Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um "5 vor 12"

Kirchensteuern sind aus der Zeit gefallen

Große Mehrheit der Deutschen lehnt die staatlich erhobenen Abgaben ab. Das ist keine Überraschung.
Symbolbild Kirchensteuer
Foto: IMAGO/Christian Ohde (www.imago-images.de) | Eine erdrückende Mehrheit der Deutschen sieht die Kirchensteuer als nicht mehr zeitgemäß an.

Das niederschmetternde Ergebnis für die Kirche lässt sich in einem Satz wiedergeben: „Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland finden die Kirchensteuer nicht mehr zeitgemäß.“ Dieser Satz steht wörtlich am Beginn einer Meldung der Deutschen Presseagentur (dpa) vom gestrigen Sonntag. Die Zahl ergab sich aus einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur durchgeführt hatte. Deutlicher kann eine Ablehnung nicht ausfallen. Selbst wenn es sich nicht um ein Plebiszit mit Rechtsfolgen handelt, sollten bei der Kirche die Alarmglocken Sturm läuten. Eine solche Ablehnung wird nicht ohne Folgen bleiben.

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Zwei alte und immer neue Rekorde

Nur wenige Wochen vor dem Bekanntwerden dieses Ausmaßes an Ablehnung der gegenwärtigen Kirchenfinanzierung meldete die Deutsche Bischofskonferenz zwei Rekorde. Die Zahl der Ausgetretenen erreichte 2022 mit mehr als einer halben Million einen traurigen Spitzenwert. Zeitgleich wurden mit 6,8 Milliarden Euro wurden zumindest nominell so viel – von der mehrheitlich abgelehnten – Kirchensteuer eingenommen wie nie zuvor. Das scheint absurd, ist aber demographisch und fiskalisch leicht zu erklären. Um der scheinbaren Absurdität eine weitere Spitze zu verleihen, erklärten in der aktuellen Umfrage 43 Prozent der Befragten, das Zahlen der Kirchensteuer könne auch sie zum Austritt bewegen. Doch genau hier liegt der Schlüssel zum Verstehen. Wer weniger als 11000 Euro im Jahr verdient, zahlt gar keine Kirchensteuer. Danach steigt die Kirchensteuer sehr moderat an. Mit einem Monatsverdienst von 4000 Euro zahlt man mit Steuerklasse I rund 50 Euro Kirchensteuer im Monat. Es gibt Schätzungen, die davon ausgehen, dass ungefähr zehn Prozent der Kirchensteuerzahler in etwa 50 Prozent des Kirchensteueraufkommens beisteuern. Auf Grund der progressiven Einkommenssteuer ist das plausibel.

Mit diesen Zahlen und mit der Erkenntnis, dass diejenigen, die in großer Zahl aus der Kirche austreten, keine Kirchensteuer zahlen oder zumindest bis zu ihrem Austritt keine gezahlt haben, stellt sich die Ablehnung der Kirchensteuer schon einmal ganz anders dar. Dazu kommt noch, dass inzwischen über 50 Prozent der Bundesbürger keiner der großen Kirchen mehr angehören, was der Ablehnung ebenfalls einen gehörigen Spin gegeben haben dürfte. Will man die Relevanz der Zahlen ernsthaft bewerten, gibt es zudem zwei andere Zahlen, die man miteinander in Relation bringen muss. Von den Befragten, die sich als Christen bezeichneten, gaben 18 Prozent an, keine Gründe für einen Kirchenaustritt zu sehen. Das ist mehr als die vierfache Anzahl derer, die, evangelisch oder katholisch, wöchentlich einen Gottesdienst besuchen. Diese Zahl sollte Erstaunen und vor allem Nachdenken bei den Verantwortlichen in der Kirche auslösen.

Einstieg in den Ausstieg wäre gut

Dass eine vom Staat erhobene Kirchensteuer in einer sich immer weiter säkularisierenden Welt ein Auslaufmodell ist, aus dem man schnellstmöglich aussteigen sollte, ist eine Binsenweisheit. Dass die Zivilgesellschaft bei sofortigem Wegfall vor schwer bis kaum lösbaren Herausforderungen vor allem im sozialen Bereich stünde, kann niemand ernsthaft bestreiten. Insofern sollten sowohl der Staat, der nicht von ungefähr an der Kirchensteuer festhält, als auch die Kirche möglichst zügig und am besten gemeinsam nach zeitgemäßen Alternativen suchen. Für die Kirche, hier konkret für die Bischöfe, hält die Umfrage eine weitere Denkaufgabe bereit. Warum beinahe jeder Fünfte laut Umfrage zwar auf keinen Fall aus der Kirche austreten will und warum zugleich die erdrückende Mehrheit dieser treuen Seelen im Alltag der Kirche komplett unsichtbar bleibt, ist begründungspflichtig.

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