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Stark und schwach zugleich: Die Union nach der Wahl

Dietmar Woidke ist der Sieger, braucht aber eine Koalition. Geht die CDU in ein Bündnis mit dem BSW? Welche Folgen hätte das für den Bund?
Friedrich Merz und Jan Redmann
Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur (www.imago-images.de) | Läutet Friedrich Merz ein Bündnis mit dem BSW ein? Eine neue Woidke-Regierung in Brandenburg wird es jedenfalls nur mit dem BSW geben.

In diesem Schulterklopfen lag eine ganze Wahlkampfstrategie: Wie an jedem Wahlabend traten gestern die Spitzenkandidaten vor die Fernsehkameras. Als Jan Redmann, der CDU-Spitzenkandidat, ging, kam SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke. Er konnte gerade noch seinem (auch körperlich) kleineren Koalitionspartner einen aufmunternden Klaps auf die Schulter mitgeben. Nach dem Motto: „Wird schon, Kleiner. Ich weiß, ich habe euch ordentlich Stimmen weggenommen, aber in der Koalition sehen wir uns wieder.“

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Woidke hat Wahlkampf mit dem Staubsauger gemacht und alles in der politischen Mitte aufgesaugt. Sein Hauptziel: Die AfD sollte nicht stärkste Partei werden. Das hat er erreicht, in einer durchaus beeindruckenden Aufholjagd. Trotzdem liegt er nur knapp vor den Blauen. Und mit seiner Saugstrategie hat er gleichzeitig auch seine alten Koalitionspartner dezimiert. Die Grünen sind gar nicht mehr drinnen und die CDU holte desaströse elf Prozent.

Verramscht die CDU das programmatische Tafelsilber?

Aber der Groll von Jan Redmann wird sich weniger gegen Woidke richten. Dem ist schwerlich vorzuwerfen, dass er aus der schon ziemlich schwierigen Ausgangssituation das für sich Beste rausgeholt hat. Richtig wütend dürfte Redmann hingegen auf seinen Parteifreund Michael Kretschmer sein, den Ministerpräsidenten von Sachsen. Der hatte nämlich in einem Doppelinterview mit Woidke in der FAZ ziemlich unverhohlen Wahlkampfhilfe für seinen Potsdamer Amtskollegen betrieben.

Für die CDU stellt sich nun aber noch ein viel größeres Problem: Eine neue Woidke-Regierung wird es nur mit dem BSW geben, und die Union wäre in diesem Bündnis der kleinste Partner. Kann das für die Union eine Option sein, zumal die Stimmen derer nicht leise werden, für die eine Zusammenarbeit mit der Wagenknecht-Truppe bedeuten würde, das programmatische Tafelsilber zu verramschen?

Trotzdem scheint Friedrich Merz ruhig zu bleiben. Einmal hat er die Kanzlerkandidatur fest in der Tasche, zum Zweiten sind die Werte für die Union bei den Umfragen so gut wie schon lange nicht mehr (auch wenn sie angesichts der desaströsen Lage der Ampel-Parteien noch besser sein könnten). Angesichts dieser guten Ausgangssituation ist sein Motto: Über Koalitionen wird nach der Bundestagswahl gesprochen.

Merz wird Grundsatzstreitigkeiten vermeiden wollen

Merz wird also tunlichst vermeiden, neue Grundsatzstreitigkeiten über mögliche Bündnis-Optionen vom Zaun zu brechen. Sowohl mit Blick auf die Grünen: Hier lässt er etwa Hendrik Wüst seine NRW-Welt, in der dieser immerhin mit den Grünen sogar ein eigenes Sicherheitspaket zustande gebracht hat. Aber eben auch in der Frage des BSW: Die Landesparteien vor Ort sollen entscheiden, ob es geht oder nicht. Einzige Bedingung: Es darf im Koalitionsvertrag keine Präambeln zur Außen- und Sicherheitspolitik geben.

Ob sich aber Sahra Wagenknecht tatsächlich in die Verhandlungen vor Ort mit ihrer Ukraine-Agenda direkt einmischen wird? Das werden nun die Verhandlungen in Dresden, Erfurt und Potsdam zeigen. Das könnte auch zu Abwehrreaktionen der BSW-Politiker in den Bundesländern führen, die sich vielleicht doch nicht immer von der großen Vorsitzenden hineinregieren lassen. Kurz: Verhandlungen bieten Spaltpotential. Diese Chance hätte bei der AfD auch einmal bestanden, das ist allerdings ein Jahrzehnt her. Daraus sollte man lernen.   

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