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Der „Supreme Court“ ist kein Trump-Gericht

Dass die Obersten Richter eine oft von Trump-Unterstützern vertretene Theorie zum Wahlrecht ablehnen, ist ein gutes Zeichen für die US-Demokratie.
Allen Unkenrufen zum Trotz ist der „Supreme Court“ in seiner aktuellen Besetzung kein „Trump-Gericht“.
Foto: IMAGO/Allison Bailey (www.imago-images.de) | Allen Unkenrufen zum Trotz ist der „Supreme Court“ in seiner aktuellen Besetzung kein „Trump-Gericht“. Was ja häufig behauptet worden war, nachdem der Ex-Präsident in seiner Amtszeit gleich drei Richter ernannte.

Für viele mochte es zwar gewirkt haben wie juristisches Klein-Klein, als der Oberste Gerichtshof der USA am Dienstag eine dubiose Rechtsauslegung zurückwies, von der wohl auch ein großer Teil der Amerikaner noch nie gehört hatte. Und zugegeben, der Streit zwischen Demokraten und Republikanern in North Carolina, der dem Urteil im Fall „Moore v. Harper“ vorausging, mag auf den ersten Blicken wirken wie nur ein weiteres Beispiel für das gewohnte parteipolitische Gezänk zwischen den beiden Parteien.

Dass der „Supreme Court“ in Washington es ablehnte, den Parlamenten in den einzelnen Bundesstaaten quasi uneingeschränkte Macht über Wahlgesetze einzuräumen, wird jedoch massive Folgen für die US-Politik haben – und das weit über North Carolina hinaus.

Trump-Anhänger besonders betroffen

Das Urteil des Obersten Gerichtshofs sichert zu, dass auch weiterhin auf bundesstaatlicher Ebene geklagt werden kann, wenn sich eine Partei durch das aktive Zuschneiden von Wahlkreisen mehr Kongressmandate – oder Wahlmänner – sichern will, als ihr gemäß dem Anteil der Wählerstimmen zustehen würden.

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Die Entscheidung trifft Anhänger des früheren US-Präsidenten Donald Trump ganz besonders: Sie waren es, die in North Carolina versucht hatten, den Demokraten mit ihrer äußerst fragwürdigen Auslegung der Verfassung, der „Independent state legislature“-Theorie, einige Kongressmandate streitig zu machen. Bereits 2020 wollten sie auf diese Weise den Wahlsieg Joe Bidens kippen. Solchen Bestrebungen hat der Oberste Gerichtshof nun eindeutig einen Riegel vorgeschoben.

Aus dem Urteil lässt sich aber noch eine weitere wichtige Erkenntnis ziehen: Allen Unkenrufen zum Trotz ist der „Supreme Court“ in seiner aktuellen Besetzung kein „Trump-Gericht“. Was ja häufig behauptet worden war, nachdem der Ex-Präsident in seiner Amtszeit gleich drei Richter ernannte: Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett. Zwei dieser drei Richter schlossen sich im jüngsten Fall der linksliberalen Mehrheit und dem Vorsitzenden Richter John Roberts an.

Judikative zunehmend äußerer Einflussnahme ausgesetzt

Und dies nicht zum ersten Mal: Erst Ende vergangener Woche stärkten die Obersten Richter der Einwanderungspolitik des Präsidenten Joe Biden den Rücken – einschließlich der drei von Trump ernannten Richter. Und Anfang des Monats schlug sich zumindest Richter Kavanaugh in einem Fall auf die Seite des linksliberalen Blocks, in dem es um Beschneidungen des Wahlrechts schwarzer Bürger ging.

Nun ließe sich einwenden, dass eine unabhängige Justiz in einer Demokratie selbstverständlich sein sollte. Jedoch ist die Judikative in den USA nicht erst seit Trump zunehmend äußerer Einflussnahme ausgesetzt – durch Politiker, Großspender, Aktivisten. Urteile wie die jüngsten des Obersten Gerichtshofs zeigen, dass das politische System nicht völlig ins Wanken geraten ist. Eine Erkenntnis, die umso wichtiger ist, wenn man bedenkt, dass Donald Trump im nächsten Jahr als potenzieller Präsidentschaftskandidat abermals ein großes Spektakel veranstalten könnte. Und er wird kaum vor dem Versuch zurückschrecken, das Wahlergebnis ein zweites Mal zu kippen. Die Gerichte müssen dann – wie schon 2020 – als Brandmauer zur Stelle sein. 

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