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Cherson wird zur Märtyrerstadt

Die Ukraine will sich Weihnachten nicht stehlen lassen. Unierte und Orthodoxe planen eine Reform des Weihnachtstermins.
Metropolit Epifanij, Metropolit der Orthodoxen Kirche der Ukraine
Foto: Efrem Lukatsky (AP) | Eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Metropolit Epifanij (im Bild) und Großerzbischof Schewtschuk soll eine Reform des Kirchenkalenders vorantreiben.

In der Ukraine kommt es täglich zu schweren Kämpfen entlang der gesamten Frontlinie. Am Dienstag berichtete das Oberhaupt der mit Rom unierten Katholiken des byzantinischen Ritus, Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk: "Wie in den vergangenen Tagen liegt das Epizentrum dieser militärischen Schlacht, der vielleicht größten in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, in der Region Donezk, in den Städten Bakhmut und Avdiivka."

Unter unerbittlichem russischen Beschuss

Die Russen hätten das Ziel, die Grenze der Region Donezk bis Jahresende zu erreichen. "Aber wir sehen, dass Gott die bösen Pläne derer, die sich in dieser Welt für mächtig halten, zunichte macht", so der Großerzbischof. Der Besatzer versuche "alles zu zerstören, was seine mörderische Hand erreicht". Auch die jüngst befreiten Gebiete der Ukraine würden erneut zum Ziel massiver Artillerie- und Raketenangriffe. So leide Cherson "unter unerbittlichem russischen Beschuss" und werde zur "Märtyrerstadt". Zuletzt habe die russische Armee am 24. Dezember den Markt unter Feuer genommen und gezielt Dutzende Zivilisten getötet.

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In einer Videobotschaft vom 25. Dezember sagte der Großerzbischof: "Heute feiern viele Christen in der Welt, viele Söhne und Töchter unserer Kirche, die nach dem Gregorianischen Kalender leben, Weihnachten: die Geburt Christi." Dem Feind, der in die Ukraine eingedrungen ist, werde es "nicht gelingen, den Ukrainern Weihnachten zu stehlen". Schewtschuk weiter: "In der Ukraine gibt es heute viele Diskussionen darüber, ob man während des Kriegs feiern kann. Heute wollen wir uns und der ganzen Welt sagen: Weihnachten ist ein Fest, das nicht der Mensch, sondern Gott vorbereitet hat. Trotz unserer Schwäche, unserer Trauer und unseres Schmerzes kommt Christus, um unter uns geboren zu werden. Die himmlische Freude kommt in die Ukraine!"

Abwendung von der russisch-orthodoxen Tradition

Einige Gemeinden der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) haben entgegen ihrer Tradition bereits am vergangenen Wochenende Weihnachten gefeiert. Ihre Synode hatte dafür Dispens erteilt. Ihr Oberhaupt, Metropolit Epifanij, und Großerzbischof Schewtschuk setzten eine Arbeitsgruppe ein, die eine Reform des Kirchenkalenders vorantreiben soll, um zu einem einheitlichen Weihnachtstermin zu finden.

Was auf den ersten Blick nach einer Übernahme des lateinischen Kirchenkalenders aussieht, ist tatsächlich eine Abwendung von der russisch-orthodoxen Tradition. Anders als beim Osterfest, wo eine klare Trennlinie zwischen der römisch-katholischen und der orthodox-ostkirchlichen Terminfindung besteht, feiern die Kirchen der Orthodoxie Weihnachten nicht einheitlich. Das Ökumenische Patriarchat, aber auch die orthodoxen Kirchen von Alexandria, Antiochia, Rumänien, Bulgarien, Zypern, Griechenland, Albanien und Finnland begehen Weihnachten seit einer Reform des Julianischen Kalenders zu Beginn des 20. Jahrhunderts am 24. und 25. Dezember. Dagegen halten die russische, die serbische und die georgische Orthodoxie am alten Julianischen Kalender fest, nach dem Weihnachten am 6./7. Januar begangen wird.

Der Krieg beschleunigt den Trend

Die OKU, die ihre Autokephalie gegen den Widerstand Moskaus von Konstantinopel erhielt, neigt offenbar mehr und mehr dazu, sich auch in der Kalenderfrage von Moskau ab- und Konstantinopel zuzuwenden. In der mit Rom unierten griechisch-katholischen Kirche der Ukraine wird Weihnachten nicht einheitlich gefeiert. Während etwa ihr Exarchat in Italien vollständig nach dem Gregorianischen Kalender (also am 24./25. Dezember) feierte, begehen fast alle unierten Ukrainer in ihrem Heimatland Weihnachten am 6./7. Januar.

Noch jedenfalls: Sollte es zu einer Vereinheitlichung kommen, dann - falls das gläubige Volk mitspielt - zugunsten des Dezember-Termins. Dieser Trend hat sich bereits vor der russischen Invasion abgezeichnet, aber Putins Krieg beschleunigt die Entwicklung. Die "Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats" hat andere Sorgen: Sie wehrt sich gegen ein Verbotsverfahren und den Verlust des Kiewer Höhlenklosters.

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