Feuilleton

Katholische Frauen mit Power

In schwierigen Zeiten gab es in der Kirche stets Frauen, die für den Glauben, die Disziplin und die Wahrheit kämpften. Das macht Mut für heute. Von Barbara Wenz
Heilige katholische Frauen in der katholischen Kirche
Foto: Haser, Julia | Katholische Frauen

Wir haben es gerade erst wieder schmerzhaft und bitter erfahren müssen angesichts der verstörenden Meldungen aus Pennsylvania – die im Laufe ihrer zweitausendjährigen Geschichte so oft geschändete heilige Mutter Kirche steht im Kampf, sie liegt im Clinch mit Satan, sie steht in einem Krieg, in dem Seelen wie auch Körper verheert werden und der zuweilen manch einem bereits verloren scheint. Der emeritierte Papst Benedikt sagt über den aus der Mode gekommenen Begriff der ecclesia militans, der streitenden Kirche, dass er die Wahrheit in sich trage, denn „wir sehen, wie das Böse die Welt beherrschen will, und dass es nötig ist, in den Kampf gegen das Böse einzutreten. Wir sehen, wie es dies in vielerlei Formen tut ... auch in der Maske des Guten, und so die moralischen Grundlagen der Gesellschaft zersetzt.“

Heilige Frauen in der katholischen Kirche: Kritik der geweihten Männer

Wie überall sonst, so stehen auch auf dem Gebiet des Lasters, der Sünde und des Verbrechens die Frauen nicht besser da als die Männer – allerdings stellen sie eben nicht die Geistlichkeit in der römisch-katholischen Kirche und mit diesen geweihten Männern schlagen sich die heiligen Frauen Europas bereits seit über tausend Jahren herum: Geiz und Gier, Machtlüsternheit und Geilheit, Trunksucht und Völlerei, dieser Katalog von Klerikersünden klingt ein wenig mittelalterlich, hat aber an Brandaktualität nichts verloren. Wenn Hildegard von Bingen den hohen und niederen Klerus ihrer Zeit geißelt, dann mögen ihre Worte altmodisch klingen, ihre Aussagen aber sind überzeitlich gültig:

„Ihr seid eine Nacht, die Finsternis ausatmet, und wie ein Volk, das nicht arbeitet. Ihr liegt am Boden und seid kein Halt für die Kirche, sondern ihr flieht in die Höhle eurer Lust. Und wegen eures ekelhaften Reichtums und Geizes sowie anderer Eitelkeiten unterweist ihr eure Untergebenen nicht. Ihr solltet eine Feuersäule sein, den Menschen voraus ziehen und sie aufrufen, gute Werke zu tun.“

 Katharina von Siena

Wenn gut zweihundert Jahre später Katharina von Siena an Papst Urban VI. schreibt: „Bester Vater, die Welt kann nicht mehr weiter. So sehr haben sich die Laster gehäuft, besonders bei jenen, die im Garten der heiligen Kirche als duftende Blumen gepflanzt worden sind, um den Duft ihrer Tugenden auszuatmen. Stattdessen müssen wir sehen, wie sie angefüllt sind mit elenden und ruchlosen Lastern, mit denen sie die ganze Welt verpesten“, dann können wir einfachen Gläubigen des 21. Jahrhunderts die Stimmung, aus der heraus sie diese Worte schrieb, bestens verstehen. Schon seinen Vorgänger Gregor XI. hatte sie ermahnt, er müsse zuerst die stinkenden Blumen aus dem Garten der heiligen Kirche ausrotten, die voller Unreinheit, Gier und aufgeblasen von Stolz seien. Daneben redete sie ihm nicht nur in zahlreichen Briefen ins Gewissen, endlich aus der „babylonischen Gefangenschaft“ in Avignon nach Rom zurückzukehren und wurde sogar persönlich dort vorstellig, um den zögernden Papst zu überzeugen. Dabei fand sie noch genügend Zeit, um dem verhurten und versoffenen Klerus eine überdeutliche Ansage zu geben: Was Christus am Kreuz erworben habe, werde mit Huren vergeudet. Es sei besser, die betreffenden Geistlichen stürben, als diesen Frevel weiterzutreiben.

Birgitta von Schweden

Auch ihre Zeitgenossin Birgitta von Schweden konnte angesichts des schwärenden Problems äußerst kategorisch werden: Fortjagen solle man die unzüchtigen Priester, denn es sei besser, dass gar keine Messe gefeiert werde, als dass Hurenhände den Leib des Gottessohnes berührten.

Gibt es jahrhundertealte Strukturen in der Kirche – bei weitem nicht nur auf geweihte Geistliche beschränkt –, die sich stets um drei Großthemen drehen: Geld, Sex und Macht? Werden sie durch klerikalistisches Denken befördert? Muss man nur die Hierarchie flacher machen, damit kein Bischof mehr mit seinen Seminaristen ins Bett geht? Dann hätten sich viele große heilige Frauen und Mahnerinnen die Spucke und Tinte sparen können, mit denen sie im Namen des allerheiligsten, dreifaltigen Gottes dagegen angetreten sind.

In einem Bericht für Domradio Köln aus Los Angeles, erschienen am 22. August 2018, wies der deutsche Jesuitenpater Godehard Brüntrup darauf hin, dass die Spitze der Missbrauchsfälle mit dem Weihejahrgang von 1970 erreicht worden sei:

„Seitdem fällt die Kurve steil ab und erreichte im Jahr 2000 fast null Prozent. Vom Weihejahrgang 1970 wurde aber jeder zehnte Priester Grenzverletzungen oder gewaltsamer Übergriffe beschuldigt.“

Eine Ausbildung zum Priester umfasst üblicherweise ein Hochschulstudium der Theologie wie auch der Philosophie und Unterweisung im Priesterseminar mit Pastoraler Ausbildungszeit – rund sieben bis acht Jahre insgesamt. Dies könnte allerdings nahelegen, dass es sich bei der Mehrzahl der Beschuldigten um Priester handelt, die ihre Berufung zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils erfahren haben.

Ida Friederike Görres

Was Hildegard, Birgitta und Catarina über diese Eventualitäten gesagt hätten, können wir nicht wissen. Aber wir wissen, was Ida Görres, die „tapfere Kirschblüte“, ein großartige, der Kirche zutiefst ergebene Frau, einmal gesagt hat.

Ida Friederike Görres wurde am 2. Dezember 1901 als Tochter des Grafen von Coudenhove und seiner japanischen Frau Mitsouko geboren. Geprägt von der katholischen Jugendbewegung Anfang der zwanziger Jahre erfährt sie diesen Aufbruch als frisch, belebend und inspirierend für ihren Glauben. In den zwanziger Jahren studiert sie, danach arbeitet sie als Diözesansekretärin in Dresden und heiratet 1935 ihren Mann Carl-Joseph Görres. Zu dieser Zeit werden auch ihre ersten Werke publiziert; heute sind diese leider weitgehend in Vergessenheit geraten. Dabei sorgte sie gerade mit ihrem 1946 in den Frankfurter Heften veröffentlichten „Brief über die Kirche“ für große Empörung, die bis nach Rom reichte. Tief durchdrungen von einem – leider von vielen Lesern übersehenen – sentire cum ecclesia, prangerte sie in einem Schreiben an einen fiktiven Akademiker Missstände an, die heute noch so aktuell sind wie vor fast 70 Jahren. Vor allem um den Stand des Klerus ging es ihr, dessen Verbürgerlichung und geistlichen Niedergang sie beklagte: die murkelige, lieblose Feier der Liturgie, zusammengestoppelte, evangeliumsferne Predigten, Probleme mit dem Zölibat. Es ist die Leidenschaftlichkeit und von verzweifelter Liebe getragene Heftigkeit dieser Kritik, die viele Leser und Kirchenmänner übersehen ließ, dass sie in ihrem „Brief über die Kirche“ auch hymnische Töne anschlägt: 

„Unser Zorn und unsere Trauer um so vieles Einzelne entspringt unserm Wissen um ihre, der Kirche Herrlichkeit und Würde, ihre unantastbare Hoheit: weil sie die Kirche Christi ist.“

Große Hoffnung setzte die Görres gerade in das Zweite Vatikanische Konzil, das sie als „große, verheißungsvolle Aussaat“ bezeichnete, doch „jetzt sehen wir viel Bestürzendes aufwachsen, Giftiges, das die erste Frucht zu ersticken droht“. Und, so möchte man hinzufügen, den einstmals ertragreichen Boden des Weinbergs in mancher Hinsicht zu einem gewissen Teil in Schwelbrand gesetzt und bis in unsere Tage hinein unfruchtbar gemacht hat. Ein Fenster zur Welt zu öffnen war die gute Absicht, bedacht wurde nicht, dass damit auch Schwärme von Moskitos und fäulnisbehaftete Dämpfe zusammen mit der frischen Luft eindringen konnten.

Mutter Angelica

Eine, die dies mit Furor beklagt hat, war Mutter Angelica, die Gründerin von EWTN – Eternal Word Television Network. EWTN ist heute der weltweit reichweitenstärkste katholische Sender, in über 140 Ländern verbreitet erreicht der Kanal rund 200 Millionen Haushalte. Sie gilt als katholische Fernsehpionierin und als rechtgläubige Tochter der Kirche. Obwohl ihr es vermutlich niemand zugetraut hätte, verlor sie in einer denkwürdigen Fernsehshow in den neunziger Jahren ihre fromme Contenance, als sie darauf angesprochen wurde, dass beim Kreuzweg zum Weltjugendtag 1993 in Denver eine Frau die Rolle Jesu übernehmen solle. Ihre Worte werden in der Biografie von Raymond Arroyo wie folgt zitiert:

„Ich habe die Nase voll von eurer liberalen Kirche, … eurem ichbezogenen Gebet, eurer erdhaften Spiritualität. Ich habe die Nase voll von euren ,Aufbrüchen‘, denn das erste, was von einem solchen Auf-Bruch zurückbleibt, ist ein Loch, in das wir alle hineinfallen. Ich habe die Nase voll von euren Theologen, die nichts anderes tun, als spalten und zerstören.“ Loyale Katholiken hätten nun lange genug geschwiegen: „Wir haben eure Ansichten über Gott nun dreißig Jahre lang runtergeschluckt.“

Die Ansichten der Modernisten, die Ansichten der liberalen Theologen, des nachlässigen und verweltlichten Klerus, der Amtskirche und ihren Strukturen. Allen wirft sie schließlich vor: „Ihr habt keinen Gott, kein Dogma, keine Glaubenslehre und keine Autorität. Ich empöre mich über eure Versuche, den Katholizismus der Kleinen, Armen und Älteren zu zerstören. Eure Katechismen sind so verwässert, dass sie nichts anderes mehr besagen als ,Liebe deinen Nächsten‘. Nein, zuerst muss man Gott lieben!“

 

Mutter Angelica, die der Herr im März 2016 in seine ewigen Arme genommen hat, spricht hier etwas aus, das all dem Übel, dem wir heute gegenüberstehen, zugrunde liegt. Ja, genau, es sind die Kleinen, die immer wieder vor dem Götzenbild des Goldenen Kalbes geopfert werden, von Bonzen, die einen Purpur tragen durften, der sie nicht etwa zu Prinzen der heiligen Kirche gemacht hat, sondern zu Popanzen, welche die Leiber und Seelen der ihnen Anvertrauten vor dem glühenden Moloch ins Feuer ihrer Lüste und Begierden gestoßen haben. Während andere zusahen und sich als Mitwisser schuldig machten an eben jenen Verbrechen oder sie sogar noch deckten.

Und schon ist nach dem ersten Entsetzen der erbitterte Streit in den kirchenpolitischen Lagern ausgebrochen über die Konsequenzen, die nun dieser oder jener und sogar Papst Franziskus selbst zu ziehen habe – oder auch nicht.

Schauen wir noch einmal auf Katharina von Siena und was sie einstmals, vor vielen Jahren, einem Papst empfahl: „Pflanzt duftende Blumen in diesen [vergifteten] Garten: Hirten und Verwalter, die wahre Diener des Gekreuzigten sein wollen, die auf nichts anderes bedacht sind als die Ehre Gottes und das Heil der Seelen!“ Die giftigen, stinkenden Blüten aber sollen nicht mehr unbehelligt weiter die ganze Welt verpesten.

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