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Berufen, sich als Arzt hinzugeben

Seit einer Woche nennt die Kirche ihn heilig: Der Venezolaner José Gregorio Hernández Cisneros, ein Laie, der sein Leben im Verborgenen an Gott und die Kranken verschenkte.
José Gregorio Hernández
Foto: gemeinfrei / wikimedia commons | Als Arzt behandelte der heilige José die Armen ohne Entgelt und gab ihnen häufig noch zusätzlich Geld, damit sie sich Arzneimittel kaufen konnten.

Zwei Monate vor seinem Tod unterzeichnete Papst Franziskus im Krankenhaus das Dekret für die Heiligsprechung von José Gregorio Hernández Cisneros. Die Entscheidung fand in dessen Heimatland Venezuela großen Beifall und wurde sowohl vom Staatspräsidenten Nicolás Maduro als auch von der Oppositionsführerin María Corina Machado öffentlich gewürdigt – ein kleines Zeichen der Einheit in dem politisch gespaltenen südamerikanischen Land.

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Der „Arzt der Armen“ wird in Venezuela als Volksheiliger verehrt, als Schutzpatron der Kranken und der Reisenden. Am 19. Oktober wurde er auf dem Petersplatz in Rom heiliggesprochen. Sein Gedenktag ist – abweichend von der üblichen Praxis – nicht sein Todestag, sondern sein Geburtstag, der 26. Oktober.

Ein begabter Mediziner

José Gregorio Hernández Cisneros wurde 1864 in Isnotú, einem Dorf in den venezolanischen Anden, geboren. Mit acht Jahren verlor er seine Mutter. Nach dem Besuch des Gymnasiums in einem Internat in der Hauptstadt Caracas schrieb er sich für das Medizinstudium ein, das er im Juni 1888, mit 23 Jahren, mit Auszeichnung abschloss. Als Anerkennung für seine hervorragenden Leistungen erhielt er ein Stipendium des damaligen Staatspräsidenten, Juan Pablo Rojas Paúl, das es ihm erlaubte, sich zwei Jahre lang in Paris und Berlin medizinisch weiterzubilden, vor allem auf den Gebieten der Mikrobiologie und der Histologie, die damals noch in den Kinderschuhen steckten. Beide Städte waren pulsierende Zentren der „Belle Époque“, geprägt von moralischer Dekadenz und gesellschaftlichen Neuaufbrüchen. Der junge José Gregorio ließ sich in diesem Strudel nicht mitreißen, sondern hielt an den christlichen Werten fest, die ihm seine Familie und sein heimatliches Umfeld vermittelt hatten.

Zurück in Venezuela begann er 1891 die wissenschaftliche Laufbahn als Professor und Forscher. Er gründete in Caracas den Lehrstuhl für Histologie, experimentelle Physiologie und Bakterienkunde. An der Universität bekannte er sich offen zu seinem christlichen Glauben, besuchte jeden Morgen die heilige Messe und begann jede Vorlesung mit dem Kreuzzeichen. Als Arzt behandelte er die Armen ohne Entgelt und gab ihnen häufig noch zusätzlich Geld, damit sie sich Arzneimittel kaufen konnten. Sein Vorbild war Franz von Assisi, der in jedem Kranken den leidenden Christus erkannte. Am 7. Dezember 1899 schloss er sich als Laie dem Drittorden der Franziskaner an.

Probezeit in der Kartause

José Gregorios Wunsch nach einem tieferen geistlichen Leben führte ihn dann in die Kartause von Lucca in Italien, wo er am 16. Juli 1908, mit 43 Jahren, durch Vermittlung seines geistlichen Begleiters als Postulant eintrat. Neun Monate lebte er dort als Kartäuser, war aber der strengen Regel nicht gewachsen und erlitt einen Zusammenbruch, sodass die Oberen entschieden, ihn aus gesundheitlichen Gründen nach Venezuela zurückzuschicken, wo er seine ärztliche und universitäre Arbeit wieder aufnahm.

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Dennoch sehnte er sich weiter nach dem Ordensleben und der Priesterweihe. Er sah dafür den Augenblick gekommen, als der venezolanische Diktator Juan Vicente Gómez 1912 die regimekritische Universität von Caracas schließen ließ. José Gregorio ging daraufhin nach Rom und studierte Theologie und Latein am Päpstlichen Lateinamerikanischen Kolleg „Pius“. 1914 musste er jedoch das Studium wegen einer Rippenfellentzündung und beginnenden Tuberkulose abbrechen und nach Caracas zurückkehren.

Tödlicher Autounfall

Dies war für ihn das endgültige Zeichen Gottes, dass nicht die Priesterweihe, sondern die Medizin seine wahre Berufung sei. Er widmete sich weiter der Forschung und der Lehre sowie der ärztlichen Tätigkeit. Besonders wichtig war sein Beitrag zur Bekämpfung der Spanischen Grippe, die ab 1918 grassierte und zahlreiche Menschenleben forderte.

Am 29. Juni 1919 wurde José Gregorio Hernández Cisneros von einem Auto erfasst, als er aus einer Apotheke kam, wo er ein Medikament für eine ältere Patientin besorgt hatte. Er starb im Krankenhaus, nachdem er die Letzte Ölung empfangen hatte. Die sterblichen Überreste dieses ersten venezolanischen Heiligen ruhen in der Kirche der „Candelaria“ in Caracas.

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