Der liturgische Gedenktag der heiligen Schwester Faustyna Kowalska am 5. Oktober fällt in diesem Jahr mit zwei bedeutenden Jubiläen zusammen: Vor 90 Jahren begann die polnische Ordensfrau, ihr Tagebuch zu führen; vor 25 Jahren wurde der Grundstein für das Heiligtum der Barmherzigkeit in Krakau gelegt.
Beide Ereignisse haben die weltweite Verehrung des Bildes des Barmherzigen Jesus gefördert und zugleich die traditionelle Herz-Jesu-Verehrung vor dem Vergessen bewahrt. Viele Diözesen in Europa, den USA und Lateinamerika verdanken polnischen muttersprachlichen Gemeinden das Gnadenbild in ihren Ortskirchen. Die Verehrung der Barmherzigkeit Gottes ist inzwischen zu einer Chiffre der Katholizität und der Friedenssehnsucht geworden.
Johannes Paul II. übertrug den Kern der Herz-Jesu-Frömmigkeit ins 20. Jahrhundert
Das Gnadenbild des Barmherzigen Jesus übernimmt auch eine Nachfolgerrolle: Es hat in der Frömmigkeitspraxis der Gläubigen die traditionellen Herz-Jesu-Bilder des 19. Jahrhunderts weitgehend abgelöst, ohne die Verehrung des Herzens Jesu als solche preiszugeben.
Johannes Paul II. übernahm die Rolle des Dolmetschers, als er den Kern der Herz-Jesu-Frömmigkeit für die Menschen des 20. Jahrhunderts übertrug: „Die Kirche bekennt und verehrt das Erbarmen Gottes, so will es scheinen, auf besondere Weise, indem sie sich an Christi Herz wendet. Tatsächlich erlaubt uns gerade die Hinwendung zu Christus im Geheimnis seines Herzens, bei diesem Thema der Offenbarung, der erbarmenden Liebe des Vaters, zu verweilen, das den innersten Kern der messianischen Sendung des menschgewordenen Gottessohnes ausmacht: ein zentraler Punkt und gleichzeitig der dem Menschen am leichtesten zugängliche. Anläßlich des Fests des Heiligsten Herzens habe ich die Gläubigen oft ermahnt, an der Praxis dieser Verehrung festzuhalten: ,Es handelt sich um eine Botschaft, die in unseren Tagen außerordentlich aktuell ist‘, denn gerade aus dem Herzen des Sohnes Gottes, der am Kreuz gestorben ist, entsprang die immerwährende Quelle des Lebens, die jedem Menschen Hoffnung gibt. Aus dem Herzen des gekreuzigten Christus geht die neue, von der Sünde erlöste Menschheit hervor. Der Mensch des Jahres 2000 braucht das Herz Christi, um Gott zu erkennen und sich selbst zu erkennen; er bedarf seiner, um die Zivilisation der Liebe aufzubauen“, sagte der Papst bei seiner Polenreise vor 25 Jahren.
Diese Aussage ist heute unverändert aktuell. Während der Frieden in der Welt ebenso so brüchig geworden ist wie Mitte der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts und der Papst seit Jahren vor einem Dritten Weltkrieg warnt, verkörpern die Verehrer der göttlichen Barmherzigkeit eine stille Reserve der Kirche, die sich von den ideologischen und politischen Wirren der Zeit nicht entmutigen lässt.
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