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Staatsrechtler nennt Pläne zur Ablösung von Staatsleistungen verfassungswidrig 

Erstmals gibt es einen konkreten Gesetzentwurf. Nicht nur bei den Bundesländern, auch bei Fachleuten stoßen die Pläne auf Kritik. 
Bodo Pieroth
Foto: Universität Münster (Universität Münster) | Bodo Pieroth, emeritierter Jura-Professor von der Universität Münster, hält die Pläne der Bundesregierung zur Ablösung der Staatsleitungen für verfassungswidrig.

Sowohl den Fortbestand der Staatsleistungen an die Kirche als auch die gegenwärtigen Ablösungspläne Bundesregierung hat der Staatsrechtler Bodo Pieroth als verfassungswidrig bezeichnet. Pieroth gehört dem Institut für Weltanschauungsrecht an. Dies Institut wurde im Jahr 2017 als Einrichtung der Giordano-Bruno-Stiftung gegründet. In einem Interview mit der Welt sagte der Jurist: „Parlament und Regierung sollten sich darauf besinnen, dass sie die Interessen aller Bürger zu vertreten haben, also auch die der konfessionslosen Mehrheit sowie der zahlreichen Kirchenmitglieder, die für das Andauern der anachronistischen Staatsleistungen keinerlei Verständnis mehr haben.”

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Zu hohe Ablösungswerte

In dem Interview vertritt Pieroth die These, die über die Jahrhunderte geleisteten Entschädigungszahlungen an die Kirchen überschritten bei weitem den Wert des ehemals entzogenen kirchlichen Vermögens. Pieroth führt ein Gutachten an, welches in der letzten Legislaturperiode ging davon ausging, dass die Kirchen bei angenommener dreiprozentiger jährlicher Verzinsung über die letzten 100 Jahre das 194-Fache und bei fünfprozentiger Verzinsung das 603-Fache des ursprünglich entzogenen Wertes erhalten hätten. Dieser häufig auch aus dem politisch liberalen Lager vertretenen Ansicht wird von der den deutschen Bistümern als auch von den evangelischen Landeskirchen regelmäßig widersprochen, da es sich bei den Staatsleistungen um Entschädigung für entgangene Erträge aus enteignetem Kirchenbesitz handelt.

In einem aktuellen Gesetzentwurf für ein Grundsätzegesetz, auf dessen Basis dann die Bistümer und Landeskirchen mit den Bundeländern die konkrete Ablösung verhandeln müssen, sieht der Bund vor, dass die Bistümer und Landeskirchen einmalig das 17- bis 18-Fache der jährlichen Zahlungen erhalten. Zusätzlich sollen die bisherigen Zahlungen noch zehn bis 20 Jahre weiter fließen. Dieser Entwurf sie jedoch von sämtlichen betroffenen Bundesländern bereits als unfinanzierbar abgelehnt worden.

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Zu großzügig und verfassungswidrig

Pieroth nannte diesen Vorschlag nicht nur viel zu großzügig gegenüber den Kirchen, er bezeichnete ihn als “geradezu verfassungswidrig”. Offenbar habe der Staat sich bei den Verhandlungen auf ein für diesen Fall nicht anwendbares Modell für Entschädigungsleistungen eingelassen, so der Jurist. Dem jetzigen Vorschlag liege dem Staatsrechtler zu folge offenbar die Vorstellung zugrunde, dass es sich bei den Staatsleistungen um sogenannte immerwährende Leistungen handele. Der Ablösewert solcher Leistungen betrage nach dem Bewertungsgesetz das 18,6-Fache ihrer jährlichen Höhe. Demgegenüber kenne das Bewertungsgesetz auch noch Leistungen von unbestimmter Dauer, bei denen feststehe, dass sie wegfallen werden. Hier betrage der Ablösefaktor lediglich 9,3. Bei dem genannten Bewertungsgesetz handelt es sich um ein Gesetz, das die Bewertung von Gütern im Rechtsverkehr des Bürgers mit dem Staat in verschiedenen Zusammenhängen regelt.

Die Staatsleistungen, die hier zur Diskussion stehen, gehen auf die Enteignung von Kirchengütern im Jahr 1803 zurück. Schon in der Weimarer Reichsverfassung wurde der Staat mit der Ablösung dieser Leistungen betraut. Die entsprechenden Artikel 1949 wurden in das Grundgesetz übernommen. Seit längerer Zeit existieren Pläne zur Ablösung dieser Leistungen. Die aktuelle Bundesregierung hat mit dem vorliegenden Gesetzentwurf konkrete Schritte zur Verabschiedung eines Grundsätzegesetzes unternommen. DT/pwi

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