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Wer repräsentiert Christus?

Zum Synodalforum „Priesterliche Existenz heute“.
„Priesterliche Existenz heute“
Foto: imago stock&people (imago stock&people)

Die Frage, wer Christus im Leben der Kirche repräsentiert, verbindet den Grundtext des Synodalforums II zur „Priesterlichen Existenz heute“ mit dem Handlungstext des Synodalforums III „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“, der für ein „Diakonat der Frau“ plädiert. Zum einen geht es also um die Unterscheidung zwischen einer „gemeinsamen Christusrepräsentanz der Getauften“ und der besonderen „Christusrepräsentanz des Priesters“, ganz auf der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils, das nach Jahrhunderten konfessioneller Abgrenzung die Überzeugung vom „allgemeinen Priestertum aller Gläubigen“ positiv aufgegriffen hat (SC 14; LG 9-10).

Zum anderen geht es, auf diesem Gedanken weiterbauend, um die mögliche Zulassung von Frauen zum Weihesakrament, die bisher vom Lehramt mit dem Argument einer „natürlichen Ähnlichkeit“ des Mannes zu Jesus Christus als Voraussetzung der Repräsentanz ausgeschlossen wird.
Insofern hängt von den fachtheologischen Überlegungen zur „Christusrepräsentanz“ sehr viel für den weiteren Verlauf der Debatten um eine notwendige Selbstvergewisserung des Weiheamtes ab, die im Zuge der Missbrauchskrise und der Aufarbeitung ihrer systemischen Faktoren notwendig geworden ist.

Repräsentanz als Identifikation in bleibender Differenz

Der Grundtext des Synodalforums II ringt spürbar um eine Zuordnung von allgemeinem und besonderem Priestertum, die nicht auf eine Unterordnung hinausläuft: „Die Christusrepräsentanz, die sich aus der Taufe ergibt, wird durch die Priesterweihe nicht gesteigert“, sie verleiht „keine größere Würde oder Heiligkeit“, sie darf sich nicht selbst „mit der Stimme Gottes verwechseln oder von Gläubigen damit verwechselt“ werden.
Repräsentanz meint also nicht Identität, sondern Identifikation in bleibender Differenz. Zugleich betont der Text: „Der geweihte Priester hat eine prophetische Aufgabe, den Maßstab des Evangeliums … auch korrigierend zur Sprache zu bringen und in seinem sakramentalen Handeln deutlich zu machen.“

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Das Amt ist nicht die Ausübung einer Funktion, sondern „ein spezifischer Auftrag“ durch Jesus Christus selbst und unterscheidet deshalb den Amtsträger, wie das Konzil sagt, „dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“ (LG 10) vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen. Dieser Unterschied zeigt sich besonders „in der Spendung der ihm vorbehaltenen Sakramente, besonders innerhalb der Eucharistiefeier“, ebenso in der „gesamten priesterlichen Existenz“, die durch ein Leben im Gebet und durch die Versprechen der Armut, der Ehelosigkeit und des Gehorsams definiert wird.

Doch worin gründet nun der wesentliche Unterschied des Priesters gegenüber allen anderen Getauften? Ist es lediglich die Vollmacht, bestimmte, ihm allein „vorbehaltene Sakramente“ zu spenden? Oder der „Dienst am Volk Gottes“, also sein pastorales Engagement?
Zu wenig spricht der Text von der Berufung des Priesters durch Jesus Christus selbst, deren Authentizität von der Kirche geprüft wird, und von der Ausschließlichkeit seiner Bindung an ihn.

Um die Sakramentalität des Priestertums überzeugend darzulegen, müsste der Text dessen theologische Grundlage im Wort Gottes, in der Beziehung zu Christus, in der exklusiven Bindung an ihn bis in die leibliche Existenz hinein, als Fortschreibung der Inkarnation Gottes in Welt und Geschichte stärker zur Sprache bringen. Dem Vorbehalt, dass damit das besondere Priestertum ja wieder überhöht und der Gefahr des Machtmissbrauchs ausgesetzt würde, wird man damit begegnen müssen, dass man den im Text schon angelegten Dienst-Gedanken vertieft: „Der Priester dient Christus und dem Volk Gottes, indem er sich selbst zurücknimmt.“ Dieses Sich-Zurücknehmen bleibt rein appellativ, wenn es nicht im Sich-Zurücknehmen Jesu Christi, in seiner Kenosis (Phil 2,6-11), begründet wird.

„Das Amt ist nicht die Ausübung einer Funktion,
sondern ,ein spezifischer Auftrag‘ durch Jesus Christus selbst“

Der priesterliche Dienst ist stellvertretender, eben: repräsentativer, amtlich ein für allemal verliehener, aber personal stets neu zu realisierender Dienst in der Nachfolge Christi, der dem Priestertum aller Gläubigen zugute kommt, es inspiriert, anleitet und ihm gerade so dient.

Der sakramentale „Dienst“ steht auch im Fokus des Handlungstextes zum „Diakonat der Frau.“ Das Faktum, dass sich viele Frauen in diakonischen Aufgaben der Kirche einbringen, die von Papst Benedikt XVI. 2009 im Motu proprio „Omnium in mentem“ eröffnete Möglichkeit, die sakramentale Repräsentanz Jesu Christi im Diakonat als „in persona Christi Servi“ zu unterscheiden von seiner Repräsentanz im Priestertum als „in persona Christi Capitis“, sowie die allgemeine Gleichstellung von Mann und Frau im demokratischen Staat ergeben ein ganzes Bündel von Argumenten, die den bisher geltenden Ausschluss der Frauen vom Weiheamt kritisch hinterfragen. Was lässt sich darauf antworten?

Dass Frauen bereits jetzt auf vielfältige Weise „diakonisch“ tätig sind, ohne ein Weiheamt innezuhaben, zeigt, dass die Weihe weder für Frauen noch für Männer notwendig ist, um in der Kirche tätig zu sein. Vielmehr geht es darum, die je eigene Berufung zu erkennen. Dies gelingt freilich nur im Leben mit und im Hören auf die Kirche, auf das Wort Gottes, auf dem sie in all ihren Vollzügen gründet, und auf dessen lehramtliche Auslegung durch die Geschichte hindurch.

Bindung des Weiheamts an das männliche Geschlecht

Hier liegt ein kontinuierliches Zeugnis für die Bindung des Weiheamtes an das männliche Geschlecht vor – was jedoch keine Abwertung von Frauen oder allgemein von Nicht-Geweihten gegenüber den Geweihten bedeuten kann. Sowohl das Verständnis des Amtes als Dienst als auch die eigenständige Würde und Bedeutung des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen lassen so eine Vermutung unbegründet erscheinen.
Schließlich besteht die Möglichkeit, die Form der Repräsentation Jesu Christi im Diakonat von jener im Priestertum zu unterscheiden, aber das „Haupt-Sein“ und das „Diener-Sein“ bilden zwei komplementäre Aspekte des einen Christus, den man nicht „zerteilen“ kann (1 Kor 1, 13). Daher bieten sie sich auch nicht als Basis für einen Diakonat der Frau an.

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Das gewichtigste Argument des Textes dürfte wohl jenes der rechtlichen Gleichstellung der Geschlechter sein, welcher der Vorbehalt des Weiheamtes für Männer scheinbar diametral entgegengesetzt ist. Hier kann man nicht nur von der Sakramententheologie her argumentieren, sondern muss deren Verstehensvoraussetzungen mitbedenken.

Dazu gehört die Heilige Schrift und ihre typologische Auslegung; ebenso die Schöpfungstheologie und ihre Geschlechteranthropologie. Wenn im Text gesagt wird: „Männer und Frauen repräsentieren Christus in gleicher Weise“, dann kann man das theologisch richtig verstehen in dem Sinne, dass Männer und Frauen durch die Taufe gleichen Anteil an Jesus Christus haben, von ihm mit derselben gnadenhaften Fähigkeit beschenkt sind, ihm gleichförmig zu werden durch Gebet, Hingabe und Streben nach Heiligkeit und seine erlösende Liebe in ihrem Leben in gleicher Weise bezeugen können. Man kann ihn aber auch theologisch falsch verstehen, als ob es „gleich“ wäre, wie Männer und Frauen diese Berufung durch Christus leben.
Ob als gottgeweihte Jungfrau oder Mutter, ob als Vater oder Einsiedler, ob als Ordens- oder Weltpriester – in jeder kirchlichen Lebensform zeigt sich derselbe Christus anders, wird er anders vergegenwärtigt und „repräsentiert“, wird er auch anders vermittelt und erfahren.

Jesus als gesandter „Repräsentant“ Gottes

Gottes Liebe wurde „Fleisch“ durch eine Frau als Mann – so und nicht anders. Die Komplementarität der Geschlechter liegt ebenso wie die Sakramentalität des Amtes in der geschichtlichen Gestalt der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus begründet, die durch keine gesellschaftliche Entwicklung und durch keine noch so schlimme Verfehlung von Amtsträgern rückgängig gemacht werden kann.

Der Jude Jesus aus Nazaret ist der von Gott selbst gesandte „Repräsentant“ Gottes, des Vaters. Alle Formen kirchlicher Repräsentation legitimieren sich von ihm her und gewinnen erst dadurch sakramentale, über sich hinaus verweisende Qualität, so wie Jesus selbst in allem, was er sagt und tut, in seinem ganzen Dasein auf den Vater verweist.

Wer das theologisch unterläuft, „entwirklicht“ die Heilsgeschichte und gerät in die Gefahr der Gnosis, die an der „anstößigen“ Konkretheit des kirchlichen Zeugnisses vorbei zur Erkenntnis Gottes aufsteigen will.

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Manuel Schlögl Benedikt XVI. Diakonie Jesus Christus Priestertum Priesterweihe Zweites Vatikanisches Konzil

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