Am kommenden Donnerstag, den 6. Juli, will der Deutsche Bundestag abschließend über die umstrittene rechtliche Neuregelung der Suizidhilfe beraten. Für die Zweite und Drittes Lesung der interfraktionell erarbeiteten Gesetzesentwürfe, beginnend um 9.00 Uhr, sieht die auf dem Internetauftritt des Bundestags veröffentlichte Tagesordnung 105 Minuten vor. Bei der sich anschließenden Namentlichen Abstimmung ist der Fraktionszwang aufgehoben.
Unterdessen hat Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) deutliche Kritik an dem Termin geübt und eine Verschiebung der abschließenden Beratungen angeregt: „Eine solche, sehr emotionale und hoch sensible Gewissensentscheidung mal eben zwischen Heizungsgesetz, Inflation und Ukrainekrieg treffen zu müssen, wird der Komplexität des Themas nicht gerecht“. Zudem lägen die überarbeiteten Gesetzesentwürfe gerade einmal zwei Wochen lang vor. „Die Sommerpause würde helfen, diese schwierigen Fragen zu durchdenken“, zitiert die Katholische Nachrichtenagentur KNA Magwas.
Ärztevertreter warnen vor „Hauruckverfahren“
Zuvor hatten bereits Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt sowie mehrere medizinische Fachgesellschaften wiederholt Kritik das Parlament vor einer übereilten Entscheidung gewarnt. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz rieten die Bundesärztekammer (BÄK), das Nationale Suizidpräventionsprogramm (NaSPro), die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sowie die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) Mitte der Woche davon ab, eine derart weitreichende Entscheidung „im Hauruckverfahren“ durch den Bundestag zu bringen.
Deutliche Kritik übten auch die Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) und die Christdemokraten für das Leben (CDL). „Nahezu völlig unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit hat der Bundestag für die letzte Sitzungswoche des Parlaments vor der Sommerpause die Abstimmung über zwei Gesetzentwürfe zum assistierten Suizid angesetzt. Dabei wäre hier eine breite gesellschaftliche Debatte dringend notwendig gewesen, die vor allem eins in den Blick nimmt: die Verbesserung der palliativen Versorgung und die Suizidprävention“, erklärte die Bundesvorsitzende der ALfA, Cornelia Kaminski, in Augsburg. Leider schienen jedoch „sämtliche mahnenden Stimmen zur Besonnenheit der Experten ungehört zu verhallen: unter anderem die Experten der Bundesärztekammer und des Nationalen Suizidpräventionsprogramms, die allesamt ein Innehalten und eine ausführliche Befassung des Parlaments mit den neugefassten Gesetzentwürfen fordern“, so Kaminski weiter.
Zahlreiche wichtige Fragen bleiben unbeantwortet
Nach Ansicht der CDL-Bundesvorsitzenden Susanne Wenzel, lassen die Gesetzesentwürfe zahlreiche wichtige Fragen unbeantwortet: Etwa, „welches geschulte Fachpersonal die Beratung machen soll? Wer kann und will immer wieder erleben, dass die eigenen Bemühungen um das Leben eines Menschen scheitern, man aber durch die Scheinausstellung an der Selbsttötung oder dem assistierten Suizid dieses Menschen mitwirken soll, zu dem man versucht hat, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, weil man eine gesetzliche Bestimmung erfüllen sollt? Wie will der Staat ein solches Beratungssystem ambulant oder stationär gewährleisten können?“, fragt Wenzel in einer Pressemitteilung. DT/reh
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