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Vertrauen in den Barmherzigen

Eigentlich kann man nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. Start einer alle zwei Wochen erscheinenden Reihe über den Glauben im Alltag. Gott ist Barmherzig.
Flugzeug im Sturm
Foto: Julian Stratenschulte (dpa) | Ein Flugzeug im Sturm: Wenn mir in diesem Moment jemand zugeraunt hätte: „Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand“, dann hätte ich ihm wahrscheinlich eine gedonnert.

Kürzlich habe ich einen alten, frommen Mann besucht, der ein großes Grundstück mit einem großen Tor besitzt. Dazu gibt es einen weiteren, kleineren Eingang, der von meinem Freund etwas scherzhaft als „Katzenklappe“ bezeichnet wird. Als ich zu Besuch war, war das große Tor kaputt. Es hatte sich oben aus seiner Verankerung gelöst und dabei verzogen. „Das macht nichts“, sagte mein Freund, „das Tor ist schon länger kaputt. Komm am besten durch die Katzenklappe rein!“

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Viel Gebet

Ich kenne kaum einen Menschen, der so viel betet und für Gott aufopfert und dabei auch noch für die Anliegen anderer Menschen vor Gott eintritt wie jener Mann. Als er mich wieder zur Haustür brachte, warf er einen Blick auf sein großes, kaputtes Eingangstor und sagte: „Da bin ich mal gespannt, was der Herrgott sich noch einfallen lässt, um dieses Tor wieder in Ordnung zu bringen!“ Ich weiß noch, dass ich mich ein wenig über diese Aussage ärgerte. Der Mann hätte genug Geld, um Handwerker zu beauftragen. Stattdessen wartet er aber lieber darauf, dass Gott das irgendwie regelt? Ein bisschen neidisch war ich aber auch. Wie groß muss sein Gottvertrauen sein, wenn es ihm so viel Gelassenheit schenkt, dass er schon seit über einem Jahr mit einem kaputten Tor vor seinem Haus leben kann?

Wenn mir in diesem Moment jemand zugeraunt hätte: „
Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand“,
dann hätte ich ihm wahrscheinlich eine gedonnert.

Wie ein Kind

Wie kümmerlich dagegen mein Gottvertrauen ist, bemerkte ich, als ich einmal im Landeanflug in einen Orkan geriet und der Flieger ordentlich durchgeschüttelt wurde. Ich kam aus Rom, hatte am Tag vor dem Flug sogar im Petersdom gebeichtet. Wenn das jetzt das Ende wäre, wäre ich perfekt vorbereitet gewesen. War ich aber nicht. Wie ein Kind krallte ich mich am Rosenkranz und an meinem Leben fest. Wenn mir in diesem Moment jemand zugeraunt hätte: „Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand“, dann hätte ich ihm wahrscheinlich eine gedonnert. Der Typ Petrus, der an Land große Reden schwingt und dem Herrn großspurig auf dem Wasser entgegenlaufen will, dann aber kläglich versinkt und wie ein Baby um Hilfe ruft, kommt mir sehr bekannt vor.

Gott vertrauen 

Das Flugzeug und das kaputte Tor: Beides hat irgendwie mit Gottvertrauen zu tun. Der Unterschied? Beim Gartentor kann Gottvertrauen leicht zu einem Vorwand werden, um der eigenen Verantwortung zu entfliehen. Ich kenne ledige Freunde, die „ganz im Gottvertrauen“ zuhause sitzen und hoffen, dass „der Herr“ ihnen die (genau beschriebene) Traumfrau zusammen mit der Post vor die Tür bringt.

Manchmal reden wir uns unsere Trägheit, unsere Feigheit, unseren falschen Stolz und auch unseren Geiz damit schön, dass wir doch nur „Gottvertrauen“ haben. Dann jedoch haben wir ein fragwürdiges Gottesbild. Helfen kann da ein Mann, der einst von einem ähnlichen Gottesbild angetrieben war und dabei versehentlich eine neue Kirche gründete. Er soll gesagt haben: „Bete so, als ob alles Arbeiten nichts hilft. Und arbeite so, als ob alles Beten nichts hilft.“ Dieses Zitat wird Martin Luther zugeschrieben und ist eine gute Richtschnur.

Gott ist barmherzig

Gottvertrauen braucht es in unvermeidbaren Situationen: Eine schwere Krankheit, der plötzliche Job-Verlust, Umweltkatastrophen, vermeintlich abstürzende Flugzeuge.

Doch das Faszinierende ist: Gott lässt mich nie im Stich, auch nicht in den schlimmen Situationen, in die ich mich durch eigenes Verschulden gebracht habe. Gott ist nicht nur gerecht, sondern auch barmherzig. Und ein aufrichtiges Herz gewinnt am Ende immer. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob mein frommer Freund nicht doch noch Recht behält und durch ein Wunder sein Tor repariert wird.


Dieser Artikel gehört zu Serie Glauben im Alltag.

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