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„Benedikt XVI. ist ein wahrer Kirchenlehrer“

Kurienkardinal Julián Herranz betont die Kontinuität zwischen den Pontifikaten Benedikts und Franziskus’.
Benedikt XVI. und Papst Franziskus
Foto: Osservatore Romano (Romano Siciliani) | Laut Kurienkardinal Herranz hätten Benedikt und Franziskus zwar unterschiedliche Persönlichkeiten, aber diese Unterschiede führten nicht zu Widersprüchen.

Der spanische Kurienkardinal Julián Herranz hat sich lobend über den verstorbenen Papst Benedikt XVI. geäußert. In einem Interview mit der spanischen Zeitschrift „Omnes“ bezeichnete der Kardinal Benedikt XVI. zunächst als „wahren Kirchenvater“. Herranz erklärt wörtlich: „Was haben die Kirchenväter getan? Vor allem zwei Dinge: Zunächst haben sie gelehrt, wie man Christus sucht, findet und liebt.“ Benedikt habe es mit seiner Trilogie über Jesus von Nazareth in anschaulicher Weise getan, „indem er die Gleichsetzung zwischen dem Jesus des Glaubens und dem geschichtlichen Jesus aufgezeigt hat.“

Benedikt XVI. und Franziskus ergänzen sich

An zweiter Stelle habe Benedikt gelehrt, „wie inmitten heidnischer oder materialistischer Gesellschaften christlich gedacht und gelebt werden kann“ – dazu habe er die Übereinstimmung von Vernunft und Glauben hervorgehoben. Dies habe er „mit seiner sehr reichhaltigen wissenschaftlichen Produktion und seinen meisterhaften Reden an den wichtigsten Schauplätzen der Welt“ getan.

Der 92-jährige Kardinal begann 1960 seine Tätigkeit für den Heiligen Stuhl. Mit dem damaligen Kardinal Ratzinger arbeitete er in den Dikasterien für die Bischöfe und für die Evangelisierung zusammen. In den acht Jahren des Pontifikats Benedikts war Herranz Präsident des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte und der Disziplinarkommission der römischen Kurie. Nun hat er ein Buch über sein persönliches Zeugnis über Benedikt XVI. und Franziskus fertiggestellt, zu dem Papst Franziskus das Vorwort beisteuern wird. 

Zur Kontinuität zwischen Benedikt und Franziskus ging Herranz in dem „Omnes“-Interview auf die Rolle ein, die „einer der bedeutendsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts“ bei den beiden gespielt habe: „Sowohl der deutsche Benedikt als auch der argentinische Franziskus wurden von Romano Guardini beeinflusst“. Guardini unterscheide „polare Gegensätze“ von „Widersprüchen“. In diesem Sinne „unterscheiden sich die beiden Pontifikate, gleichzeitig ergänzen sie sich jedoch“, ohne im Widerspruch zueinander zu stehen.

Das Evangelium ist ein "göttlicher Diamant"

Benedikt und Franziskus hätten zwar ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, „in ihren kulturellen Wurzeln, in ihren pastoralen Erfahrungen“; aber diese Unterschiede führten nicht zu Widersprüchen. „Sie sind vielmehr Ausdruck der Katholizität der Kirche selbst und der Universalität des einen Evangeliums Christi.“ Das Evangelium sei ein „göttlicher Diamant“: In jedem Pontifikat „beleuchtet der Heilige Geist die eine oder andere Facette, ohne die anderen auszuschließen“. Bei Benedikt sei es der Glaube und die Wahrheit gegen die Diktatur des Relativismus, bei Franziskus die Praxis des „mandatum novum“, „der Liebe zum Nächsten, insbesondere zu den Ärmsten und Bedürftigsten.“

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In der Lehre, dem „depositum fidei“, gebe es einen deutlichen Unterschied in den pastoralen Prioritäten: Benedikt habe den Akzent auf den Glauben, Franziskus auf die Nächstenliebe gelegt; Benedikt auf die Wahrheit, Franziskus auf die Liebe; Benedikt auf die „vertikale“ Dimension des Evangeliums, die Anbetung und Liebe zu Gott, Franziskus auf die „horizontale“ Dimension, den Dienst und die Liebe zum Nächsten. Zwischen „diesen verschiedenen Projekten oder pastoralen Leitlinien“ gebe es wiederum keinen Widerspruch, sondern „sie ergänzen sich“. Er selbst habe aus Benedikts Mund gehört, er sei glücklich zu sehen, wie viel Zuneigung und Sympathie Franziskus bei den Menschen hervorruft. „Das macht mich glücklich und gibt mir Frieden“, habe der emeritierte Papst zu Herranz gesagt. DT/sha
 

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