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Wenn politisches Christentum, dann richtig!

Zweifellos soll das Christentum politisch sein. Wenn es den Bischöfen aber wirklich um die Übereinstimmung von Politik und christlicher Ethik geht, dann müssten sie nicht nur vor der AfD warnen.
AfD-Kundgebung in Nürnberg
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | In Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo dieses Jahr im September gewählt wird, liegt die AfD bei Umfragen deutlich vorne. Jüngst warnten die Bischöfe aller Ost-Bistümer in einem Appell davor, die Partei zu wählen.

Nachdem in den letzten Tagen eine regelrechte mediale Hysterie über ein rechtes „Geheimtreffen“ und dort diskutierte „Geheimpläne“ hunderttausende Menschen – darunter auch Politiker in Regierungsverantwortung – zu Massendemonstrationen „gegen rechts“ auf die Straße getrieben hat, haben inzwischen auch einige Kirchenvertreter in den Chor der Empörten eingestimmt.

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Nicht alles davon ist für Katholiken relevant. Die Netzaktion „Pfarrpersonen gegen rechts“ etwa muss man allein schon wegen des Namens kaum ernst nehmen. Dagegen ist die offizielle Verlautbarung der katholischen Ost-Bischöfe „Eintreten für die Demokratie“ hochbrisant und daher unbedingt beachtenswert.

Deutlicher Aufruf, bestimmte Parteien nicht zu wählen

Denn neben Selbstverständlichkeiten zur Bedeutung von Menschenwürde und Demokratie enthält das Dokument einen deutlichen Aufruf, bestimmte Parteien nicht zu wählen. Auf der politischen Proskriptionsliste der Bischöfe findet sich neben unbedeutenden Splitterparteien auch die AfD, die derzeit nicht nur bundesweit zweitstärkste Partei, sondern vor allem im Osten besonders beliebt ist. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo dieses Jahr im September gewählt wird, liegt die AfD bei Umfragen deutlich vorne. Man kann also davon ausgehen, dass es nicht wenige AfD-Wähler unter den Gläubigen im Osten gibt.

Nun gehört es bekanntlich zu den Kernaufgaben eines kirchlichen Hirten, sich um das Seelenheil der ihm anvertrauten Schafe zu kümmern. Aber gehören auch parteipolitische Statements und Wahlempfehlungen dazu, vor allem angesichts einer Kampagne, die nicht zwischen rechts, rechtsradikal und rechtsextrem unterscheiden kann und will?

Zweifellos ist und soll das Christentum politisch sein. Zum einen gilt nämlich mit Ernst-Wolfgang Böckenförde, dass gerade auch der freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann. Das will heißen, dass es kulturelle und insbesondere auch religiöse Voraussetzungen dafür gibt, dass ein solcher Staat funktioniert. Zum anderen verliert die in Vernunft und Offenbarung gegründete katholischen Moral- und Soziallehre auch in der Parteiendemokratie nicht ihre Geltung. 

Treibt weltliches Gefallenwollen den Klerus zum Politisieren?

Ein biologisch-deterministischer Rassismus, der die Freiheit und Würde des Einzelnen leugnet, kann nur verdammt werden. Ebenso kann der „offen kirchenfeindliche und gottfeindliche“ Kommunismus, wie ihn beispielsweise Papst Pius XI. in „Quadragesimo anno“ (1931) kritisiert hat, keine Option für katholische Christen sein. Aber auch Abtreibung ist ein moralisches Übel, das Katholiken nicht unterstützen können, denn auch in diesem Punkt gibt es eine katholische Kontinuität von der „Zwölfapostellehre“ aus dem ersten Jahrhundert nach Christus bis hin zu Papst Franziskus.

Damit aber sind wir bei der Krux der Sache: Wenn es den Bischöfen wirklich um die Übereinstimmung von Politik und christlicher Ethik geht, dann müssten sie auch vor anderen Parteien warnen, insbesondere der Ampel und der Linken. Solange sie das nicht tun, steht der Vorwurf im Raum, dass nicht die katholische Lehre, nicht die Seelen der Gläubigen, sondern primär weltliches Gefallenwollen den Klerus zum Politisieren treibt.

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