Gott hat die Sehnsucht nach einem gelingenden Leben in uns hineingelegt. Wir können nur heil werden, wenn wir zu ihm zurückkehren!“ Mit diesem Statement vom Münchner Stadtpfarrer Daniel Lerch startet am Freitag der Adoratio-Kongress unter dem Thema „Neue Hoffnung“. „Gebete in hoffnungslosen Situationen sind Schätze für Gott!“, so Lerch, auch mit Blick auf den Priestermangel in Deutschland: Nur sechs Priesterweihen gab es dieses Jahr in den sieben Bistümern Bayerns mit seinen 4.000 Pfarreien. Lerch habe sich angewöhnt, Gott in Krisen schon im Vorfeld dafür zu loben, dass er durch sie hindurchführen wird.
In der St.-Anna-Basilika der Kapuzinermönche findet alles statt, nur 240 Meter entfernt von der berühmten Marienwallfahrtskapelle. 1.800 Teilnehmer kommen im Laufe des Wochenendes. Um die 35 Kinder kümmert sich die Initiative „KISI“ (God’s singing kids). Das Referat für Neuevangelisierung vom Bistum Passau ist Veranstalter von Adoratio, in Kooperation mit den Bistümern Augsburg und Eichstätt.
Gott bringt alles in die richtige Ordnung
Der Eröffnungsmesse steht der Augsburger Weihbischof Florian Wörner vor. Die Band der Gemeinschaft Emmanuel spielt im vordersten Seitenschiff ein Lied nach dem anderen, denn der Einzug dauert. Die Prozession der Priester, Diakone und Messdiener ist halb so lang wie die Basilika. „Ich würde sagen, hier sind wir richtig, wir schauen auf die Mutter der sicheren Hoffnung“, sagt Wörner. Anbetung bedeute zu sagen „Gott, du bist groß und du bist alles, du bist Schöpfer und ich Geschöpf“. Wer anbete, bei dem komme „alles in die richtige Ordnung. Wer in Gott eintaucht, taucht überall da auf, wo seine Talente gebraucht sind“, so der Weihbischof.
Danach ist Abendpause. Auf dem Kirchplatz tauschen Teilnehmer freudige Begrüßungen aus. Dort sieht es fast so aus wie auf dem Christkindlmarkt. Dunkelbraune Holzhütten mit grün-weißen Markisen beherbergen vorne links die Fernsehsender „EWTN“ und „K-TV“ und daneben „Radio Horeb“, welche das ganze Wochenende live übertragen. Nach Angaben des Veranstalters sind „Hunderttausende“ zugeschaltet. Daneben stehen die Gebetsapp „Hallow“, das Magazin „Grandios“, „Kirche in Not“, die Lebensrechtsbewegung „Alfa“ und „Divine Renovation“. Auch die „Focus-Missionare“ machen Werbung. Sie teilen sich eine Holzhütte mit der „Tagespost“.
Als würde er nach der Beichte fliegen
Es dämmert, die lila Beleuchtung scheint aus der Basilika heraus. Gleich beginnt der Barmherzigkeitsabend. „Der Blick, mit dem Gott uns anschaut, ist gewaltig. Gott sieht alles und weiß, wie es wird“, sagt der Passauer Pfarrer Thomas Steinberger zur Einführung. Danach spricht Avid. Der 23-Jährige nahm Drogen, sein Freund verunglückte im Rausch tödlich. „Dass der Unfall mit Drogen zusammenhing, habe ich jahrelang verleugnet. Die Last wurde immer schwerer“, sagt Avid. In der Kirche ist es still. Über die Gemeinschaft Cenacolo fand er zur Beichte. „Alles ist ans Licht gekommen, ich habe die Liebe Christi durch mein Herz strömen gefühlt“, sagt er über seine Beichte, nach der er sich fühlte, als würde er fliegen. Die Gemeinschaft Cenacolo bedankt sich im Anschluss bei Stefan Oster, dem einzigen Bischof in Deutschland, der sie in den letzten 20 Jahren eingeladen habe. Tosender Applaus folgt. Auf den in der ganzen Kirche verteilten Bildschirmen erscheint in Großaufnahme Bischof Oster, der in der ersten Reihe sitzt und mit Tränen in den Augen schweigend nickt. Lobpreismusik spielt, die Masse der Gläubigen kniet andächtig nieder, als ein Priester ehrfürchtig das Allerheiligste zum Altar trägt.
Am Samstagmorgen bildet sich in der Kirche spontan eine Schlange, um von einem jungen Priester den Primizsegen zu empfangen. Währenddessen singen die Dominikanerinnen von Wettenhausen die Laudes. „Als wir gestern Abend angekommen sind, da hat der halbe Platz sich umgedreht und gesagt, wow, es sind Schwestern da“, berichtet Schwester Columba im Gespräch mit der „Tagespost“. Sie ist seit wenigen Monaten Novizin, zu ihrem weißen Habit trägt sie Sportschuhe von Nike. „Wir haben extra unsere Berufungsflyer eingepackt. Anbetung ist immer ein Ort der Berufung. Ich bin mir sicher, Leute, die die Anbetung suchen, die kann der Herr auch zum geweihten Leben rufen“, so die Dominikanerin.
Bischof Oster macht Mut, Priester zu werden
„Vielleicht spürt der eine oder andere junge Mann hier, dass er angerufen ist“, wendet Bischof Stefan sich am Samstag in der Predigt an junge Männer mit einer möglichen Priesterberufung. Denen wolle er mitgeben: „Lass dich berühren!“ Wer zum Priester berufen sei, für den gebe es keinen erfüllenderen Weg als diesen. 55 Priester sind das Wochenende über da. „Ohne Eucharistie kein Leben, ohne Priester keine Eucharistie. Das heißt, ohne Priester kein Leben“, bedankt Kongress-Organisatorin Ingrid Wagner sich für ihre Präsenz.

„Ich spüre hier, dass ich für die Gemeinschaft mit Gläubigen geschaffen bin. So, wie es eines Tages im Himmel sein wird“, sagt eine Frau aus Dortmund, die zum zweiten Mal zur Adoratio kommt und gerade ein Eis isst. Nachmittags sind Workshops zu Glaubensfragen geplant, zum Beispiel: „Wie wird das Zuhause zu einem Ort der Evangelisierung?“ oder „Warum ist Freundschaft für die Hoffnung notwendig?“.
Der Einbruch des Himmels auf die Erde
„Wir können uns nicht aus Debatten heraushalten. Das schulterklopfende ,Es wird schon’ reicht nicht“, erinnert die Menschenrechtsaktivistin Sophia Kuby. Oder, so die katholische Podcasterin Stefanie Stampfer in Kubys Podiumsdiskussion: „Die Zeit ist vorbei, sich für seinen Glauben zu entschuldigen. Denn die Leute dürsten danach.“ Der Samstag endet mit einer Prozession, schneckenhausförmig um die Gnadenkapelle herum. Dort angekommen, weiht Bischof Oster das Bistum Passau erneut der Muttergottes von Altötting. Am nächsten Morgen feiert der Münchner Erzbischof Kardinal Marx das Pontifikalamt. „Je tiefer wir anbeten, umso mehr sehen wir die Not der Welt und finden die Kraft, etwas dagegen zu tun“, predigt er. Die Eucharistie sei das Herzstück der Kirche; ein Einbruch des Himmels auf die Erde, den nur Gott schenken könne.
„Junge Leute wollen heute geistliches Schwarzbrot statt verdünntes Evangelium. Wir haben hier etwas geschenkt bekommen. Die Gnaden Gottes werden mehr, wenn man sie verschenkt“, ruft Bischof Oster abschließend dazu auf, in den eigenen Pfarreien missionarisch aktiv zu werden. Viele hätten durch sexuellen Missbrauch in der Kirche dramatisches Unheil erlitten. Doch in der Kirche tue sich mehr als in anderen Organisationen, um das aufzuarbeiten. „Damit Erfahrungen wie Adoratio möglich werden. Authentisches Kirche-sein ist eine Heimaterfahrung. Wir sind geborgen bei der Gottesmutter“, so Oster. „Wie schön ist es, katholisch zu sein. Ich wüsste gar nicht, was wir sonst sein sollten.“
Adoratio findet auch vom 3. bis 5. Oktober 2025 in Salzburg statt; in Altötting vom 7. bis 9. Oktober 2026. Mehr Informationen unter https://neuevangelisierung-passau.de/adoratio
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