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Impfregister: Unterwegs in den Überwachungsstaat?

Warum ein Impfregister gar nicht so unproblematisch ist, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint.
Spritze gesteckt in Impfampulle
Foto: Marcus Brandt (dpa) | Das diskutierte Impfregister könnte ein weiterer Schritt zum „gläsernen Bürger“ sein.

Staatliche Zählungen und Register gibt es schon seit biblischen Zeiten. Doch wenn im Zeitalter der digitalen Transformation Rufe nach einem Impfregister laut werden, ist das eine andere Sache. So warnte vor einigen Jahren Frank Schirrmacher davor, „dass eine Gesellschaft sich in eine Falle begibt, aus der sie nicht mehr herauskommt“. Gilt dieses Wort des 2014 verstorbenen Journalisten nicht auch angesichts der jetzt drohenden Überschreitung der hohen Schwelle hin zu einer allgemeinen oder altersgebundenen „Pflicht“ zur Corona-Impfung, durchzuführen gegen die eigene Überzeugung? Sie könnte sich als Türöffner für problematische gesellschaftliche Entwicklungen, namentlich auch für weiterführende Maßnahmen und kaum absehbare Folgen erweisen.

Zu denken wäre hierbei eben an ein digitales Impfregister. Das könnte es zum Aufspüren der Minderheit noch Ungeimpfter einerseits zentral als staatliches geben, andererseits genauso in Gestalt dezentraler, kommunaler Register. In beiden Fällen aber würde die Kombination von Adresse und Gesundheitsstatus datenschutzrechtliche Probleme aufwerfen. Das scheint die Befürworter einer Impfpflicht freilich nicht sonderlich zu besorgen – leben wir doch längst in einer Kultur der Digitalisierung, in der man sich an eine Erosion des Datenschutzes ungeachtet der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung zunehmend zu gewöhnen scheint.

Größter Datensammler: Der Staat

Man denke nur an die massiven Daten-Zugriffe und deren Verwertungen durch international agierende Konzerne einerseits und durch Geheimdienste andererseits. „Der Staat ist einer der größten Datensammler und -nutzer unserer Zeit“, bemerkten schon vor einem Jahrzehnt Markus Beckedahl und Falk Lüke in ihrem Buch „Die digitalisierte Gesellschaft: Netzpolitik, Bürgerrecht und die Machtfrage“. Und 2014 bestätigte dies das Buch „Digitale Diktatur. Totalüberwachung – Datenmissbrauch – Cyberkrieg“ von Stefan Aust und Thomas Ammann auf dem Hintergrund der Enthüllungen Edward Snowdens. Vielleicht regt all das die Menschen insofern relativ wenig auf, als sie die allenthalben – auch über die digitalisierte Infrastruktur – stattfindende Datengrabscherei kaum näher mitbekommen.

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Dabei ist nicht zuletzt der Gesundheitssektor von dieser Problematik betroffen. Zu denken wäre hier an die elektronische Gesundheitskarte – und an die einstige Pressemeldung: „12 Millionen Patientendaten gehackt“! Der Datenschutz wäre im Falle eines Impfregisters eben nicht zuletzt aufgrund mangelnder Datensicherheit beeinträchtigt. Zwar pocht der Deutsche Ethikrat auf ein „datensicheres nationales Impfregister“ – doch dabei wird verkannt, dass zahlreiche Cyber-Attacken besonders im letzten Jahr weltweit illustriert haben: Es gibt „Datensicherheit“ im Vollsinn kaum mehr! Umso berechtigter war die Warnung von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, dass mit einem Impfregister der Zugriff auf weitere Informationen möglich werde. Vor der Zumutung eines Impfregisters warnte auch Baden-Württembergs Datenschutzbeauftragter Stefan Brink: Selbst wenn juristisch nichts gegen ein nationales Register spräche, würde es doch bei vielen das Gefühl staatlicher Gängelung verstärken und so womöglich die innere Impfbereitschaft weiter mindern. Doch er wird im „Ländle“ offenbar nicht gehört: Schon will Gesundheitsminister Manne Lucha ein Modellprojekt fürs Impfregister erproben lassen; er zeigt sich ganz im Sinne von Ministerpräsident Winfried Kretschmann überzeugt, ein solches Register sei „ein wichtiges Element der Verwaltungsmodernisierung und durch die Möglichkeit der Verknüpfung mit digitalen Patientenakten ein zentraler Baustein zur Digitalisierung des Gesundheitswesens“.

Nummeriert und greifbar

Führt das Ganze mit der Zeit womöglich zu einer Verschmelzung von digitalem Impfpass und Personalausweis – und zwar dauerhaft? Das entspricht den Überlegungen von Patrick Hennig, dem Geschäftsführer der die Luca-App betreibenden Culture4Life GmbH, laut einem Interview vom Januar. Dies wäre allerdings ein deutlicher Schritt weiter in Richtung Überwachungsstaat. Unschwer wohl würden Bedenken von Datenschützern abgewiesen – mit der Begründung, eine Impfpflicht sei eben nicht anders umzusetzen und jetzt schon mal sicherheitshalber „auf Vorrat“ zu beschließen.

Von einem solchen Parlamentsbeschluss aus wäre es vielleicht nicht mehr weit zum freiwillig oder schließlich gar verpflichtend implantierten Identitäts-Chip. In Deutschland vertrat ein Beitrag in einer führenden Tageszeitung kürzlich genau diese Ansicht, bei der Impfpflicht führe kein Weg mehr am implantierten Chip vorbei. Und während davor warnende Stimmen nicht ausbleiben, werden die technischen Voraussetzungen für eine solche Verchippung immer günstiger.

Kurz und gar nicht gut: Ein Impfregister wäre wahrscheinlich integrierender Bestandteil einer Impfpflicht – und als solches bei aller vorgeschobenen Nützlichkeit ebenso problematisch wie dieser tiefe Grundrechtseingriff selbst. Und wenn eine Impfpflicht abgesehen von extremen Ausnahmesituationen eigentlich obsolet sein sollte, verbietet sich auch ein amtliches Impfregister mit all seinen Ambivalenzen. Zu Recht hatte Hans A. Pestalozzi schon vor Jahren gewarnt: „Was heißt denn das für den einzelnen Menschen, nummeriert, registriert, kontrolliert, ‚greifbar‘, ‚erfassbar‘ zu sein? Ist das nicht bereits ein wesentlicher Teil jenes Totalitarismus, gegen den wir im Zweiten Weltkrieg mobilisiert hatten und gegen den wir auch heute angeblich unsere Armee unterhalten und immer noch mehr aufrüsten müssen?“ Wäre das nicht – so Pestalozzi weiter – ein wesentlicher Teil jenes Polizeistaates, an dessen Ende die Horrorvision des total überwachenden und total überwachten Staates stünde? Mit dem Philosophen Gernot Böhme bleibt festzuhalten: Mündiger Bürger ist, wer seine „Freiheit gegenüber dem Zugriff der Datensysteme“ zu behaupten weiß. Und das gilt auch mit Blick auf die von Martin Luther propagierte Freiheit eines mündigen Christenmenschen.

Dr. theol. habil. Werner Thiede ist apl. Professor für Systematische Theologie (Universität Erlangen-Nürnberg), Pfarrer i.R. und Publizist.

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