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US-Wahlgesetze: Oberster Gerichtshof stärkt juristische Kontrolle

Mit einem wegweisenden Urteil lehnt der „Supreme Court“ eine Rechtstheorie ab, die insbesondere Trump-Anhängern vertreten – und die auch die Wahlen 2024 beeinflusst hätte.
Oberster Gerichtshof der USA
Foto: IMAGO/xbakdcx (www.imago-images.de) | Konkret befasste sich der Oberste Gerichtshof mit der Auslegung des sogenannten „Elections Clause“ in der amerikanischen Verfassung.

Niederlage für die US-Republikaner vor dem Obersten Gerichtshof: Am Dienstag hat der „Supreme Court“ in der US-Hauptstadt Washington in einem mit Spannung erwarteten Urteil eine Rechtstheorie zurückgewiesen, die den Gesetzgebern in den einzelnen Bundesstaaten quasi uneingeschränkte Befugnis zugesprochen hätte, Regeln und Bestimmungen für Wahlen aufzustellen. 

Mit einer Mehrheit von sechs zu drei Stimmen lehnten die Obersten Richter im Fall "Moore v. Harper" die sogenannte „Independent state legislature“-Theorie ab, der zufolge die Gesetzgeber auf bundesstaatlicher Ebene ohne Kontrolle der Justiz über Wahlrechtsfragen entscheiden können. Mit einem Urteil zugunsten der Theorie hätten die Richter auch das parteipolitische Zuschneiden von Wahlkreisen, das „Gerrymandering“, legitimiert – eine Methode, mit der beide Parteien in den USA seit einiger Zeit versuchen, sich bei Wahlen mehr Kongressmandate zu verschaffen, als ihnen gemäß dem Anteil der Wählerstimmen zustehen würden.

Auch "Trump-Richter" stimmen gegen die Theorie

Insbesondere Anhänger des früheren US-Präsidenten Donald Trump hatten diese umstrittene Rechtstheorie vertreten. Sie müssen mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom Dienstag einen Rückschlag hinnehmen. Der Vorsitzende Richter des „Supreme Court“, John Roberts, schrieb in der Urteilsbegründung, dass die US-Verfassung die Gesetzgeber der Bundesstaaten „nicht von der üblichen gerichtlichen Kontrolle durch die Bundesstaaten“ ausnehme. Bemerkenswert ist auch, dass neben Roberts und dem linksliberalen Richterblock auch zwei der drei von Trump ernannten Richter mit der Mehrheit stimmten: Amy Coney Barrett und Brett Kavanaugh.

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Konkret befasste sich der Oberste Gerichtshof mit der Auslegung des sogenannten „Elections Clause“ in der amerikanischen Verfassung. Dieser besagt, dass „Zeit, Ort und Umstände der Wahlen von Kongressabgeordneten“ in jedem Bundesstaat von den jeweiligen Gesetzgebern bestimmt werden können. Anhänger der nun zurückgewiesenen „Independent state legislature“-Theorie hatten argumentiert, daraus lasse sich ableiten, dass keine anderen Regierungsorgane eines Bundesstaates – weder Gerichte, noch Gouverneure, noch Wahlleiter – das Recht hätten, in die Abläufe von Wahlen einzugreifen. 

Seinen Ursprung hat der Rechtsstreit im US-Bundesstaat North Carolina. Dort hatten die Republikaner die Wahlkreise im Vorfeld der Kongresswahlen vom vergangenen November derart zuschneiden wollen, dass trotz einer relativ gleichmäßig auf Demokraten und Republikaner verteilten Wählerschaft mindestens zehn der 14 Sitze an die Republikaner gegangen wären. Die Demokraten intervenierten daraufhin vor dem Obersten Gerichtshof des Bundesstaates North Carolina – mit Erfolg. Die Kongresswahlen fanden somit gemäß einer von einer unabhängigen Expertenkommission erstellten Karte der Wahlkreise statt. Sowohl Demokraten wie Republikaner gewannen sieben Kongressmandate in Washington. 

Trump scheiterte schon 2020 mit der Theorie

Die Republikaner jedoch wollten die Intervention des Obersten Gerichthofs des Bundesstaates North Carolina nicht hinnehmen und zogen vor den Obersten US-Gerichtshof in Washington. Die Absicht: zu klären, ob sich bundesstaatliche Gerichte überhaupt in die Wahlen einmischen dürfen. In dieser Frage ist nun das Urteil gefallen, womit der Streit vorerst beigelegt sein dürfte. 

Bereits 2020 hatten der damalige Präsident Trump und seine Anhänger versucht, sich auf die „Independent state legislature“-Theorie zu berufen, um den Wahlsieg des Konkurrenten Joe Biden zu kippen, damals ohne Erfolg. Hätte der Oberste Gerichtshof die Theorie nun für verfassungskonform erklärt, so hätte dies nach Ansicht von Experten weitreichende Folgen für die nächsten Präsidentschaftswahlen 2024 nach sich gezogen. Die in einem Bundesstaat regierende Partei hätte dann ohne jede Möglichkeit richterlichen Einschreitens die Wahlkreise so zuschneiden können, dass ihr Präsidentschaftskandidat – gemessen an der Stimmenverteilung der Bürger – überproportional viele Wahlmänner erhalten hätte. Die Praxis an sich ist nach dem jüngsten Urteil zwar weiterhin nicht verboten. Allerdings bleibt der politischen Gegenseite die Option, juristisch dagegen vorzugehen und somit mögliche Benachteiligungen zu verhindern.

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