279 Tage saß der schwäbische IT-Unternehmer und Gründer der „Querdenken“-Bewegung Michael Ballweg wegen des Vorwurfs des Betrugs und der Geldwäsche in Untersuchungshaft. Das allein ist schon schwer vermittelbar, wenn man bedenkt, dass in Deutschland regelmäßig mutmaßliche Vergewaltiger und Gewalttäter bis zum Urteil auf freien Fuß gesetzt werden. Untersuchungshaft wird in Deutschland nämlich üblicherweise nur bei Flucht- oder Verdunkelungsgefahr angeordnet. Da man bei Ballwegs Verhaftung am 29. Juli 2022 aber alle Unterlagen inklusive seines gesamten Vermögens beschlagnahmt hatte, dürfte höchstens die Sorge bestanden haben, dass er sich ins Ausland absetzt. Schwer vorstellbar, dass zu diesem Zweck nicht auch der Entzug der Reisedokumente und eine elektronische Fußfessel ausreichend gewesen wären.
Mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 31. Juli 2025 ist nun aber klar: Ballweg ist in der Hauptsache unschuldig. So wurde er vom Vorwurf des versuchten Betrugs freigesprochen. Dennoch erging ein Schuldspruch, der jedoch die Eigenart hat, den Verurteilten sogar noch unschuldiger aussehen zu lassen. Denn Ballweg wurden zwei Fälle vollendeter Steuerhinterziehung über 11,42 Euro (für eine Hundematte) und 8,11 Euro (für Parfümzerstäuber) nachgewiesen. Die Umsatzsteuer hätte er laut Gericht nicht über seine Firma abrechnen dürfen. Gnade Gott beziehungsweise die deutsche Steuerfahndung allen Selbständigen der Bundesrepublik, wenn dies Schule macht. Alle Hoffnungen auf die Einstellung eines Verfahrens wegen Geringfügigkeit wären dahin.
Demütigende Schikanen
Geradezu kafkaesk mutet der Vorwurf der Steuerhinterziehung in folgender Hinsicht an: So wurde Ballweg unter anderem zum Vorwurf gemacht, seine Steuererklärung aus der U-Haft (!) heraus nicht rechtzeitig eingereicht zu haben. In einem Interview mit „NIUS“ berichtet der „Querdenker“-Gründer zudem von demütigenden Schikanen, die man sich in einem funktionierenden Rechtsstaat kaum vorstellen kann. So habe der Haftrichter darauf bestanden, dass er während seines Aktenstudiums mit einer Hand an den Tisch gefesselt bleibe.
Was Michael Ballweg widerfahren ist, ist nicht nur auf der individuell-persönlichen Ebene ein Skandal, der jeden Menschen mit Gerechtigkeitssinn empören muss. Letztlich wird man das Verfahren gegen Ballweg nämlich als einen politischen Prozess gegen einen unbequemen Bürger deuten müssen.
Die Staatsanwaltschaft ist bis auf die Knochen blamiert
Die Anklageschrift und die Beweislage waren derart schwach, dass die Zehnte Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts eine Eröffnung des Verfahrens wegen Betrugs zunächst ablehnte. Erst auf eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin ließ das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart dann im Januar 2024 das Verfahren zu. Das Gericht schlug dann sogar noch die Einstellung des Verfahrens vor, doch die Staatsanwaltschaft ließ nicht locker – und ist nach dem erfolgten Urteil bis auf die Knochen blamiert.
Besonders im Fokus stand der Staatsanwalt Christian Schnabel, der Ballweg nicht nur den Handschlag verweigerte, sondern von dem im Laufe des Prozesses bekannt wurde, dass er aktives Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen ist. Einem Bericht des „Overton“-Magazins zufolge sollen sich die Grünen in Schnabels Heimatort Ditzingen sogar an Anti-Querdenken-Demos („Unsere Stadt hat Querdenken satt“) beteiligt haben. Nachdem diese Zusammenhänge öffentlich geworden waren, wurde Schnabel Anfang März 2025 kommentarlos vom Verfahren abgezogen.
Invertierung des Rechtsstaats
Wer ohne verklärenden „Alle-halb-so-wild“-Blick an die Corona-Zeit zurückdenkt, wird sich erinnern, wie die Politik und die Leitmedien gegen all jene vorgingen, die Kritik an den Einschränkungen der Grundrechte äußerten: Wer zu einer Stuttgarter „Querdenken711“-Demonstration oder einem ihrer Ableger im Bundesgebiet ging, war schnell als „Schwurbler“, „Aluhutträger“ oder „Verschwörungstheoretiker“ verschrien oder galt gar gleich als „rechts“. So warnte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann schon im November 2020 vor einer zunehmenden Radikalisierung der „Querdenken“-Bewegung und erstarkenden rechtsradikalen Kräften in ihr.
Eine heute schon gewohnt unrühmliche Rolle spielte auch Jan Böhmermann. Ende 2020 verhöhnte der gebührenfinanzierte Fernsehmoderator Ballweg als „Corona-Unternehmer des Jahres“ und unterstellte ihm, sich unrechtmäßig an der Protestbewegung zu bereichern – und damit genau das, was dann auch die Staatsanwaltschaft bis zuletzt faktenwidrig durchboxen wollte. Tatsächlich soll diversen Medienberichten zufolge als Reaktion auf die Böhmermann-Sendung eine Flut an denunzierenden Mails an das Stuttgarter Finanzamt verschickt worden sein.
Nimmt man all diese Punkte zusammen, so erweist sich der Fall Ballweg als ein erschütterndes Beispiel für die Aushöhlung, ja Invertierung des Rechtsstaates: Medien, Politik und Justiz haben hier auf sinistere Weise zusammengewirkt, um das Leben und den Ruf eines Unschuldigen zu ruinieren – offensichtlich in der Absicht, eine unliebsame Protestbewegung zu delegitimieren. Es ist nur ein schwacher Trost, dass das Gericht Ballweg schließlich doch freigesprochen hat. Denn die mediale und juristische Tortur, die der zu Unrecht Angeklagte über sich ergehen lassen musste, dürfte zweifellos eine immense abschreckende Wirkung auf mögliche Nachahmer entfalten.
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