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Keine offene Kritik an Kyrill

Der Krieg in der Ukraine riss eine Wunde im Leib der orthodoxen Kirche auf, meint der serbisch-orthodoxe Patriarch Porfirije.
Patriarch Porfirije; Bischof Andrej Cilerdzic
Foto: Stephan Baier | Der serbisch-orthodoxe Bischof in Österreich, Andrej Ćilerdžić (links), brachte das Oberhaupt seiner Kirche, Patriarch Porfirije, nach Wien.

Die serbische Orthodoxie wirbt mit Blick auf die Ukraine zwar nachdrücklich für Frieden und Versöhnung, steht im inner-orthodoxen Streit um die Ukraine jedoch ganz auf der Seite des Moskauer Patriarchats. Das stellte das Oberhaupt der Serbisch-Orthodoxen Kirche, Patriarch Porfirije, bei seinem Besuch in Wien am Freitag klar. „Man kann offen sagen, dass der Krieg in der Ukraine eine tiefe Wunde im Leib der Orthodoxen Kirche aufgerissen hat“, sagte der Patriarch, der in seiner Ansprache als Gast der von Kardinal Franz König gegründeten ökumenischen Stiftung „Pro Oriente“ im Erzbischöflichen Palais in Wien mehrfach das vom russischen Präsidenten Wladimir Putin inkriminierte Wort „Krieg“ verwendete. Seine Kirche habe mehrmals Appelle für einen Frieden in der Ukraine veröffentlicht.

Serbischer Patriarch bestreitet Rechtmäßigkeit der Orthodoxen Kirche der Ukraine

In dem jahrelangen Dissens zwischen dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel und dem Moskauer Patriarchat um die tief gespaltene Orthodoxie in der Ukraine und um das Recht, eine hierarchische und kanonische Unabhängigkeit (Autokephalie) zu verleihen, stellte sich Porfirije neuerlich auf die Seite des Moskauer Patriarchats: Die Bischofssynode der serbischen Orthodoxie sehe in der „Ukrainisch-Orthodoxen Kirche“ (UOK) unter dem Vorsitz von Metropolit Onufrij „die einzige kanonische und rechtmäßige orthodoxe Kirche in der Ukraine“. Porfirije weiter: „Eine solche Haltung basiert auf der Achtung der jahrhundertealten kanonischen Ordnung der Orthodoxen Kirche.“

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Damit bestreitet der serbische Patriarch implizit die Rechtmäßigkeit (Kanonizität) der vom Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios errichteten autokephalen „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ (OKU) unter der Führung von Metropolit Epifanij. Patriarch Porfirije bekräftigte damit jene Sicht, die er gegenüber dem Autor am 22. Februar 2022 – also zwei Tage vor der russischen Invasion in der Ukraine – im Patriarchat in Belgrad dargelegt hatte. Damals beschrieb er die Ukraine als Teil des kanonischen Territoriums des Moskauer Patriarchats und bestritt das Recht des Ökumenischen Patriarchen, den Ukrainern die Autokephalie zu gewähren.

Porfirijes diplomatische Unterscheidung zwischen Kirche und Politik

In Wien unterschied er nun feinsäuberlich zwischen der kirchlichen und der politischen Wirklichkeit: „Die Serbisch-Orthodoxe Kirche übernimmt in diesem Konflikt nicht die Aufgaben des Staates und fällt entsprechend kein Urteil in Fragen des Völkerrechts, sondern versucht, soweit es in ihrer Macht steht, zu versöhnen und zu vereinen und dazu beizutragen, dass der Krieg so schnell wie möglich endet und die Kriegswunden geheilt werden.“

Porfirije stellt sich damit kirchlich an die Seite des russischen Patriarchen Kyrill, ohne sich zugleich an die Seite des russischen Präsidenten Putin stellen zu wollen, obgleich Kyrill längst zum weltanschaulichen Stichwortgeber Putins und zum Propagandisten seines Krieges geworden ist. Porfirije berief sich dabei auf eine Erklärung seiner Kirche vom 28. März, in der es heißt: „Kriege, gerechte und ungerechte, werden von Staaten geführt, nicht von Kirchen.“ Es sei „abscheulich, eine Kirche als Feind zu behandeln, nur weil die Gläubigen auf tragische Weise verfeindeten Seiten angehören“.

Keine offene Kritik an der Moskauer Kirchenführung 

Kann man daraus schon eine Kritik an Kyrill herauslesen, der propagandistisch und selbst in seinem disziplinären Vorgehen gegen kritische Priester ein Teil der russischen Kriegsführung ist? Darf man dieses Statement auch auf den jahrelangen Konflikt zwischen dem Moskauer Patriarchat und dem Ökumenischen Patriarchat anwenden, der dazu geführt hat, dass die russische Orthodoxie einseitig die eucharistische Gemeinschaft mit Patriarch Bartholomaios, mit allen Hierarchen des Ökumenischen Patriarchats und sogar mit all jenen orthodoxen Kirchen aufkündigte, die die „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ anerkannten? Zu offener Kritik an der Moskauer Kirchenführung war Porfirije in Wien jedenfalls nicht bereit. Er betonte, dass seine Kirche „die eucharistische Gemeinschaft sowohl mit dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel als auch mit dem Moskauer Patriarchat“ unterhalte.

Ganz anders als das Moskauer Patriarchat im Ringen um die ukrainische Autokephalie reagierte die serbische Orthodoxie allerdings im Mai des Vorjahres, als der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel das Schisma der mazedonischen Orthodoxie beendete und die eucharistische Gemeinschaft mit der Hierarchie, dem Klerus und den Gläubigen unter dem Vorsitz des Erzbischofs von Skopje, Stefan Veljanovski, aufnahm. Die serbisch-orthodoxe Kirche hätte – dem russischen Vorbild in der Ukraine folgend – darauf insistieren können, dass es sich um ihr kanonisches Territorium handle und die von Erzbischof Stefan geleitete Kirche einen politischen Ursprung in der jugoslawischen Epoche habe. Doch stattdessen anerkannten Patriarch Porfirije und der Bischofssynod der serbischen Orthodoxie – nach mehr als einem halben Jahrhundert der Spaltung – überraschend und binnen weniger Tage die Eigenständigkeit der mazedonischen Orthodoxie. Porfirije und Erzbischof Stefan konzelebrierten mehrfach in Belgrad und Skopje: Statt Streit brach Versöhnung aus.

Nicht die Autokephalie ist die primäre Frage, sondern die Einheit

In Wien von der „Tagespost“ dazu befragt, ob das serbische Vorgehen im Ringen um Mazedonien nicht auch modellhaft für den inner-orthodoxen Streit um die Ukraine sein könnte, reagierte Patriarch Porfirije jedoch ablehnend: In der Ukraine herrschten „völlig andere Umstände, und das nicht erst seit dem Beginn des Krieges, sondern viel früher“. Nicht die Autokephalie sei die primäre Frage, sondern die Einheit. „Wenn die Autokephalie ein Instrument der Einheit ist, dann hat sie einen Sinn – in jedem anderen Fall ist sie destruktiv und autodestruktiv – auch wenn das von außen anders aussieht“, so der serbische Patriarch. Auch dürfe die Frage der kirchlichen Autokephalie nicht mit geopolitischen Fragen verbunden werden, „was nicht heißt, dass politische Veränderungen keinen Einfluss auf kirchliche Strukturen haben“.

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Im Fall Mazedoniens ging es laut Porfirije um die kirchliche Einheit und darum, ein sehr schmerzhaftes, mehr als 50 Jahre währendes Schisma zu beenden. Bereits nach den ersten bilateralen Gesprächen mit den Vertretern der mazedonischen Orthodoxie sei er zur Auffassung gelangt, dass eine Gewährung der Autokephalie nicht sehr viel Zeit in Anspruch nehmen werde, so der Patriarch auf eine Frage dieser Zeitung. Er habe diesen Weg als „Wille des Heiligen Geistes“ wahrgenommen. Durch die Verleihung der Autokephalie sei die Einheit wiederhergestellt worden.

Das „Kreuz des Leidens“

Porfirije ging in seiner Antwort nicht darauf ein, dass das Ökumenische Patriarchat das alleinige Recht zur Verleihung des sogenannten „Tomos“ der Autokephalie beansprucht, also das Recht, einer Kirche die vollständige hierarchische und rechtliche Eigenständigkeit zu gewähren, während die serbische Orthodoxie sich selbst als „Mutterkirche“ der mazedonischen Orthodoxie versteht.

Während Serbiens Orthodoxie die mazedonischen Strukturen nach mehr als einem halben Jahrhundert in überraschender Souveränität loszulassen bereit war, hält sie am Kosovo als spiritueller und nationaler Wiege unverbrüchlich fest. Patriarch Porfirije sprach bei seinem Besuch in Wien mit Blick auf den Kosovo von einem „Kreuz des Leidens“ seiner Kirche.

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