Der Erzbischof von Chicago, Kardinal Blase Joseph Cupich, sieht sich derzeit breiter Kritik von mehreren Amtsbrüdern aus dem US-Episkopat ausgesetzt. Der Grund: Cupich will den demokratischen Senator Dick Durbin im Rahmen einer Benefizveranstaltung der Erzdiözese Chicago Anfang November für sein Lebenswerk ehren – obwohl dieser Abtreibungen befürwortet. Mit dem emeritierten Erzbischof von Kansas City und ehemaligen Vorsitzenden des Lebensschutzkomitees der US-Bischöfe, Joseph Fred Naumann, wandte sich jüngst bereits der zehnte (Erz-)Bischof besorgt an die Öffentlichkeit. Dass Cupich den US-Senator würdigen wolle, sorge für einen Skandal und stelle einen Fall von „pastoraler Vernachlässigung“ dar, erklärte Naumann in einer Stellungnahme gegenüber der katholischen US-Zeitschrift „National Catholic Register“.
Naumann wies in seiner Kritik darauf hin, dass Durbin aufgrund seiner konsequenten Unterstützung von Gesetzen, die Abtreibung ermöglichten, bereits 2004 von seinem eigenen Bischof vom Empfang der heiligen Kommunion in seiner Diözese Springfield ausgeschlossen worden sei. Darauf hatte auch der amtierende Bischof von Springfield, Thomas Paprocki, hingewiesen. Paprocki hatte sich als erster Bischof kritisch über das Vorhaben Cupichs geäußert.
Cupich rechtfertigt geplante Ehrung
Kardinal Cupich wies bislang jede Kritik von sich. Er wolle Durbin, einen langjährigen demokratischen Kongressabgeordneten aus Illinois, eigenen Angaben zufolge am 3. November beim jährlichen „Keep Hope Alive“-Benefizabend für die Förderung der katholischen Soziallehre in den Bereichen Einwanderung, Fürsorge für die Armen, Umweltschutz und Förderung des Weltfriedens mit einem „Lifetime Achievement Award“ auszeichnen - nicht für dessen Unterstützung von Abtreibungen.
In einer jüngst veröffentlichten Stellungnahme argumentierte der Kardinal, dass im Zentrum der konsequenten Ethik des Lebens die Erkenntnis stehe, „dass die katholische Lehre über Leben und Würde nicht auf ein einziges Thema reduziert werden kann, selbst wenn es sich um ein so wichtiges Thema wie Abtreibung handelt“. Der Vatikan selbst habe die Bischöfe aufgefordert, „auf katholische Politiker in ihrem Zuständigkeitsbereich zuzugehen und mit ihnen in einen Dialog zu treten, um ihre Positionen und ihr Verständnis der katholischen Lehre besser zu verstehen“.
Naumann: Niemanden auszeichnen, der Recht auf Leben missachtet
Diese Begründung nannte Naumann mit „unsinnig“. Dialog bedeute nicht, dass man katholische Politiker auszeichnen solle, „die das grundlegendste Menschenrecht, nämlich das Recht auf Leben des Ungeborenen, missachten“, entgegnete er. Die US-Bischofskonferenz habe „den Schutz ungeborener Kinder und ihrer Mütter vor der Tragödie der Abtreibung stets als das wichtigste Menschenrechtsthema unserer Zeit angesehen.
Abtreibung greife „das Leben der Unschuldigsten und Schutzbedürftigsten“ an, so der emeritierte Erzbischof weiter. Zudem schade Abtreibung „der Familie und den grundlegendsten menschlichen Beziehungen“, indem sie das Wohlergehen der Mütter gegen das Leben ihrer eigenen Kinder ausspiele, unschuldiges Leben in „erschreckendem Ausmaß“ zerstöre und die betroffenen Frauen „körperlich, emotional und spirituell“ schädige.
Hinzu käme, dass die Legalisierung von Abtreibung „die Verantwortungslosigkeit der Männer“ fördere, „indem sie sie von der Verpflichtung entbindet, für die von ihnen gezeugten Kinder zu sorgen und sich um deren Mütter zu kümmern“.
„Entscheidung überdenken“
Der Erzbischof von San Francisco, Salvatore Cordileone, versuchte in einem Post auf der Kurzmitteilungsplattform „X“ den Widerspruch dieser Ehrung durch einen Vergleich zu verdeutlichen: „Stellen Sie sich Folgendes vor: Ein prominentes Mitglied des US-Senats hat sich nachdrücklich für die Verteidigung der Menschenwürde des Lebens im Mutterleib eingesetzt, befürwortet aber auch die Finanzierung von Grenzschutzbeamten, die Menschen erschießen sollen, die versuchen, illegal in das Land einzureisen. Würde jemand es für angemessen halten, einen solchen Senator für sein Engagement gegen Abtreibung zu ehren?“
Zuvor hatte Bischof Paprocki betont, dass die Entscheidung, einen Mann zu ehren, der über viele Jahre konsequent legale Abtreibungen unterstützt habe, „inklusive der Ablehnung von Gesetzen zum Schutz von Kindern, die eine fehlgeschlagene Abtreibung überlebt haben“, die Gefahr eines schweren Skandals berge und die Gläubigen in Bezug auf die eindeutige Lehre der Kirche zum Schutz des menschlichen Lebens verwirre. Die katholische Kirche dürfe nicht diejenigen ehren, „die gegen unsere grundlegenden moralischen Prinzipien handeln“, fügte er hinzu.
Andere Bischöfe — unterstützt von katholischen Laien — äußerten über verschiedene Kanäle ähnliche Bedenken, darunter Bischof James Wall von Gallup/ New Mexico, Bischof David Ricken von Green Bay/Wisconsin, Bischof Carl Kemme von Wichita/Kansas, Bischof James Johnston von St. Joseph-Kansas City/Missouri und Bischof Michael Olson von Fort Worth/Texas, der ehemalige Bischof von Tyler/Texas, Joseph Edward Strickland sowie Bischof James Conley von Lincoln. DT/dsc
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