Vor fast zehn Jahren habe ich während meines Orientierungsjahres bei einem befreundeten Pfarrer im Pfarrhaus gewohnt. Eines nachts habe ich mich dort in die Küche geschlichen, weil ich Hunger hatte. In Windeseile hatte ich mir ein Wurstbrot zusammengestellt hatte, als mein Blick auf das Bücherregal in der Küche fiel.
Angst in der Nacht
Neben allerlei theologischer und philosophischer Literatur sah ich dort auch einen schmalen Abschnitt im Regal, wo einige Bücher über den Teufel standen. Ich zog ein Buch von Gabriele Amorth hervor. Amorth ist der vielleicht berühmteste Exorzist der Kirche (nach Jesus Christus), in Büchern hat er seine Erfahrungen niedergeschrieben.
Ich saß sehr lange am Küchentisch und las wie gebannt in einem dieser Bücher, während ich genüsslich mein Wurstbrot mampfte. Irgendwann gegen drei Uhr wollte ich zurück ins Bett. Ich stellte das Buch zurück, löschte das Licht – und bekam plötzlich tierische Angst. Ich war auf einmal im Dunkeln. Der nächste Lichtschalter war erst draußen auf dem Gang, weit weg. Bilder von Dämonen tauchten in meinem Kopf aus, besessene Menschen, die Nägel ausspien und sich unnatürlich verrenkten und schrien. Ich beschloss, in der Küche sitzen zu bleiben, bis es wieder hell wird. Irgendwann fasste ich mir dann doch ein Herz, überwand im Dunkeln todesmutig die fünf Meter bis zum nächsten Lichtschalter und huschte ins Bett.
Gebet zum Erzengel Michael
Es war nicht der Teufel selbst, der mir Angst machte. Ich war schon als Kind ein Schisser und habe mich sogar mal bei „Emil und die Detektive“ unter das Sofa verkrochen, weil mir dieser böse Unbekannte im Zug Angst einjagte.
Am vergangenen Karfreitag hat dafür der Papst wieder vor dem Teufel gewarnt. In einer Interview-Sendung im italienischen Fernsehen erzählte Franziskus, dass er jeden Morgen das Gebet zum heiligen Erzengel Michael bete, „damit es mir hilft, den Teufel zu besiegen“. Franziskus sagte wörtlich: „Jemand, der mich hört, könnte sagen: ,Aber Heiliger Vater, Sie haben studiert, Sie sind Papst und glauben immer noch an den Teufel?‘. Ja, das tue ich, mein Lieber, das tue ich. Ich habe Angst vor ihm, deshalb muss ich mich ja auch so sehr verteidigen.“
Auf der Hut sein
Der Papst hat Recht. Wir müssen vor dem Teufel auf der Hut sein. Er will uns in den Abgrund reißen und legt sich dafür mächtig ins Zeug. Mal tritt er verführerisch auf, mal furchteinflößend, mal ganz harmlos. Am erfolgreichsten ist er aber, wenn er uns glauben lässt, dass es ihn nicht gibt. „Seid nüchtern und wachsam“, warnt uns Petrus, „euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann.“
Aber müssen wir Angst vor dem Teufel haben? Ich würde sagen: Nein. Im Gegenteil: Seit Ostern wissen wir doch, dass Satan verloren hat. Wäre das Leben ein Fußballspiel, befänden wir uns in der 89. Minute und lägen mit 7:1 in Führung. Jetzt kommt es darauf an, diesen Sieg über die Zeit zu bringen und sich vor Abpfiff nicht mehr vom Platz stellen zu lassen.
Ein bisschen Schadenfreude
Meine Mutter hat mir immer eingebläut, dass Schadenfreude böse ist. Aber an Ostern gibt es diese eine Ausnahme. Auf der einen Seite ist da der Teufel, der Menschen verführt, Kriege verursacht und entsetzliches Leid über uns gebracht hat. Und dann ist da dieser Gottessohn, der elendig am Kreuz zugrunde ging, aber wieder auferstanden.
Wer ist also der Sieger? Ich, der kleine Angsthase, der nachts nicht einmal über einen dunklen Gang laufen kann, weil er ein gruseliges Buch gelesen hat, werde an Ostern die Siegesfaust ballen und höhnisch ausrufen: „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ (1 Kor 15,55) Tut mir Leid, Mama. So viel Schadenfreude muss sein.
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