Vom Bahnhof Wolfsberg aus sieht man die Markuskirche schon. Ruhig liegt sie auf der kleinen Anhöhe, links von ihr das Schloss Wolfsberg, dahinter kommen bald die grünen Kärntner Wälder und Berge. Besucher folgen der schmalen Straße, die sich entlang der beigen Einfamilienhäuser schlängelt, um zur Kirche zu kommen. In der Fußgängerzone ist alles ruhig. Nur nicht an der Markuskirche: Hier parken überall Autos. Der vorderste Parkplatz ist vorsorglich reserviert: „Willkommen, lieber Bischof Josef“, steht auf einem in der Hecke aufgehängten Schild. Neben dem Pfarrhaus wartet die blau-grüne Hüpfburg darauf, aufgeblasen zu werden. Männer und Frauen mit Ordner-Schildern um den Hals laufen emsig umher.
Denn für die Stadtpfarre Wolfsberg ist dieses Wochenende ein ganz besonderes: Zwei Tage lang feiert sie die Barmherzigkeit Gottes. Für alle Generationen sind Vorträge, Gebetszeiten, Messen, Beichtgelegenheiten und gemeinsame Mahlzeiten organisiert. In diesem Jahr sollte zusätzlich die Heiligsprechung von Carlo Acutis gefeiert werden – mit einer Liveübertragung aus Rom. Die 9.000-Mitglieder-Pfarrei verehrt den jungen Seligen sehr: Nicht nur eine Reliquie bewahrt sie seit April 2023 in einem der Seitenaltäre auf, sondern es gibt auch den Gebetskreis „Carlo Acutis“. Die Heiligsprechung steht noch auf den meisten der blau-weißen Flyer, die in und um die Markuskirche herum hängen und von Helfern fleißig verteilt werden, auch, wenn sie durch den Papsttod verschoben wurde. Trotz des spontanen Ausfalls gibt es Programm genug. Pfarrer Christoph Kranicki ist mit zwei anderen Wolfsbergern Hauptorganisator des Barmherzigkeitsfestes. „Das ganze Jahr über bereiten wir vor. Sowohl organisatorisch, als auch spirituell. Dafür gibt es einmal im Monat den Abend der Barmherzigkeit. Mit Anbetung und Beichte. Das ist ein wichtiges Element der Vorbereitung“, sagt er im Gespräch mit der „Tagespost“.
Damit die Menschen Jesus kennenlernen
Am Samstagnachmittag startet das Programm, und zwar mit den Jugendlichen, die am 1. Mai gefirmt werden sollen: Einer nach dem anderen läuft in der Kirche nach vorne zum Altar. Jeder trägt eine Kerze in der Hand. „Die Kerze ist Symbol für ein brennen – des Herz für Gott und Zeichen dafür, dass wir wirklich leben“, erklärt Kranicki. Als Stadtpfarrer von Wolfsberg und somit „ihr“ Pfarrer fühle er sich dafür verantwortlich, sie so gut wie möglich auf die Firmung vorzubereiten, erklärt er den 47 Jugendlichen. „Schon bevor ihr euch letztes Jahr im Oktober zu Firmung angemeldet habt, habe ich für euch bei der Gottesmutter in Medjugorje gebetet. Und dort einen Rosenkranz für jeden von euch gekauft“, sagt er ins Mikrofon, während die gelben Kerzen am Altar langsam mehr werden, und die Schlange kürzer. Die Band „connected“ aus Graz steht links vom Ambo, mit Keyboard, Gitarre und Schlagzeug. Sie spielt „Heil’ger Geist, fall herab“. Eben schlug der beige Kirchturm viertel vor vier. Die gotische Kirche durchziehen gelb-goldene Sonnenstrahlen. Danach gibt es Schokokekse und Cola für alle im Pfarrsaal.
Am Abend geht es weiter: Erst Messe, dann musikalisch gestaltete Anbetung bis 21.30 Uhr. Die jungen Musiker schließen beim Singen die Augen und erheben betend ihre Arme. Drei Priester sind gekommen, um Beichte zu hören. Nachfrage gibt es genug. Der 16-jährige Samuel steht draußen vor der Kirche. Von innen leuchten lila Lichter heraus; etwas gedämmt hört man den Bass. Seit ein paar Jahren kommt Samuels Familie einmal im Monat zu dem Barmherzigkeitsabend. Obwohl sie mit dem Auto eineinhalb Stunden bis nach Wolfsberg braucht. Beim Barmherzigkeitsfest war Samuel schon in den Vorjahren. „Im Glauben zu wachsen“, das erhofft er sich von diesem Wochenende, sagt er, bevor er zurück in die Kirche huscht. An der Spitze des Altarraums steht das bekannte Gnadenbild des Barmherzigen Jesus, aus dessen Herzen Blut und Wasser strömen. Darum geht es an diesem Wochenende: die Barmherzigkeit Gottes den Menschen nahezubringen. So, wie Jesus sie der heiligen Schwester Faustyna Kowalska offenbart hat.
Die Menschen brauchen Gott, nicht die Traditionen
„Das Hochfest der göttlichen Barmherzigkeit ist ein Fest der Gnade: legen wir die Wunden unseres Lebens auf den Altar. Erbitten wir für unsere verwundeten Herzen Heilung und Frieden“, predigt Pfarrer Kranicki, der übrigens aus Polen kommt, in der Abendmesse. „Die Menschen sind wirklich auf der Suche. Es geht hier nicht darum, Traditionen zu pflegen, sondern sie brauchen Gott“, sagt der 39-Jährige. Das Barmherzigkeitsfest gibt es in Wolfsberg, seitdem Kranicki dort Pfarrer ist. 2016 war er als Seminarist beim Weltjugendtag in Krakau. Dort nahm er sich vor, die Botschaft der göttlichen Barmherzigkeit in seiner zukünftigen Pfarrei zu verbreiten. Die Teilnehmerzahl schätzt er in diesem Jahr, Stand Sonntagnachmittag, auf ungefähr 600.
Wie viele Menschen kämen, hänge auch von der Prominenz der Gäste ab. Die Lebensrechtlerin Sophia Kuby, der verurteilte Mörder und heutige Christ Thorsten Hartung und Andreas Boppart von „Campus für Christus“ waren in den Vorjahren da. Fürs nächste Jahr habe der Theologe Johannes Hartl schon zugesagt. Pfarrer Kranicki ist mit dem Fest zufrieden. „Die Beichten sind für mich eine Bestätigung: Der Aufwand hat sich gelohnt, es gibt einen tieferen Sinn. Ich möchte die Menschen mit dem Fest näher zu Jesus bringen, denn nur bei ihm finden sie die wahre Hoffnung. Viele Menschen leben im Überfluss, aber geistig in Armut. Jesus allein schenkt das Leben in Fülle“, sagt er.
Am Montagmorgen fährt er zum Grab des seligen Carlo Acutis in Assisi. „Dort möchte ich danke sagen.“ Ob er schon Früchte sehe, wie zum Beispiel Priesterberufungen? „Das ist im Werden. Ich spüre, da kommt was. Denn wo Jesus wirklich im Zentrum steht, da gibt es immer Früchte. Aber alles nur durch ihn, nichts durch uns“, sagt er. Am Sonntag geht es um 10.15 Uhr weiter: Mit der Familienmesse, inklusive Kinderprogramm. Danach halten Regina und Thomas Csanády aus Graz einen Vortrag über die Ehe. Wie so oft an diesem Wochenende zitierten auch sie Papst Franziskus: „Das ist die Ehe: Hand in Hand zusammen aufbrechen, im Vertrauen auf die große Hand des Herrn“. Zum Mittagessen gibt es Wiener Schnitzel und dann selbstgemachten Kuchen. Die Sonne strahlt, es könnte auch ein Sommertag sein. Die tierbemalte Hüpfburg ist nun aufgeblasen und wackelt ununterbrochen, so wild springen die Kinder in ihr herum. Und dann folgt der Lobpreis. „Die Lieder waren bis jetzt schon schön. Aber sie können ruhig noch lauter, noch lebendiger werden. Noch mehr Lobpreis“, meint eine junge Frau. Sie und ihr Freund sind mit Pfarrer Kranicki befreundet. „Das ganze Fest ist wirklich professionell organisiert, das kann man nicht anders sagen“, sagt der Freund.
Die Sänger schwelgen in Freude. Heute in Lederjacke und Dirndl, spielen sie „Selig die Barmherzigen“, das Lied vom Weltjugendtag 2016. Heute sind mehr Familien als gestern gekommen. Ein Mädchen und ein Junge spielen im hinteren Teil der Kirche fangen. Dort, wo auch die Stellwände mit Kinderbildern von Carlo Acutis darauf stehen.
Eucharistische Anbetung und Bischofsbesuch
Dann kommt der „Impuls des Tages“. Mit ruhiger, fast betend klingender Stimme erklärt Schwester Judith von den Dienerinnen vom Heiligen Blut, wieso Jesus unsere einzige Hoffnung ist: weil er uns alles vergibt und weil er einen jeden von uns unendlich liebt. „Jedes einzelne Wort ihres Vortrags hat mich direkt ins Herz getroffen. Danke“, meldet ein älterer Herr der Schwester später zurück. Um 15 Uhr ist es dann soweit: die Stunde der Barmherzigkeit. Das Allerheiligste ist ausgesetzt, die Band betet den Barmherzigkeitsrosenkranz vor. Selbst zwei Unbeschuhten Karmelitinnen sind aus ihrem Kloster dazugekommen. Aber auch nur dafür; keine zwei Minuten nach Ende sind sie wieder weg.
Am vollsten ist die Kirche, als Bischof Josef die Abendmesse feiert. Die Wolfsberger Stadtkapelle trägt gelbe Uniform, die Priesteramtskandidaten der Diözese Gurk-Klagenfurt sind Messdiener. Und, in den Reihen sieht man nun auch wieder die Firmkandidaten. Zum fünften Mal in Folge zelebriere er die heilige Messe am Barmherzigkeitsfest, sagt Bischof Josef Marketz. So wird es sich wohl auch fortsetzen, verraten die letzten Worte seiner Predigt: „Bis nächstes Jahr“. Dass mehr Menschen den Barmherzigen Jesus kennenlernen, erhofft sich Pfarrer Christoph Kranicki vom Barmherzigkeitsfest.
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