Deutliche Kritik an der Abtreibungspolitik des amtierenden US-Präsidenten Joe Biden übt der Erzbischof von Kansas, Joseph Naumann. Biden sei im Laufe der Karriere der Linie der Demokraten gefolgt, nicht der Lehre der Kirche. „Er hat sich ins Extreme entwickelt, und will jetzt sogar sämtliche Mittel des Bundes nutzen, um legale Abtreibungen in den USA weiter zu ermöglichen“, betont der langjährige Vorsitzende des Lebensschutz-Komitees der US-Bischofskonferenz im exklusiven Gespräch mit der „Tagespost“.
Naumann: Biden inszeniert sich als glaubenstreuer Katholik
Nachdem der Oberste Gerichtshof der USA, der „Supreme Court“, Ende Juni mit einer historischen Entscheidung das umstrittene Grundsatzurteil „Roe vs. Wade“ gekippt und den Bundesstaaten die Kompetenz zurückgegeben hatte, eigene Abtreibungsgesetze zu erlassen, bekräftigte Biden mehrmals, er wolle das „Recht“ von Frauen, sich für eine Abtreibung zu entscheiden, verteidigen. Dazu erließ er vergangene Woche ein Präsidialdekret, mit dem der Zugang zu „reproduktiver Gesundheit“ gesichert werden soll. Das neue Grundsatzurteil des Obersten Gerichts nannte eher immer wieder „extrem“.
Erzbischof Naumann, der den Vorsitz des Lebensschutz-Komitees von 2017 bis 2020 innehatte, sieht auch einen Widerspruch in Bidens Haltung zum Lebensschutz und dessen katholischen Glauben, den er öffentlich regelmäßig betont. Biden behaupte, ein gläubiger Katholik zu sein, „aber aus seinem Handeln wird das eigentlich nicht deutlich“, so der 73-jährige Naumann. „Meiner Ansicht nach setzt er den Rosenkranz und seine Messbesuche ein, um sich als glaubenstreuer Katholik zu inszenieren.“
Biden sollte auf Kommunionempfang verzichten
Er sei besorgt, so Naumann weiter, wie viele Menschen Biden mit seiner Haltung „in die Irre“ führe. „Er lehrt die Leute: Ich befürworte legale Abtreibungen und bin gleichzeitig ein frommer Katholik, also könnt ihr das auch.“ Mit solch einer Einstellung würden Politiker wie Biden eine Grenze überschreiten. Er sei daher der Ansicht, so der Erzbischof, dass Biden freiwillig auf den Empfang der Kommunion verzichten solle.

Die Frage, ob Politiker, die Abtreibung befürworten, die Kommunion empfangen sollten, wird seit längerem heftig diskutiert. Sie rückte jüngst wieder in den Fokus des medialen Interesses, als die Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, im Vatikan während einer päpstlichen Messe die Kommunion empfing. Wie Biden ist Pelosi gläubige Katholikin, vertritt aber gleichzeitig die progressive Abtreibungspolitik der Demokraten. Dass Papst Franziskus Pelosi im Vatikan empfing, kann Erzbischof Naumann nicht nachvollziehen. Es sei enttäuschend, wie der Papst sich „sowohl gegenüber Präsident Biden wie auch Nancy Pelosi verhielt“.
Naumann begrüßt neues Grundsatzurteil
Franziskus, der Abtreibung immer wieder verurteilte, verfolgt in der Kommunionfrage einen anderen Ansatz. Kirche und Bischöfe müssten pastoral auftreten, sonst würden sie politisch, sagte er jüngst im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „Reuters“. Diese Einstellung kritisiert Naumann gegenüber der „Tagespost“: „Es ist nicht pastoral, jemandem zu sagen, er sei ein guter Katholik und könne selbstverständlich die Kommunion empfangen, wenn diese Person doch ein schweres Übel begangen hat.“
Das neue Grundsatzurteil des Obersten Gerichts in der Abtreibungsfrage begrüßt Naumann ausdrücklich. Damit seien die Richter der amerikanischen Verfassung gefolgt. „Schon seit Jahrzehnten räumen sogar Juristen, die Abtreibung grundsätzlich befürworten, ein, dass ,Roe vs. Wade‘ keine plausibel begründete Entscheidung war“, so der Erzbischof. Das neue Urteil der Obersten Richter hingegen sei „wohl überlegt“. DT/mlu
Wie beurteilt Naumann die Politik des Ex-Präsidenten Trump zum Lebensschutz? Was sind die nächsten Schritte der US-Lebensrechtler nach dem neuen Grundsatzurteil? Und droht der zutiefst gespaltenen US-Gesellschaft ein neuer Bürgerkrieg? Lesen Sie mehr darüber in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".