Der bekannte Autor und im amerikanischen Villanova lehrende Theologe und Religionswissenschaftler Massimo Faggioli hat in einem international beachteten Aufsatz, der zuerst in „La Croix International“ erschienen ist, den Vorschlag gemacht, dass Papst Franziskus unbedingt die Regeln des Konklaves ändern müsse. Auch der italienische Kirchenhistoriker Alberto Melloni hatte sich vorher schon mit Vorschlägen an die Öffentlichkeit gewandt, wie Franziskus die kommende Papstwahl modifizieren müsse. Beide, Melloni und Faggioli, und die „Schule von Bologna“ insgesamt, die das Zweite Vatikanum nach der Hermeneutik des Bruchs interpretiert, scheint das mulmige Gefühl umzutreiben, dass der Nachfolger des amtierenden Papstes einen ganz anderen Kurs einschlagen könnte als Franziskus.
Die Papstwähler kennen sich nicht mehr
Faggioli fürchtet vor allem „katholische Influencer“, die in den klassischen wie in den digitalen Medien und sozialen Netzwerken einen bedeutend höheren Einfluss haben als noch in den Konklaven von 2005 und 2013. Auch sieht er die Gefahr, dass Franziskus seit dem Konsistorium vom Februar 2014 kein einziges Mal mehr mit den Kardinälen der Weltkirche zum Austausch und Gespräch zusammengekommen ist. Die Papstwähler würden sich heute überhaupt nicht mehr kennen, da der Jesuiten-Papst den „roten Senat“ nicht nur kräftigt erneuert, sondern auch durch Persönlichkeiten aus den Randgebieten der Kirche ergänzt hat. Also müsste eine von Medieneinflüssen streng abgeschirmte Klausur vor dem Konklave verlängert und den Kardinälen auch während des Konklave mehr Gelegenheit gegeben werden, sich persönlich kennenzulernen und zu beraten.
Dass ein Papst das Wahlverfahren eines Konklaves ändern soll, weil er in seiner Amtszeit die Kirche nicht mit dem Kollegium der Kardinäle, sondern alleine und mit einem engen Beraterkreis geführt hat, klingt nach der Behebung eines Notfalls. Denn jährliche Konsistorien mit einer freien Aussprache wären etwas Normales. Aber das jetzt überhaupt über das kommende Konklave gesprochen und Franziskus gedrängt wird, beim Regelwerk zur Findung seines Nachfolgers einige Notbremsen zu ziehen, hat den Geruch des „fine papato“, des Endes eines Pontifikats. Dabei rutscht die Kirche jetzt in eine Wendezeit: Mit dem Prozess gegen das Staatssekretariat ist der Vatikan im Kern aufgewühlt. Im Oktober beginnt ein zweijähriger synodaler Weltprozess, der zwar ein Thema hat: „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission“, das aber eher nach einer Leerformel klingt, die mit allen möglichen Inhalten aufgefüllt werden kann.
Kirche unter Säkularisierungsdruck
Gleichzeitig gerät die Kirche im Westen unter einen immer stärkeren Säkularisierungsdruck. Sie wird als vormodern, nicht aufgeklärt, als zu dogmatisch und männerorientiert ausgegrenzt und in ein Ghetto gedrängt. Der Versuch in Deutschland, dem mit dem Synodalen Weg ein neues Kirchenbild entgegenzusetzen, ist bekannt. Auch die Kirche Italiens macht sich auf einen synodalen Weg, in Australien beginnt zeitgleich mit dem synodalen Weltprozess ein Partikularkonzil. Werden solche nationalen Wege in diesen Weltprozess integriert? Statt an den Regeln eines kommenden Konklaves herumzudoktern, um zu verhindern, dass jemand anderes als ein Franziskus II. Papst werden könnte, braucht es jetzt, vor der nächsten Papstwahl, ein starkes römisches Zentrum, dass die Fliehkräfte auszugleichen vermag.
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