Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf hat sich in die Diskussion um eine potenzielle Konklave-Reform eingeschaltet. In einem Gastbeitrag für das Online-Portal „katholisch.de“ unterbreitet er mehrere Vorschläge, die seiner Ansicht nach die Legitimität eines neu zu wählenden Papstes stärken könnten beziehungsweise eine sichere und dauerhafte Wahl ermöglichen würden.
Zwei-Drittel-Mehrheit vollumfänglich wiederherstellen
Wolf plädiert zum einen dafür, die alte Zwei-Drittel-Mehrheit für eine gültige Papstwahl in vollem Umfang wiederherzustellen. Nach Auffassung des Kirchenhistorikers garantierte sie „in der Regel die allgemeine Akzeptanz des mit diesem hohen Quorum gewählten Kandidaten und ließ Verschwörungstheoretiker ins Leere laufen“. Der 61-Jährige weist darauf hin, dass Johannes Paul II. in seiner Papstwahlordnung von 1996 festgelegt hatte, „dass die Kardinäle nach elf Tagen und 34 erfolglosen Wahlgängen beschließen können, den Papst ab dem 35. Wahlgang nur noch mit absoluter Mehrheit zu wählen“.
Wolf schreibt in seinem Beitrag, dass die uneingeschränkte Zwei-Drittel-Mehrheit allen Spekulationen den Grund entziehen und dem Gewählten gerade in Zeiten von Verschwörungstheorien und Fake News eine sehr hohe Legitimität geben würde. „Deshalb sollte Franziskus dringend zu dieser bewährten Regelung zurückkehren.“
Zudem plädiert Wolf dafür, das in früheren Jahrhunderten praktizierte Modell der Wahl „per compromissum“, die sogenannte „Kompromisswahl“, wiedereinzuführen. „Die Kardinäle wählten immer dann, wenn eine Papstwahl sich hinzog und schwierig zu werden drohte, fünf oder sieben ihrer Kollegen und übertrugen diesen das Wahlrecht. Diese sollten möglichst einmütig einen Papst wählen oder zumindest einen solchen vorschlagen, den dann das ganze Konklave formell noch per Stimmzettelwahl bestätigte“. Diese Wahlform hätte Johannes Paul II. „ohne überzeugende Argumente ersatzlos gestrichen“, bemängelt der Kirchenhistoriker.
Braucht der Papst eine Patientenverfügung?
Darüber hinaus müsse nach Ansicht Wolfs das Thema einer päpstlichen Generalvollmacht oder entsprechenden Patientenverfügung geklärt werden. Der Theologe erinnert an die Darmoperation von Papst Franziskus Anfang Juli und wirft die Frage auf: „Was wäre geschehen, wenn Franziskus nach seiner Operation ins Koma gefallen und daraus über Monate und Jahre nicht wiedererwacht wäre?“ Niemand in der Kirche hätte nach geltendem Kirchenrecht den offensichtlich amtsunfähigen Papst für nicht mehr geschäftsfähig oder den Stuhl Petri für vakant erklären können, um eine Neuwahl zu ermöglichen, betont Wolf. „Eine solche Hängepartie würde zu einer wirklichen Krise der katholischen Kirche führen. Niemand wüsste mehr, wer das Sagen hat und wer nicht.“ Hier schlüge nach Ansicht Wolfs „wirklich die Stunde katholischer Verschwörungstheoretiker und Verquerdenker“. Daher sollte Franziskus „rasch und eindeutig klären, wer, in welchem Verfahren und unter Vorliegen welcher Kriterien einen Papst für amtsunfähig erklären kann oder sogar muss“. DT/mlu
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