Die Katholikenzahl in Österreich sei im Vorjahr „leicht zurückgegangen und weitgehend stabil“, berichtet die kirchenamtliche Agentur Kathpress. Alles gut? Kein Grund, brave Kirchenbeamte zu wecken? Sehen wir genauer hin: 67.583 Österreicher sind im Vorjahr aus der katholischen Kirche ausgetreten; 15 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Vor einem Jahrhundert waren 90 Prozent der Einwohner Österreichs katholisch, heute sind es 56 Prozent. In der Stadt Wien gehört weniger als ein Drittel der Bevölkerung der katholischen Kirche an. Ein Erosionsprozess dramatischen Ausmaßes.
Das katholische Österreich ist eine Illusion
Sicher, dass Sonntag für Sonntag eine halbe Million Österreicher die Heilige Messe besucht, das ist die größte Massendemonstration des Landes. Keine andere Organisation, Bewegung oder Religionsgemeinschaft hat diese Mobilisierungskraft. Andererseits: Nur gut ein Zehntel der Kirchenmitglieder erfüllt seine Sonntagspflicht, fast 90 Prozent bleiben sonntags der Kirche fern. Das katholische Österreich ist eine Illusion. Die Kirche hat an Relevanz verloren.
Am Kirchenbeitrag will keiner rütteln
Warum aber packt man kirchenamtlich die alarmierenden Zahlen Jahr für Jahr in Watte? Weil der Kirchenbeitrag (die österreichische Variante der Kirchensteuer) weiter steigt. Brav arbeiten und zahlen sie, die verbliebenen Kirchenmitglieder. Die Diözesen haben ausgeglichene Bilanzen, am Kirchenbeitrag will keiner rütteln. Für jene aber, die der Kirche keine Relevanz in ihrem Leben mehr einräumen, ist der Kirchenbeitrag das Hauptmotiv für den Kirchenaustritt. Darüber will keiner reden.
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