und darum, Christus dafür zu danken, dass und wofür er auf die Welt gekommen ist.

Umpolung des „Haben-wollen-Weihnachten“

Mit kleinen Tricks lässt sich der Blick auf das kommerzielle Haben-wollen-Weihnachten umpolen. Man kann Kindern erklären, dass der Brauch, einander etwas zu schenken, eine Antwort auf das größte Geschenk ist, das Gott der Menschheit jemals gemacht hat: auf Jesus, den Sohn Gottes, der auf die Welt gekommen ist, um uns zu erlösen und den Weg in den Himmel zu bahnen. Jesus ist das kostbarste Geschenk Gottes an den Menschen, weshalb er im Mittelpunkt von Weihnachten stehen muss, nicht die Geschenke. Zu seiner Geburt übergaben drei Weisen aus dem Morgenland dem neugeborenen König kostbare Geschenke: glänzendes Gold, duftenden Weihrauch und heilsame Myrrhe — Zeichen für dessen Königswürde, Göttlichkeit und Leidensweg. Heute können wir ihm auch etwas zum Geburtstag schenken: gute Taten zum Beispiel, vor allem aber unser Herz.

Dies kann man bereits mit einem Rollentausch in der Adventszeit tun, indem die Kinder mit dem Adventskalender nicht nur etwas empfangen, sondern auch geben. Sie können sich eine gute Tat überlegen, eine Kerze für arme Seelen anzünden und für sie beten, die abendliche Gebetszeit gestalten und Vieles mehr. Und für jede gute Tat dürfen sie einen Strohhalm in die Krippe legen, damit Jesus es bei seiner Geburt auch etwas gemütlich und warm hat. So wird der Advent zum Übungsfeld für die Seele – und die Vorfreude auf die Bescherung bleibt trotzdem erhalten. Win-win, wie der moderne Mensch sagt. 

Lesen Sie auch:

Dass nebenbei und wie von Geisterhand Plätzchen aus der Keksdose verschwinden oder man feststellen muss, dass auch das beste Versteck nicht taugt, um den süßen Proviant bis Weihnachten zu retten, wird man fast nicht verhindern können: Kinder haben einen besonderen Riecher für Zucker. Selbst der beste Schrank wird irgendwann geknackt – entweder durch detektivisches Gespür, Heißhunger oder durch rohen Willen.

Doch zurück zur Inszenierung des Heiligen Abends. Was die Geschenke angeht, so muss man sie nicht sein lassen, aber man kann sie reduzieren und den Fokus verschieben.

Vier Tipps für ein Weihnachten, bei dem nicht die Geschenke das Wichtigste sind

Punkt 1: Bescherung kommt am Schluss. Damit bleibt der Spannungsbogen des Abends lange erhalten. Der Heiligabend beginnt mit dem Essen oder: mit einer Gebetssession. Dazu kann aus der Bibel oder eine Weihnachtsgeschichte vorgelesen oder aber eine kleine Katechese gehalten werden. Die Literatur gibt da einiges her. Charles Dickens erklärt in seiner Novelle „A Christmas Carol“ beispielsweise, dass echte Menschlichkeit sich in Mitgefühl, Großzügigkeit und Verantwortung für andere zeigt. Rainer Maria Rilke beschreibt in seinem Gedicht „Der Engel oder Adventslyrik“ Weihnachten als inneres Geschehen. Und O. Henry stellt in seiner Erzählung „The Gift of the Magi“ das weihnachtliche Schenken als Liebestat dar — allerdings sehr überzogen: die Ehefrau glänzt am Heiligen Abend mit einer (Fast-)Glatze.

Bei uns wird vor dem Essen eine gesegnete Oblate geteilt; eine Tradition aus Polen, bei der jeder ein Stück von der Oblate des anderen bekommt und dem andern etwas Gutes wünscht oder Gottes Segen zuspricht. Zugegeben, Kindern können beim x-ten Familienmitglied die Wünsche ausgehen und so kann es auch mal sein, dass der Jüngste eine unüberhörbare Botschaft hinausschreit: „Ich wünsche guten Appetit!“ Übrigens gibt es in Polen auch den Brauch, ein Gedeck mehr herzurichten; ein Zeichen aus alten Zeiten für Gastfreundschaft, falls jemand an die Tür klopft und um Brot bittet.

Punkt 2: Das Christkind suchen – zumindest so tun, als ob. Aus dieser Schnapsidee wurde eine Tradition: Nur suchen die Kinder bald statt dem Christkind Santa Claus mit den Rentieren. Ab und zu verschwindet der wohl hinter einer Ecke. Aber wenn es auf einmal irgendwo rot aufblitzt, so sagen sie, dann wissen sie, dass er — oder eben dann doch wieder das Christkind — jetzt die Geschenke unter ihren Baum gelegt hat. Fazit: Der Zauber der Weihnacht lässt die kreativen Zellen besonders schnell rattern. Kindliche Logik ist manchmal die tiefere Theologie.

Punkt 3: Die Bescherung ist ein gemeinsames Event. Es müssen nicht alle über die Geschenke herfallen – das Ganze kann auch zivilisiert angegangen werden: Ein Kind bringt die Päckchen, einer liest vor, alle warten gespannt. Der Effekt? Dopamin. Laut Hirnforschung wird das Belohnungssystem stärker aktiviert, wenn man schenkt, als wenn man beschenkt wird. Das wusste schon der heilige Nikolaus, lange bevor es Neurowissenschaften gab.

Dass Geschenke manchmal an den Falschen geraten, die Kinder trotzdem an ihr eigenes Geschenk denken oder der einjährige Sohn das Spielzeug des Cousins adoptiert, weil er beim Anblick des VW-Busses seine Liebe für Fahrzeuge entdeckt, gehört wohl dazu. Schließlich tragen die kindliche Aufregung und Freude, deren Klatschen und Jauchzen, nicht unwesentlich dazu bei, dass der Heilige Abend unersetzlich erfrischend wird.

Weihnachten muss dabei nichts von seiner Tiefe einbüßen. Ja, Weihnachten mit Kindern ist laut, manchmal chaotisch. Aber besonders Kinder besitzen trotz ihrer natürlichen Freude an Geschenken ein erstaunlich klares Gespür für das, was zählt: die Begegnung mit Jesus und nicht etwa das perfekte Geschenkpapier, nicht die besten selbst gebackenen Plätzchen, nicht der Besuch auf dem Weihnachtsmarkt, ja selbst nicht das perfekte Krippenspiel. Apropos. Das führt zu

Punkt 4: Flexibel bleiben: In einem Krippenspiel sind Maria und Josef auf der Suche nach einer Herberge. Der Wirt bekam entsetzliches Mitleid mit den beiden — etliche Wirte haben die beiden bereits abgewiesen — und sagte: „Ja, bitte kommt rein.“ Josef, gespielt von einem Fünfjährigen, schaute irritiert und improvisierte. An Maria gewandt sagte er: „Komm Maria, wir gehen weiter, hier ist es zu teuer.“

Ob beim Krippenspiel oder am Heiligen Abend in der Familie ist Gelassenheit die beste Medizin gegen Anspannung, Streit und Nervosität. Denn ob das Essen verbrennt oder der Weihnachtsbaum umkippt:  Unerwartetes begrüßt man am besten mit Humor – denn um all das geht es nicht wirklich an Weihnachten. Weihnachten ist, wenn das Herz zur Krippe wandert und dort ein wenig verweilt. So kann Weihnachten zu einer echten Begegnung mit dem Herrn werden, und der Friede, den die Engel den Hirten verkündet haben, kann einkehren. Dafür sind Kinder besonders empfänglich. Sie verstehen die geistlichen Dinge oft besser als Erwachsene. Es ist sogar möglich, mit Kindern das Horchen auf Gottes Stimme oder die lectio divina zu üben, auch wenn der Sohn mal eine moderne Abkürzung gehen möchte, kurzerhand einen Brief an Jesus mit dem Hinweis an die Eltern unter die Krippe legt: „Und schaut aufs Handy, vielleicht schreibt Jesus da zurück!“

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Dorothea Schmidt Charles Dickens Christkind Gemeinschaft Emmanuel Jesus Christus Rainer Maria Rilke Weihnachtsgeschichten Weihnachtsmessen

Weitere Artikel

Wir kennen eher seinen Namen Jesus, Retter. In der heutigen O-Antiphon wird Christus als „Immanuel“ angekündigt.
23.12.2025, 00 Uhr
Redaktion
Vielleicht staunst du über das Foto, denn es ist noch nicht Weihnachten! Lies nur bis zum Schluss und du entdeckst eine neue Weise, dich auf die Geburt Jesu vorzubereiten.
18.12.2025, 05 Uhr
Sibylle Schmitt Marie-Therese Rouxel
Unser Guide führt mit Tiefgang und konkreten Tipps durch den Advent. Diese Woche geht es um die Heilige Barbara - und Margarete Strauss erklärt, wie Fasten und Vorfreude zusammenpassen.
30.11.2024, 16 Uhr
Sally-Jo Durney

Kirche

Papst Leo hat ganz recht: Der heilige Josef taugt auch heute noch als Idealbild traditioneller christlicher Männlichkeit.
24.12.2025, 11 Uhr
Regina Einig
Warum Heiligabend nicht vom Festmahl, sondern von Liebe, Gemeinschaft und Hoffnung lebt. Eine kulinarisch-theologische Betrachtung des Heiligabends in Deutschland und Polen.
24.12.2025, 10 Uhr
Dorothea Schmidt
Immer wieder spricht Leo XIV. die humanitäre Lage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen an. Wir veröffentlichen eine Reihe seiner deutlichsten Appelle.
24.12.2025, 14 Uhr
Redaktion
Die Festnahme des Pastors Gao Yingjia steht stellvertretend für eine neue Repressionswelle gegen Chinas protestantische Hauskirchen – vor allem dort, wo Glaube digitale Räume nutzt.
23.12.2025, 14 Uhr
José García