Anders als andere Kirchenführer hat der russische Patriarch Kyrill in seinen Osteransprachen gestern und heute vermieden, den Krieg beim Namen zu nennen oder gar zu verurteilen. In seiner Osteransprache in der vergangenen Nacht fand er, wie zuvor in seiner offiziellen Osterbotschaft, kein Wort des Mitgefühls für die Opfer des russischen Krieges in der Ukraine.
In Anwesenheit des russischen Präsidenten Wladimir Putin sprach Kyrill lediglich von „den Schwierigkeiten, die wir jetzt erleben“ und die nicht daran hindern dürften, „die Nüchternheit des Geistes, die Klarheit und die Fähigkeit zu bewahren, die Zeichen der Zeit richtig zu verstehen“. Am Ende der Osterliturgie in der Erlöser-Kathedrale zu Moskau tauschten Patriarch Kyrill und Präsident Putin Geschenke aus.
Gewalt, Krieg, Ungerechtigkeit
Die russisch-orthodoxe Kirche veröffentlichte am Sonntag einen Ostergruß von Papst Franziskus an Patriarch Kyrill, in dem der Papst zum Gebet füreinander aufrief. Wörtlich schreibt Franziskus an Kyrill: „In diesen Tagen, wo wir das volle Gewicht des Leidens der Mitglieder unserer Menschheitsfamilie spüren, die von Gewalt, Krieg und zahlreichen Manifestationen von Ungerechtigkeit erdrückt werden, lasst uns erneut mit dankbarem Herzen staunen, dass der Herr all das Böse auf sich genommen hat und all den Schmerz unserer Welt.“
Papst Franziskus erinnerte bei seinem Mittagsgebet am Sonntag in Rom daran, dass bereits zwei Monate seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine vergangen sind. In Anspielung darauf, dass die orthodoxen Christen wie die mit Rom unierten Katholiken des byzantinischen Ritus an diesem Sonntag Ostern feiern, sagte der Papst in Rom: „Statt aufzuhören, ist der Krieg eskaliert. Es ist traurig, dass man in diesen Tagen, die für alle Christen die heiligsten und feierlichsten sind, mehr das tödliche Klirren der Waffen hört als den Klang der Glocken, die die Auferstehung verkünden; und es ist traurig, dass die Waffen immer mehr an die Stelle der Sprache treten.“
Martyrium in der Ukraine
Während der Kreml einen Waffenstillstand zu den Ostertagen strikt ablehnte, erneuerte Franziskus seinen Appell für einen Osterfrieden, den er ein „minimales und greifbares Zeichen des Friedenswillens“ nannte. „Der Angriff muss aufhören, um das Leid der erschöpften Bevölkerung zu lindern; man muss einhalten, im Gehorsam gegenüber den Worten des auferstandenen Herrn.“ Der Papst rief zu mehr Gebet für Frieden auf. Die „politisch Verantwortlichen“ sollten „auf die Stimme der Menschen hören, die Frieden wollen und keine Eskalation des Konflikts“.
Von einem „Martyrium in der Ukraine“ sprach der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios, in seiner Osternachtspredigt. Hier würden Zivilisten, Verwundete, Alte, Frauen und eine große Anzahl von Kindern getötet oder verfolgt. In der Ukraine spiele sich eine unsägliche menschliche Tragödie ab, sagte Bartholomaios. DT/sba
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