Der Trierer Kirchenhistoriker Michael Fiedrowicz hat die christliche Streitkultur der frühen Kirche vom Stil zeitgenössischer innerkirchlicher Debatten abgegrenzt. Im Hinblick auf das Konzil von Nizäa, dessen 1.700-Jahrfeier 2025 begangen wird, erklärte er gegenüber dieser Zeitung, den frühchristlichen Konzilien sei es zwar insgesamt um den Konsens in strittigen Fragen gegangen, aber man habe sehr wohl gewusst, dass Wahrheit keine Mehrheitsfrage sei.
Die Verbindlichkeit der Konzilien, zumindest in Glaubensfragen, resultiere nicht einfach daraus, dass eine Mehrheit Beschlüsse fasse. Wörtlich erklärte Fiedrowicz: „Im Gegensatz zu Ansätzen moderner Diskurstheorien waren die Väter der Kirche überzeugt: Nicht der Konsens begründet die Wahrheit, sondern die Wahrheit den Konsens. Die Einmütigkeit so zahlreicher Personen galt immer als etwas, das rein menschliches Vermögen grundsätzlich übersteigt.“
Gedenken an Konzil von Nizäa im kommenden Jahr
Wo Einmütigkeit gelinge, zeige sich in ihr die überwältigende Evidenz der Wahrheit selbst. Einmütigkeit, so der Trierer Kirchenhistoriker, begründe also nicht die Verbindlichkeit, sondern bezeuge die sich manifestierende Wahrheit, auf der alle Verbindlichkeit erst beruhe.
Christen aller Kirchen und Denominationen gedenken im kommenden Jahr des Konzils von Nizäa, auf dessen Entscheidungen das Glaubensbekenntnis wesentlich beruht. Papst Franziskus kündigte kürzlich an, an den Feierlichkeiten in Nizäa teilnehmen zu wollen. DT/reg
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