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Vater Scholz und Mutter Kirche

Zwischen den Kanzler und den Kirchentag passt kein Blatt. Das freut beide Seiten, nur die Diskussionskultur bleibt auf der Strecke. Ein Kommentar.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die ZdK-Präsidentin Stetter-Karp
Foto: IMAGO/Jens Schulze (www.imago-images.de) | Dass Scholz mit seinem Respekt-Konzept und die Vorstellungen, die die ZdK-Präsidentin von einer gerechten Gesellschaft hat, nicht weit auseinanderliegen, war nicht wirklich verwunderlich

Es war vielleicht nur ein Versprecher: Als die Schriftstellerin Nora Bossong gerade davor warnte, die Menschen sollten nicht immer nur auf den Staat blicken, sagte sie statt „Vater Staat“ plötzlich „Vater Scholz“. Der Bundeskanzler grinste in bewährter schlumpfiger Art, das Publikum lachte und die ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp machte das, war sie besonders gut kann: Sie sah nachdenklich aus.

Die Situation hätte zum Wendepunkt in dem Gespräch zwischen den Dreien am Freitagvormittag in der Stuttgarter Liederhalle werden können. Hier hätte sich tatsächlich die Aneinanderreihung mehr oder weniger harmloser Statements aus dem rhetorischen Setzkasten in eine Debatte verwandeln können. Doch Bossong insistierte nicht weiter; sie hatte sowieso eine undankbare Rolle. Obwohl die interessanten Sätze von der 40-Jährigen kamen, hatte sie nicht wirklich viel Redezeit, die wurde von den beiden älteren Herrschaften okkupiert, der ZdKPräsidentin und ihrem Kanzler. 

Im Vergleich zu Stetter-Karp hat Scholz PR-Talent

Dass der Sozi-Kanzler mit seinem Respekt-Konzept und die Vorstellungen, die die ZdK-Präsidentin von einer gerechten Gesellschaft hat, nicht weit auseinanderliegen, war nicht wirklich verwunderlich. Als einziger Unterschied zeigte sich lediglich, dass der Kanzler, der ja nicht ohne Grund den Spitznamen „Scholzomat“ trägt, seine Thesen eloquenter und bildreicher vorzutragen wusste.

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Im Vergleich zu Stetter-Karp hat Scholz regelrecht PR-Talente. Er sprach davon, dass jeder Bürger das Gefühl bekommen müsse, es gehe in der Politik auch um ihn. Jeder müsse sich angesprochen fühlen. „Jeder muss sich erkannt fühlen.“ Wahrlich kein origineller Gedanke, aber immerhin so etwas wie eine Mini-Vision. Gerade so klein, dass Scholz noch nicht zum Arzt muss, wohin ein anderer Hamburger Sozi-Kanzler namens Schmidt ja bekanntlich alle diejenigen schicken wollte, die Visionen haben. Aber doch so groß, um zumindest Wortbeiträge beim Katholikentag damit füllen und auch Applaus erhalten zu können.

Immerhin verkörperte Scholz diesen Grundimpuls seiner Politik einigermaßen überzeugend. Und dann aber Stetter-Karp, die Scholz sekundierte, im Grunde das Gleiche sagte, nur im Katholikentagsdeutsch, das draußen im Lande niemand versteht, vor allem die nicht, die angesprochen sind: Es müsse darum gehen, „das Leben zu teilen mit denen, die am Rand sind“.

Die Zeitenwende in der Gesellschaftspolitik kommt nicht zur Sprache

Schließlich bot Stetter-Karp Scholz sogar eine Partnerschaft an (im Namen aller katholischen Laien?), gemeinsam einer drohenden Spaltung der Gesellschaft entgegen zu wirken. Sie dehnte es freilich global aus und forderte mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit. Der Kanzler parierte und stellte mehr Knete denn auch sogleich in Aussicht. 

Gewiss, die „Zeitenwende“, die hier diskutiert wurde, bezog sich aus aktuellem Anlass vor allem auf die Ukraine. Dass die ZdK-Präsidentin aber nicht mit einem Wort die „Zeitenwende“ angesprochen hat, die die Regierung, der sie eine Partnerschaft angeboten hat, in der Familienpolitik und im Lebensschutz plant, ist mehr als bezeichnend. Das schöne Bild von Vater Scholz und Mutter Kirche soll eben keinen Kratzer bekommen. Den hat es aber längst. Denn manchmal dröhnen die nicht gesagten Worte am lautesten.  

Lesen Sie weitere Hintergrundberichte und Reportagen vom Katholikentag in Stuttgart in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".

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Sebastian Sasse Katholikentag 2022 Kirchentage

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