Der liturgische Gedenktag der heiligen Katharina von Siena gipfelt alljährlich in einem bewusst inszenierten Missverständnis: Die mittelalterliche Kirchenlehrerin muss ungefragt als Patronin der Anhängerinnen des Diakonats der Frau herhalten. Nichts deutet darauf hin, dass sich Katharina für diese theologisch schräge und mit dem katholischen Verständnis von der Einheit des dreistufigen Weiheamts unvereinbaren Forderung hätte erwärmen können.
Leidensbereitschaft für den Herrn
Die feministische Perspektive unterscheidet nicht zwischen der Mahnerin Katharina und notorischen Nörglerinnen der Gegenwart. Doch nichts lag der wortgewaltigen Dominikanertertiarin, die höchsten Kirchenvertretern aus Sorge um die Einheit der Kirche ins Gewissen redete, ferner als die Grundhaltung prinzipiell schismabereiter Zeitgenossinnen.
Das Leben Katharinas selbst ist gespickt voller Stationen, die von kirchenpolitisch interessierter Seite lieber ausgeklammert werden. Doch Katharinas Persönlichkeit erschließt sich erst, wenn man die Konsequenzen ihrer Liebe zu Christus betrachtet – vor allem ihre Leidensbereitschaft für den Herrn. Wer Pestkranke unter persönlicher Lebensgefahr pflegt, ein intensives Gebetsleben trotz schlechter körperlicher Verfassung lebt und den Gehorsam gegenüber den kirchlichen Vorgesetzten akzeptiert, verändert die Kirche ohne Strukturreform, aber durch persönliche Umkehr.
Wer die würdigen Nachfolgerinnen Katharinas sind
Darin liegt der Unterschied zu den bürgerlich-etablierten Wortführerinnen der Debatte für den Diakonat der Frau. Es gibt keinen Versuch im Leben Katharinas, den persönlich erkannten Willen Gottes gegen die Tradition der Kirche auszuspielen. Würdige Nachfolgerinnen der heiligen Katharina sind heute Frauen, die in Kriegsgebieten bei denen ausharren, die nicht fliehen können, die sich unter elenden wirtschaftlichen Bedingungen für die Ausbreitung des Evangeliums einsetzen, am Beten festhalten und andere mahnen, wenn die Einheit der Kirche auf dem Spiel steht.
Katharinas Attribute sind Kreuz, Wundmale, Dornenkrone und Lilie. Welches würden sich die Anhängerinnen des Diakonats selbst zutrauen?
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