Ist er der Merz-Beauftragte für die geistig-moralische Wende? Der Kulturstaatsminister sitzt in der Bundesregierung eigentlich bestenfalls auf dem zweiten Rang. Umso bemerkenswerter, dass schon die Spekulation, Wolfram Weimer könne diesen Posten besetzen, Reaktionswellen ausgelöst hat.
Seit Montagmorgen ist es auch offiziell. Der 60-jährige Verleger und Journalist wird Mitglied der Bundesregierung. Seit drei Jahrzehnten zählt er zu den profilierten liberal-konservativen Publizisten der Republik. Als Gründer von „Cicero“, dem „Magazin für politische Kultur“, schrieb er 2004 bundesdeutsche Mediengeschichte, er war Chefredakteur der „Welt“ und von „Focus“. 2012 gründete er zusammen mit seiner Frau Christiane Goetz-Weimer die Weimer Media Group, die unter anderem das Debatten-Magazin „The European“, Deutschlands größtes Mittelstandmagazin „Markt und Mittelstand“, „Business Punk“, und „Börse am Sonntag“ herausgibt.
Schlägt sich die Tendenzwende jetzt machtpolitisch nieder?
Zudem organisiert der Verlag den jährlichen „Ludwig-Erhard-Gipfel“. Das „deutsche Davos“ findet in diesem Jahr ab dem 7. Mai am Tegernsee statt, Friedrich Merz soll dort als neuer Bundeskanzler seinen ersten großen Auftritt haben. Ein Medienpreis wird an Alt-Bundespräsident Joachim Gauck verliehen. Heute gab der Verlag bekannt, dass, nachdem nun Wolfram Weimer in das Kabinett einzieht, seine Frau die alleinige Geschäftsführung der Gruppe übernimmt.
Schon im letzten Jahr hatte Geschichtsprofessor Andreas Rödder, Vordenker der liberalkonservativen Denkfabrik „R21“ und neben Weimer einer der wenigen liberal-konservativen Intellektuellen, die die Republik aufzubieten hat, das Ende der links-grünen Deutungshoheit verkündet. Ist die Personalie Weimer nun ein Beispiel dafür, dass sich diese Tendenzwende auch machtpolitisch niederschlägt? Schon seit Wochen wird die neue Regierung, bevor sie überhaupt im Amt ist, vor allem von rechts beschossen.
Die AfD – der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder erinnerte gerade wieder daran – hat sich die Zerstörung der Union als Langzeitziel auf die Fahnen geschrieben. Die Verunsicherung, die die finanzpolitischen Maßnahmen im bürgerlichen Milieu hervorgerufen haben und die vielfache Enttäuschung über einen vermeintlichen Wahlbetrug durch Friedrich Merz machte sich die Partei geschickt im Verbund mit denen ihr nahestehenden sogenannten „alterativen Medien“ für eine Kampagne dabei zunutze. Ein Resultat sind die sehr guten Werte der AfD, bei einer aktuellen Umfrage von INSA liegt sie mit der Union gleichauf bei 25 Prozent. Ist die Ernennung von Weimar nun der Startschuss für eine Gegenoffensive seitens der Union?
Das Ziel ist klar
Im linken Spektrum scheint man dies offensichtlich so zu sehen. Statt aber darüber froh zu sein, dass die deutschen Christdemokratie ihre Aufgabe als Volkspartei rechts der Mitte wahrnehmen will, übt man sich in Alarmismus. Axel Brüggemann war sich im „Freitag“ nicht zu schade dafür, Weimar gar als „Beauftragten für Geldkultur und den rechten Rand“ zu diskreditieren. FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube hat sich Weimers „konservatives Manifest“ vorgenommen und wie ein Studienrat über der Abiturklausur eines Oberprimaners eine Philippika in roter Tinte verfasst: Da wird dann Weimer vorgehalten, er offenbare in seinem Werk Ahnungslosigkeit über die Geschichte der Renaissance oder habe Novalis falsch gedeutet.
Das Ziel dabei ist klar: Der Kulturstaatsminister soll als kulturlos gebrandmarkt werden. Ein Mann aus der Wirtschaft, eitel, Maßanzug und in der Autorenangabe für sein Buch hat er auch noch seinen Doktortitel eingefügt – über das Klischee kommen diese „Analytiker“ in ihren Schnellschüssen nicht hinweg. Offenbar ist im etablierten deutschen Kulturbetrieb Panik ausgebrochen. Vielleicht auch weil von einem klar marktwirtschaftlich denkenden Staatsminister ein Revirement der bisherigen Subventionspraxis befürchtet wird? Dass jemand, der seit Jahrzehnten publizistisch für Freiheit, Wettbewerb und Soziale Marktwirtschaft eintritt, auch etwas von Kultur verstehen kann, übersteigt offenbar manchen Horizont. Es kann nicht sein, was nicht sein darf – das ist hier die Devise.
Dabei merken diese Kritiker gar nicht, indem sie Weimer zum bösen rechten Kulturkämpfer stilisieren, arbeiten sie sich genau am falschen Feindbild ab. Weimer ist alles andere als ein Exponent der Rechten oder gar der sogenannten „Neuen Rechten“. Vielmehr steht der 60-Jährige für jenen klassischen Konservatismus, der sich erst in der Bundesrepublik so ausgeprägt hat – freiheitlich, westlich, für die Sozial-Marktwirtschaft, pro-europäisch und nicht nationalistisch.
Mit einem Kulturpessimismus à la Oswald Spengler hat Weimer nichts zu tun
Mit einem Kulturpessimismus à la Oswald Spengler oder der „Konservativen Revolution“ hat Weimer nichts am Hut. Statt über den „Untergang des Abendlandes“ zu klagen, setzt er auf die Gestaltungskraft einer freien Bürgergesellschaft, die sich gegen Zentralismus und Kollektivismen aller Art durchsetzen soll. Das steht übrigens auch alles in dem besagten „konservativen Manifest“, das Weimer 2018 veröffentlicht hat. Vielleicht lesen es seine Kritiker nach dieser ersten Aufregung nun einmal etwas gründlicher. So oder so, diese Personalie beweist aber auch grundsätzlich: Es wird in den nächsten Wochen nicht langweilig werden. Der Kampf um die Deutungshoheit über die öffentliche Meinung geht weiter.
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